Bei (1er Lösung der Frage über die Bedeutung des Lichtes für die Ausbildung des Fruclit-
korpers fand Lentimis variabilis wieder Verwendung. Die Versuclie sind in einem vorausgeheiiden
Kapitel oingeliend besproclien worden. Zur Orientirmig wiederliole ich liier, dass der Pilz, im
Dunkel gehalten, den H u t nicht zur Ausbildung kommen lässt, sondern nur — wie in Figur 1 b
Tafel X dargestellt — lange, cylindrische Fruehtkörper bildet. Diese besitzen alle Charaktere
einer Clavaria; sie sind einfach oder verzweigt, mit stielrunden Zweigen. Das Hymenium bedeckt
die glatte Oberiiäelie des Fruchtkörpers ringsum, ü u te ii findet man Schröter’s Diagnose der
Gattung Ciavaria zum Vergleicli.') Es ist kein Wort darin, das nicht auf vorliegende Dnnkel-
form von Leiitinus variabilis passte. Sobald aher die jiuigen Fruehtkörper dem Einfluss des
Liclites ausgesetzt werden, kommt der H u t zum Vorschein. Das bemerkeiiswertlieste ist aber,
dass m der freien X atu r wirklich eine Clavaria vorkommt, die sozusagen eine flxirte Form der
eben erwälmten Dmikelfonn von Lentimis bildet. (Bei Lentimis variabilis haben wir also drei
verseluedene Anpassimgsanlagen beobachtet, nämlich eine Tomentella-, eine Clavaria- und eine
Agariciisaiilage.)
Es war mir während meines Aufenthalts in den Tropen reiche Gelegenheit geboten, Beob-
achtmigen über die Wirkung des Lichtes auf die Ausbildung der Fruchtkörper anzustelien; ieh
bin de.shalb im Laufe vorliegender Untcrsuclmugen wiederliolt auf diese Frage zurückgekoiiimen.
Ein ganz eigenthünilicher Fall ist im Text schon beschrieben. Bei gewissen Lichteffecten bringt
Calocera variabilis Anlagen zu Stande, die so wenig Aelmliclikeit mit der normalen Form besitzen
(vergl. Figur 7 Tafel V II), dass Brefeld und Tulasne solclie Modificationen irrtlmiiilicher
Weise als einer besonderer Gattung (Daeryomitra) angehörend aufgefasst haben.
Alle Imttragcndeu Pilze, deren Fnichtköriier iiocli im Wachsen sind, suchen durch Krüm-
nunigen ihren Stiel parallel zu den eiiifallenden Liditstralilen zu stellen. Auf diesem Verliaiten
lieruheu die sehr ahweichciiden Gestaltungen (vergl. Figur 1 3— 14 Tafel III), die wir bei Tremellodon
beobaditeten. Hier war der H u t des Pilzes nach der Einwirlauig des Liditc s seitlich
oder central gestielt.
Es ist demnach von yornherein jeder Zweifel darüber ausgeschlossen, dass die Frucht-
korpcr der Pilze iu ihrer Ausbildung nnd Richtung unter dem Einfluss des Lichtes stehen. Bei
der Besprechung von Ceriornj-ces bogoriensis sind einige weitere Beobaelituiigcii mitgellicilt worden,
welche die Bedeutung des Lichtes für die Entwickelung des Ilymeiiiums klar legen.')
1) Ich möchte hier in einer Anmerkung noch einen Fall erwähnen, zu dessen Beschreibung in der Abhandlung
keine Gelegenheit geboten war, der aber für die Bourtheilung der Lichtwirknng von durchgreifender Bedeutung
ist.
D ie Versuche ste llte ich mit einem Polyporus au, dessen halbkreisförmige Fruehtkörper sich sehr häufig
in der Umgebung von Buitenzorg fanden; vorzugsweise benutzte ich Zweige, die reich mit Fruchtkörpern bewachsen
waren.
Die natürliche horizontale Lage änderte ich zunächst in eine verticalc. Schon nacli einigen Tagen bog sich
der Rand des Fruchtlcörpers rechtwinklig ab. Das umgebogene Stück wuchs immer in seiner Richtung weiter, bildete
aber im Uebrigen ganz normal an der unteren Seite das llyinenium aus. Nach einiger Zeit erschienen auf dein
alten Hymenium neue Fruehtkörper, die mit dem alten gleichfalls einen rechten Winkel bildeten. (Von diesem Fall
ist in Figur 4 a Tafel X II eine Abbildung gegeben.)
Ein ganz einfaches, aber sehr instructives Experiment bestand darin, dass ich die Fruehtkörper in der freien
Natur umdrehte, so dass die morphologische Oberseite nach unten zu hegen kam. Der Raiul krümmte sich dann
in einem Tage nacli oben und setzte sein Waclisthum fort. Da aber dio Krümmung nicht überall gleich starlc war
und auch nicht g leichzeitig eintrat, so bekam der Rand ein buchtiges oder wellenförmiges Aussehen. Eine jede
Ausbuchtung entwickelte sich nun zu einem selbständigen Fruchtkörper. Aber auch sonst entstanden auf dem Hymenium
neue Aulagen, so dass der Pilz nach 8 Wochen vollständig mit kleinen Polyporusfruchtkörpern bewachsen war,
wie Figur 4 c Tafel X II sehr deutlich zeigt.
Dass die Richtung der Fruchtkörperbüclung vom Lichto bestimmt wurde, ist Idar. Dies geht auch aus folgendem
Versuche hervor. Einige mit Fruchtkürpern bewaclisene Zweige wurden in Krystallisirschalon gelegt; eine
schwache Benetzung des Deckels mit dem Pulverisator g enügte, um die Pilze am Loben zu halten. Die Fruclit-
Icörper wurden während der ganzen Versuchszeit einseitig beleuchtet, und zwar so, dass das Licht, da die Seiten
und der Deckel der Schale geschwärzt waren, nur vom Boden her eiafallcn konnte. E s genügt mitzutlieilcn, dass
der Rand der Fruehtkörper sich vom Lichte abwandte und sicli nacli oben krümmte, und dass das Hymenium sich
bei diesen Versuclisobjecten an der morphologischen Oberseite ausbildote, wälirend auf der Lichtseite keine neuen
Hyineniuinbildungen beobachtet wurden. Die Versuche dauerten 3 Monate lang. Eine von den erzielten Formen ist
in Figur 4 b Tafel X II abgebiklet.
1) P n id iftö rp e r fleiscliig oder später zäh, cylindrisch, ta le n fo rm ig , einfach oder mehr oder weniger reichlicli
horallonfermig verzweigt. Aeste stiehaind oder zusaininongedräolit, Ilymoniiim gla tt, den Frnohtkerper rings umkleidend.
Basidien d ielitslehend, mit zw e i oder vier Sterigmen. Sporen mit farbloser oder geibbrannor glatter
Membran (Schröter, P ilz p. 438).
2) Eine andere, ganz ähnliche, olavarienartige Dimkelform von einem Plenrotus findet man in Fig. 2 a— b Tafel X
(vorgi. dazu Fig. t a — h Tafel X). Leider wurde das Licht am Schluss der Vorsuolie nicht vollständig ansgesoliiosscn
so dass dio Ausbildung dos Hntes bereits eingesetzt hatte. An den oberen Enden der grösseren Fruehtkörper .sassen
v iele Basidiensporen. (Zum Vergleiche habe ich Tafel X I Figur 3 eine iu Buitenzorg häufig vorkommendo Clavaria
gezeichnet.)