Frühjahr machte ich also, so bald als möglich, eine Fahrt nach dieser Grotte, wo
ich zur Zeit der Ebbe, nachdem ich das Wasser durch ausgespriztes Öel völlig
beruhigt hatte, an einem etwas hellen Orte, mit dem gröfsten Vergnügen eine
Menge Gorgonien von jedem Alter, von der Gröfse eines halben, bis zu der von
15 Zollen, erblickte. Alle erschienen, wie mit einem weiften Flaum überzogen,
der ihre Dicke um vieles vermehrte, und auf dem rothen Grunde des Stamme#
selbst einen schönen rosenrothen Schimmer bekam. Aber das | ganze liebliche
Schauspiel verschwand in Einem Augenblicke, sobald einer meiner Fischer seinen
Haken näherte, um Eine der Gorgonien .abzulösen. Kaum war diese aber ins
Gefäfs gebracht, und das Wasser beruhigt | so zeigte sich wieder der vorige
Anblick, denn so, wie die eingesammelten Mollusken sich bald von der Veränderung
erholen', und ihre Glieder ausbreiten, so streckt auch die Gorgonie, bey
wiedergekehrter Kühe, ihre schon hinlänglich beschriebenen Organe hervor,
deren Fühlfäden, in beständiger Bewegung,, ‘bald mit der Spitze das Zentrum
berühren, bald sich in der Milte Zurückschlagen und dann mit der Beugung
dem Mittelpunkte sich nähern. Obgleich diese Bewegung nun zu geschehen
scheint, um irgend einen Körper zu Munde zu führen, so hatte ich doch nie,einen
dergleichen entdecken können. Indessen war ich bey den Sertularien so glücklich
gewesen, mit einem Vergröfserungsglase die Infusionsthierchen zu erblicken, die
von den Organen dieser Zoophyten , mittelst eines eigenen Mechanismus;, wie in
einen Trichter verschlungen wurden. Ich machte daher auch bey der Gorgonie
noch eine Probe in dieser Hinsicht, und brachte von einer, an Infusorien reichen
druck auf s ie , und zupaal auf ihre sö zarten Organe machen mögen. Meine thermome-
trischen Versuche über die Temperatur der Luft und des Wassers in der angeführten
Grotte gaben mir wenigstens keine Resultate, aus denen ich hatte schliefsen können , dafs
der mindere Wärmegrad derselben diese Thiere hieber locke. Warum aber in andern
Grotten an derselben* Küste, die von andern Polypen aller Art wimmeln , grade unsre Gorgonie
sich nicht findet, davon weifs ich keine andre Erklärung, als dafs bisweilen auf
einem, ganz gleichförmigen Landstrich der überall dasselbe Erdreich, dieselbe Sonne hat,
Eine Pflanze bestimmt an ein kleines Plätzchen gebunden scheint. Ich lasse mich hier
also nicht auf Anführung weiterer Beyspiele, oder auf Auseinandersetzung von Ursachen
ein, die in den mannichfaltigsten Umständen bestehen können. Doch kann ich nicht
unterlassen zu bemerken , dafs alle diese Polypen ein reines Wasser lieben : dafs ein
schmutziges und trübes ihnen aber tödlich wird. Darum finden wir auch in vielen Grotten
an der Küste von Posilippo nur die, Madrepora calycularis uud einige kleine Sertularien
oder alcyonium kümmerlich vegetirend, denn das schmutzige Wasser. unseres Hafens wird
von den, aus der Levante beständig einlaufenden Fahrzeugen immer nach jener Küste
hingetrieben. Darum kann man keines dieser Geschöpfe in Gefäfsen und Gläsern länger
als einige Stunden beym Leben erhalten, denn des Wasser in denselben geht durch aen
Mangel an Bewegung und durch einen Schleim welchen die Polypen und alle Mollusken
beständig, von sich geben, sehr bald in Verderbnifs über , und wird so ein tödliches
Element. Hieraus erklärt sich auch der Irrthum einiger Naturforscher, denen zufolge die
Organe der Sertularien sich willkührlich ablösen, und die Madreporen ihre Skelette verlassen
und andre Wohnungen suchen sollen: so dafs also die Ersten nur Aggregate kleine!
