B e t r a ch t u n g e n
übet
d i e b e s c h r i e b e n e n P o l y p e n .
J 3 er Polyp des süfsen Wassers ist . bisher ein Hauptgegenstand der gelehrten
Untersuchungen gewesen, welche man anstellte, um die Rette der natürlichen
"Wesen zu vervollständigen; aber jeder Naturforscher wird gestehen müssen , dafs
derselben noch eine grofse Menge Glieder fehlen. Gewifs Werden aber die Entdeckungen
die man jetzt nach und nach über diese einfachen .Thierbildungen
gemacht hat, und noch macht, bald ein bedeutendes Licht über diesen Gegenstand
verbreiten. Die ro th e M e e rp om e ran z e (alcyonium cydonium Linne'.)
und die grüne des Imperato werden vielleicht, wenn sie erst" genauer untersucht
sind bedeutende Ringe jener Kette bilden können, und sollte nicht auch dié
Beschaffenheit einiger neuer Corallinen, bey besserer Efkenntnifs, uns jenem
Zwecke näher führen ? . . . Aber die Auseinandersetzung der einzelnen Umstände
soll uns zeigen, dafs ich hier nicht blofse Hypothesen vorlegè.
Trembley bemerkte an seinen Polypen eine ungemeine Gefräfsigkeity derent-
halben er sogar Wunderbare Jagden im Wasser änstellte, ■ Bey unsërn Polypen
haben wir dagegen gesehen, dafs mehr das Medium in dem sie leben, zu ihrer
"Nahrung dient, als Körper, die sie wirklich in sich aufnehmen. So wird also
bey ihnen die Idee des Thierischen immermehr vereinfacht, und sie scheinen um
so mehr den Uebergang zu den Vegetabiliën yorzubereiten.
Betrachten wir nun noch die Menge von Mundöffnungen an der Gorgonie
und Coralle, geschweige denn an der Millepore, wodurch diese Polypen ihre
Nahrung ieinsaugen, so werden wir gestehen müssen, dafs si.e in der That den
Pflanzen sehr nahe stehen, bey denen wir an jedem Theile ihres .Körpers solche
einsaugende Mündungen wahrnehmen.
Trembley kannte die einfache und gleichförmige Bildung seines Polypen,
bey dem jeder Th eil im Kleinen, was der Polyp im Ganzen ist, sehr gut. Eben
so bemerkten wir, dafs die beschriebenen Polypen durchaus aus einförmiger Gallert,
oder weichen, mit Kalk geschwängerten. Theilen" bestehen. Dafs sie mit
einem Skelett versehen sind, trennt sië keinesweges von der Verwandschaft mit
dem Sumpfpolypen, denn Ein Organ mehr oder Weniger kann in einer Klasse
keine Spaltung verursachen. In diesen Skeletten sahen wir, wie verschieden die
Natur sich zu gestalten weifs : bey der Gorgonie befand es sich im Innern, bey
der Millepore, so wie bey der Sertularie und Tubularie, auswendig. So finden
Wir auch bey den hohem Thierklässen die Knochen als das Innerste, die Schuppen
der Fische und Amphibien und die Decken der Insekten aber als äufsere
Bedeckung. ,
Wenn ein alter Naturforscher die Pflanze als ein T h ie r mit W u r z e ln ,
definirt, mit weit mehr Recht würde er es gethan haben, wenn er Einen dieser
Polypen gekannt hätte? Die Eigenschaft, willkührlich den Ort zu verändern,
die allen Thieren eigenthümlich zuzukommen scheint, sieht man diesen, offenbar
thierischen, Polypen abgehen ; und es scheint dabey eine gewisse Abstufung statt
zu finden, denn der Polyp des süfsen Wassers, die Seefeder und der Bandwurm
können allerdings auf gewisse Weise ihren Ort verändern, wenn sie gleich an
den Boden, den Meersand ') oder den thierischen Körper gebunden scheinen.
Spaltet man den Sumpfpolypen zum Tlieil der Länge nach, so wird er seine
Köpfe vervielfältigen, und Schöfslinge treiben, die in der ersten Zeit nnt dem
Mutterstamme Zusammenhängen, und von ihm ernährt werden. Nähert er sich
in diesem Zustande nicht sehr den Meerpolypen, die sich durch eine so bewundernswürdige
Menge von Mundöffnungen auszeichnen ?
Nach der gleichförmigen Bildung des Sumpfpolypen scheint seine, von
Trembley beobachtete Reproduktionskraft ganz leicht zu erklären. In neuern
Zeiten haben verschiedene italienische Gelehrte auch an andern, mehr zusammengesetzten
Thieren glückliche Versuche darüber angestellt, und man sollte
sich bemühen, auch auf die Gorgonie und Coralle diese Untersuchungen auszudehnen.
An einem andern Orte werde .ich meine, in dieser Hinsicht über die
Sertularia capillum Veneris allgestellte Versuche mittheilen, deren verstümmelte
Aeste und aüsgerissenen Organe, in 3 Tagen, während welchen sie im Meere
blieb, vollkommen wieder erzeugt wurden. Ich habe mir auch vorgenommen
im nächsten Jahre an einigen Gorgonién in der Grotte des Lazareths den thierischen
Ueberzug zu zerreifseii unddie Aeste zu verstümmeln, um su sehen, ob
die1 Naturkraft ihr entb!Ostes Skelett wieder bedecken, und ihren verkürzten
Stamm wieder verlängern wird. . _ _
Aber wenn die Lebenskraft bey den höbern Thierklassen bey weitem mehr
ausgebildet is t ; warum sehen wir dort nicht eben so wunderbare Erscheinungen?
Diefs kann uns nicht auffallen, Wenn wir bedenken, dafs die Wiedererzeugung
der Theile bey diesen Thieren die Mitwirkung einer Menge Organe, die Entwicklung
der verschiedensten Keime, und die Zusammenstimmung der mannichfach-
sten Funktionen erfordert; zu einer solchen Höhe kann sich die Naturkraft nicht
aufschwingen. —
Dié edelste Eigenschaft der organischen Wesen besteht darin, aus sich selbst
ähnliche Organismen zu erzeugen, die nach ihrem Modella gebildet, die Art ewig
erhalten. Bey den Thieren bemerken wit aber, dafs die Erzeugung dieser Örga-
1 ) Dér Seefeder kommt daher der linnesche Charakter stirps libera nicht zu ; es sollte vielmehr
vaga heifsen. Ich werde diefs noch in einer besondern Abhandlung über die graue
S e e f e d e r zeigen.
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