D r i t t e A b h a n d l u n g .
U e b e r d ie S e r t t i l a r i e u n d . T u b u l a r i e .
Von der Sertularie. TV . . -U e y meiner Behandlung der Meerpolypen in den vorigen Capiteln, habe ich
immer Vergleichungen mit dem Sumpfpolypen des Trembley zu machen gesucht,
der in vielen Ländern vorkommt, und dessen Eigenschaften weit genauer bekannt
sind. Wenn ich aber jetzt von den Sertularien, einer Art Meerpolypen spreche,7
die Linne' mit diesem vom Imperato entlehnten Namen belegte, so kann ich
eigentlich keine Vergleichungen mit dem genannten Trembleyschen Polypen mehr
anstellen, sondern ich mufs eine gewisse Identität anerkennen, und behaupten:
D ie S e r tu la r ia is t der S um p fp o ly p , mit e in er h o rn ig e n Haut b e k le id
e t, und in s Meer v e rp fla n z t . Diese sogenannten Sertularien, die von
Herrn Ellis mit den Corallinen confundirt worden sind, haben nun in ihrer
Entwurzelung sowol als ihrer Verästelung so viel ähnliches von den Landpflanzen,
däfs man sich picht wundern kann, wenn ungefähr um die Hälfte des
l (jten Jahrhunderts mehrere Botaniker sie als solche in ihren Schriften aufführten.
So wie sich die Meerespflanzen mit ihren Wurzeln auf die Klippen anzukleben,
oder einzunisteln pflegen, so klammern sich auch die Sertularien mit ihren Wurzeln,
die nichts anders sind, als der gewundene und kriechende Stamm, in den
Unebenheiten und rauhen Stellen der Klippen, der Muschelschaalen , auf den'
Blättern des fucus und der alga vitraria1), auf dem Rücken der borstigen Krabben,
kurz an einem jeden Körper an, der sich im Meere günstig für ihr Fort-,
kommen zeigt.
Von diesem angewachsenen und kriechenden Stamme aus, den wir die Wurzel
nennen können, erheben sich nun an mehreren Orten andre, fast perpendikuläre
») Unter den verschiedenen Tangarten , deren Asche zum Glasmachen benutzt wird , scheint
hier vorzüglich fucus serratus und vesiculosus gemeint zu seyn. Vergl, Turner Synopa,
of the brittifh fuci. pag. 1 1 j . 133. Anm. d. Uebers, .
Stämme die dann wie die der Pflanzen auf verschiedene, Einer Species aber immer
oleichbleibende, Art, ihre Aeste ausschicken; bey einigen spriefsen alle Aeste an
beyden Seiten hervor, und bilden so die Gestalt einer Feder; andre spalten sich
beständig zweyfach ; und noch andre wiederholen diese Spaltung so oft, und
verdichten sich auf diese Weise so, dafs sie endlich ein höchst verwirrtes Gewebe
bilden. Aus diesen Aesten kommen nun, nach Verschiedenheit der Art, entweder
blos an der Spitze, oder an verschiedenen Stellen ihrer Länge, weiche von kleinen
Stielen gehaltene Organe hervor, die in Allem der Blüthe einer Landpflanze gleichen
: denn theils haben viele von ihnen einen äufsern Knopf, der den röhrenförmigen
-Kelch mancher Pflanzen darzustellen scheint , theils sollte man die
äufsre Krone von Fühlern oder weichen Cirrhen für Blumenblätter ansehen; und
endlich erhebt sich 1n der Mitte dieser Krone ein Körper, der, dem Pistill der
Pflanzen ähnlich, verschiedene Gestalten annimmt, je nachdem seine Funktionen
dieselben erfordern.
So wie wir oben die Sertularie, als den zerästelten, mit einem hornigen
Ueberzuge versehenen Sumpfpolypen angesehen haben, so müssen wir auch diese
den Pflanzenblüthen so ähnlichen Organe als den Polypen selbst betrachten, der
hier, seinen Kerker zerbrechend, an den Tag getreten ist. Ebenso tritt das Marie
in der Pflanze, durch die Rinde eingeschlossen, in die Höhe, bis es endlich, als
Blüthe, ans Licht kommt. Es scheint aber, dafs diese Organe dazu bestimmt
seyen, für die Nahrung des feststehenden, und an Einen Punkt gehefteten Thieres
zu sorgen, was mittelst der Fühlerkrone, von der sie umgeben werden, sehr wol
geschehen kann.
Jener Knopf, den ich mit dem Kelch der Blumen verglich, und den man
bey den meisten Sertularien an trifft, mufs, als eine Verlängerung der hornigen
Haut angesehen werden, die hier zarter wird, sich vom Körper des Polypen selbst
absondert, und.ein Behältnifs bildet, in welchem sich das polypenförmige Organ
verbergen kann. Er scheint sich aber durch denselben ^Mechanismus auszu—
breiten, durch den, bey den zusammengesetztem Thieren die Nägel und Hörner
wachsen. Das Or^an aber, welches in diesem Behältnisse eingeschlossen liegt,
pflegt seinen Stiel bald zu verkürzen, bald zu verlängern; in letztermFalle breiten
sich dann die Tentakeln um den Rand der Oeffnung her, aus, in Erstrem beugen
sie sich nach dem Stiele selbst zurück, und werden mit ihm zugleich nach unten
gezogen, wo der beschriebene Kelch sie einschliefst
Da aber diese Organe, so wie die Blätter der Pflanzen den ernährenden Saft
einsaugend, für den Unterhalt des ganzen Thieres sorgen müssen, so gehen sie
nicht allein auf den Fang kleiner. Bewohner des Meerwassers aus, sondern sie
bereiten auch aus diesen die Speise zu, die sie dem übrigen rhiere als Nahrung
zuführen. Jener Körper, den wir mit dem Pistille der Pflanzen verglichen haben,
und -der bisweilen über, öfter unterhalb der Tentakelnkrone gelegen ist, öffnet
sich am obern Ende in eine napfähnliche Mündung, die er, nach dem jedesmaligen
Bediirfnifs, bald verschliefst, bald aufthut. Am untern Theilfe ist er dicker,
denn hiev verschliefst er eine Hole, worin die verschlungenen Speisen verdaut