Tkierchen, die Andern zufällige Bewohner dieser Skelette wären.
Maceration verschiedener Tangarten, einige Pinsel voll in das Wasser, worin die
Gorgonie sich befand, so dafs dasselbe ganz von solchen Thierchen bevölkert
ward; bemerkte aber durchaus keine Beschleunigung in den Bewegungen der polypenförmigen
Organe. Wahrscheinlich waren ihnen diese Geschöpfe zu klein, und
sie erwarteten gröfsere, wie der oben angeführte Versuch zu beweisen scheint;
obwol ich auf der andern Seite das Meerwasser immer für ihre hauptsächliche
Nahrung halte.
Man weifs von den Meerpflanzen, dafs sie, blos mit einer ausgebreiteten
Basis an den Klippen, und andern harten Körpern befestigt, ihre ganze Nahrung
nur mit der Oberfläche einsaugen, indem ihnen jene Basis blos zum Anhalt
dient. Weit mehr findet diese Beobachtung noch bey unsern Polypen statt, denn
als ich eine Gorgonie von dem Felsen abbrach, und sie darauf an derselben Stelle
wieder mit einem Faden anhieng, fand ich sie nach Verlauf einiger Tage, noch
eben so frisch und lebendig, als wenn gar nichts mit ihr vorgegangen wäre.
Dieser ganz einfache Versuch versicherte mich indessen schon zum voraus
von dem glücklichen Ausgange eines andern, weit interessanteren, über die
Reproduktionskraft der Gorgonie. Diese hängt, bekanntlich, durch eine Ausbreitung
des hornigen Skeletts, die mit dem thierischen Ueberzuge, und einer,
wenn gleich geringen Anzahl, von polypenförmigen Organen versehen ist, mit
dem Felsen zusammen. Die, dem obigen Versuche unterworfene Gorgonie aber,
hatte schon in jenen wenigen Tagen diesen thierischen Ueberzug auf der Basis
verlängert, um den untern Theil derselben zu bedecken. Ich legte mich also
nur besonders darauf, diesen Zoophyten im Meere selbst zu beschälen, und zu
verstümmeln.
Am 2iten May fuhr ich demnach .nach der bekannten Grotte, und entblöfste
unsre Gorgonie an verschiedenen Stellen des Stammes und der Zweige von dem
thierischen Ueberzuge, beschnitt auch mit einer starken Scheere einige von den.
Aesien, unten am Stamme, bis nahe an die Wurzel, indem ich an manchen nur
Eine dieser Operationen, an andern beyde vollzog, und darauf die verletzten
Stellen bezeichnete. Am $ten Junius sähe ich wieder danach, und um nicht
neuere Verletzungen mit den alten zu verwechseln, schnitt ich die bewufsten
Gorgonien mit der Scheere dicht an der Basis ab. Bey der Betrachtung einer derselben
ergab sich folgendes : Als sie mit dem Gefäfse aus dem Meere genommen
war, zeigten sich an den Stellen, wo sie unberührt geblieben war, alle lebendigen
und thätigen Erscheinungen der polypenförmigen Organe, wie bey ganz
unverletzten Gorgonien; ja einige jener Organe waren sogar im Akt des Gebälirens
begriffen, so dafs ich also, ihres vollkommenen Lebens versichert, zur Untersuchung
der operirten Theile gehen konnte. Am untersten Theile des Stammes
sah man einen isolirten, d. h. von dem obern, getrennten Theil A. *) des thieri-
«chen Ueberzugs, aus dessen Höckern, wie gewöhnlich, die Organe hervorkommen*
Tab. IV . Fig. 1.