müssen, es sey der Speisekanal. In der That sieht man auch in der Mitte der
Fühlfäden die mit einem erhöheten Rande versehene Mundöffnung; allein
wegen der Seltenheit der Exemplare und des Mangels an Bequemlichkeit bey
den Untersuchungen, hat es mir nicht glücken wollen, hier, so wie bey der
Gorgonie, den Ernährungsakt durch dieses Organ selbst zu beobachten.
Auch läfst sich aus der Analogie mit der Gorgonie schliefsen, dafs das Organ
zugleich das Werkzeug der Fortpflanzung seyn müsse, und wenn ich auch die
Sache selbst nicht mit Augen gesehen, so habe ich doch hinreichende Ursache diefs
anzunehmen.
Die ganze Oberfläche der Coralle ist übrigens glatt, und wie mit einem
feinen Sammt überzögen ; schneidet man hinein, so findet man", dafs sie, so wie
die Gorgonie, aus zweyen Theilen, einem weichen, organischen, umgebenden,
und einem harten, anorganischen, umgebenen besteht x), Doch ist jener weiche,
thierische Ueberzug nur in, Bezug auf das harte Skelett, eigentlich weich zu
nennen, denn er ist mit so vielen Kalktheilchen geschwängert, dafs er ziemlich
derb is t ; und wenn man mit einem Messer leicht davon schabt, so bleiben viele
Kalktheilchen darauf sitzen, die b^inal vergröfsert, eckige Körner darstellen *);
An der Luft trocknet dieser Ueberzug zusammen, wie jedes thierische Zellgewebe;
legt man ihn in Wasser, so wird er wieder erweicht und man kann dann genau
seine Zusammensetzung erkennen ; in Salpetersäure wird er sogleich des Kalks
entbunden, und es bleibt dann ein Zellgewebe, das der mit dem Bast abgezogenen
Kinde eines Baumes gleicht; läfst man ihn länger in diesem Auflösungsmittel, so
verwandelt er sich in eine blofse Gallert. Es giebt also keinen weichen Theil der
Coralle, der nicht bey der Berührung der Luft, sich verhärtet, woher denn auch
die Alten glaubten, die Coralle sey von Natur weich, werde einst an der Luft
hart, und sey daher fine Pflanze, die hierdurch von allen andern abweiche;* 1 2).
Jener Ueberzug der Coralle**) nun , der die Holen für die beschriebenen Organe
in sich enthält, besteht aus zweyen Theilen : dem kalkigen Parenchym und einem
Periosteum, das das harte Skelett unmittelbar umgiebt, und, vorzüglich mittelst
der Längsstreifen in demselben, fast an ihm anhängt, so, dafs wenn man den
Ueberzug ganz abnimmt, das Periosteum gewisser, theils an ihm, theils am
Skelett sitzen bleibt; der Uebergang ist bis y Linie dick, und enthält, wie schon
gesagt; die Holen für die beschriebenen Organe, die man, wegen der Durchsich-
1 ) Auch Imperato bemerkte diefs: „D ie Coralle ist im .natürlichen Zustande mit einer zarten,
krustähnlichen Haut umgeben, welche ihr ein mehr schmutzigrothes Ansehen giebt. Erst
nachher, wenn sie deren durch die Politur beraubt wird, bekommt sie eine lebhaftere
Farbe* Hist. nat. Lib. X X V II. cap, 2.
* ) Fig. 2.
2) Nunc quoque Coraliis eadem natura remansit
Duritiem tacto capiant ut ab aere, quodque
Vimen in aequore erat, hat super aequora saxum.
Ovid. Metam. L . IV*
tigkeit des Periosteums, und der untersten Lage des Ueberzugs selbst, auch von
der innem Seite unterscheiden kann. Jede Hole hat den Umfang eines Hirsenkornes
und setzt sich in die Häute des polypenförmigen Organes fort, das,
darin zurückgezogen, einem gestaltlosen Klümpchen Gallert gleicht.
Das Periosteum, oder besser Perisceleton (perischeketro) enthält ein System
von Saugegefäfsen*), die zwischen ihm und dem parenchymatösen Theile mitten
inne liefen , und ihrer Lage nach den Streifen im Skelett entsprechen ; sie enthalten
einen weifslichen Saft, der bey einem Querschnitte, oder, wenn ein solches
Gefäfs zerreifst, hervorquillt; einen ähnlichen Saft bemerkt man auch wenn man
das Parenchyma drückt.
Das beschriebene Perisceleton wird nun von Seiten des Parenchyma’s immer-
mehr mit Kalktheilchen geschwängert, legt so neue Blätter auf dem Skelett an,
und vergröfsert dieses. Diese Entstehungsart, die man einst auch für die Knochen
ännahm “), wiewol spätere Beobachtungen das Gegentheil zeigten *), findet also
offenbar beym Skelett der Goralle statt, und dieses stehet defswegen zwischen
jenen, die durch innere Ernährung wachsen, und dem Holze der Pflanzen mitten
inne, das a\js der Verhärtung des Bastses entsteht.
Man hatte zu Anfang dieses Jahrhunderts bedeutende Streitigkeiten darüber,
wie die Schaalen und Gehäuse der Conchylien sich bildeten. Herr Swammerdam
behauptete, sie wüchsen durch Ernährung von innen, da sie den Muschelthieren
so zugehörten, wie "die Knochen den Thieren 3) ; Herr de Reaumur bestand auf
dem Gegentheil, und zeigte durch entscheidende Versuche, wie diese Schaalen
anorganisch wären , und nur durch Ablagerung des Steinsattes aus dem Körper
des Schaalthieres entständen 4). Späterhin führte Herr Klein ähnliche Streitigkeiten,
baute aber ein System ohne Grund a u f5). Herr Herissant, ein französischer
Anatom, machte ganz neue Untersuchungen über die Knochen, indem er
dieselben mit Salpetersäure behandelte, und dadurch zu dem Resultate kam, sie
beständen blos aus eineffP, ganz mit Kal kt h ei i eben geschwängerten , weniger thie-
rischen Parenchyma; er schlofs daraus, die Struktur der Poren, Madreporen,
Corallen und"aller. Meerpolypen sey eben dieselbe, und schrieb über den letzten
Gegenstand eine besondere Abhandlung 6). Diefs System wurde von zweyen
grofsen Naturforschern unsres Zeitalters, Bonnet und Spallanzani sehr gebilligt,
allein, wenn auch seine äufsere Ansicht für seine Aufnahme zu sprechen scheint,,
so haben mir doch meine Erfahrungen gezeigt, dafs es keinesweges ganz der
Wahrheit g'emäfs ist*.
* J Fig. 4,
1 ) Du Hamel. Memoir, de l'Acad. an 1741» 1 742 > i 743*
*) Haller. Memoir, sur la formation des os. x758*
5) Bibl Nat. T. I. p. 99. 4) Mem de TAcad. an. 1709 p. 364. 5) De format testar. exstat in Tentam. meth. ostrac. Lugd. Bat. i 753*
6) Memoir, dé l ’ Acad. an. 1753. p. 334.
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