
Der Weizen.
oft als eine Vermessenheit erschienen^ auch n u r den Versuch zu wagen,
einen oder den anderen Lichtblick au f diesen rückwärts gerichteten
Pfaden zu gewinnen.
Der Ursprung u n se re r Brotgetreide is t ein P roblem, welchem auf
directem Wege weder m it Hülfe naturwissenschaftlicher noch historischer
Methoden heizukommen ist. Man wird ihm kaum irgendwie anders
n äh e r tre te n können als so , dass man sich a u f Grund des Materials
gewisse generelle Vorstellungen ü b e r ihn bilde t und diese dann mit allen
zu Gebote stehenden Mitteln p rü ft, um eventuell ih re Unmöglichkeit zu
erweisen. Gerade um eine solche K ritik von verschiedener dazu berufener
Seite, vom Gesichtspunkte des Geologen, Zoologen, Philologen,
Historikers aus hervorzurufen, um die Discussion bezüglich d ie se r, in
u n se re r Zeit so ziemlich zu wenig versprechender Ruhe gekommenen
F rag e in Fluss zu bringen, habe ich trotz alledem u n d vielem anderen,
was mich bedenklich zu machen geeignet war, doch geglaubt, mit dem
Bild n ich t länger zurückhalten zu sollen, welches ich mir von diesem
fundamentalen Process der gesammten C u ltu rg e sch ich te , von diesem
descendenz-theoretischen Experiment im grossen S til, zu dem leider
die Beobachtungsjournale so g u t wie verloren sind, gemacht habe.
Ob dieses Bild rich tig oder n ic h t, mag d ah in g este llt bleiben, ob
es möglich oder n ic h t, w ird , wie ich wohl hoffen d a rf, d u rch die sich
d a ran knüpfende K ritik zu Tage g eb rach t werden.
Von den vier Sectionen des Genus Triticum, Agropyrum, Aegilops,
E u tritic um und Secale kommt für uns n u r E u tritic um in Betracht. Die
d ah in gehörigen Formen stehen einander verhältnissmässig nahe und
werden sammt und sonders se it a lte r Zeit cu ltiv irt. Wenn n ich t T riticum
monococcum neuerdings zweifellos in spontanem Zustand nachgewiesen
w ä re , so würden wir die ganze Gruppe ü b e rh au p t n u r als
Culturpflanzen kennen. U n te r solchen Umständen ist es kein Wunder,
dass in Bezug a u f die Zusammenfassung d er unzähligen Formen, wie sie
in allen C u ltu rlän d e rn existiren, zu Speciesgruppen, die verschiedensten
Anschauungen geäussert worden sind, dass manche Autoren, zumal die
älteren , sieben verschiedene Species u n te rsc h ied e n , während andere sie
sammt und sonders zu einer A rt zusammenzogen. Gründe für das
eine u n d das andere Vorgehen pflegten n ich t gegeben zu werden, d er
den betreffenden Autoren sonst so stabile Artbegriff kam h ie r ins
Schwanken, was sich zumal häufig bei den F lo risten äussert, die in der
Regel 5—6 Species haben, aber doch die Zweifel an deren S elbstständigk
e it n ich t zu u n te rd rü ck en vermögen. E r s t in neuester Zeit haben zielbewusste
Untersuchungen ü b e r die gegenseitige sexuelle Affinität der
verschiedenen Formengruppen ganz besonders die B e y e r i n c k ’s ^ ®
den bezüglichen Meinungsäusserungen den bisherigen absolut subjectiven
C h a rak te r ab g e streift; es haben sich d ad u rch Gruppen ergeben, deren
specifische Zusammengehörigkeit sich, soweit dies ü b erh au p t th unlich, in
ratio n e lle r Weise stützen lässt. Freilich sind diese Untersuchungen
bei Weitem noch nicht zahlreich genug und wäre conséquente F o rtsetzung
derselben dringend zu wünschen. Eine vortreffliche Darstellung
der systematischen Gliederung u n se re r E u triticumgruppe findet man
bei K ö r n i c k e d e m besten Kenner der Gotreideformen, der, nachdem
er die Gliederungsversuche frü h e re r Autoren kurz besprochen, selbst
n u r die folgenden Arten u n te rsch e id e t; I. Triticum vulgare, II. Triticum
polonicum, III. Tifiticum monococcum. Aber sein Triticum vulgare zerlegt
er in sechs verschiedene U n te ra rten , von denen zwei, Triticum spelta und
dicoccum sich d u rch g la tt brechende Spindel und fest eingeschlossene
F rü ch te auszeichnen, während die an d e re n , v u lga re , compactum, tu r-
gidum und durum mit zäher Spindel und ausfallenden F rü ch ten versehen
sind. Auf die Speciesberechtigung des Triticum polonicum legt
er selbst wenig We rth . Im Princip stimme ich mit dem Autor vollkommen
ü b e re in , muss indessen glau b en , dass die sechs Gruppen
des Triticum vulgai-e in k einer Weise ein an d er gleichwerthig sind, und
füglich in Species untergeordneten Ranges auseinandergelegt werden
sollten, etwa in der Ar t , wie B e y e r i n c k dies versucht h a t. Allerdings
möchte ich dabei die Differenzen zwischen Triticum dicoccum
und monococcum schärfer betonen, als dieser Autor zu th u n geneigt
ist, denn die C h a rak te re , die Triticum durum u n d Triticum tu r -
gidum vom gewöhnlichen Weizen so n d e rn , haben docli offenbar bei
Weitem n ich t die Bedeutung d e re r, die für Triticum spe lta und d icoccum
maassgebend sind. Immerhin h a t K ö r n i c k e ganz gewiss recht
mit dem, was er au f S. 38 seines Werkes über a ll’ die Unterscheidungsmerkmale
besagter Formen hervorhebt. Extreme wohlausgebildete Ragen,
wie sie in unseren botanischen Gärten in d er Regel cu ltiv irt werden,
sind auf den ersten Blick zu e rk en n en , es giebt ab e r ab e rran te
Formenkreise, bei deren Bestimmung man im Zweifel ble ibt und d e rartige
Fälle liegen n ich t n u r zwischen Triticum dicoccum und spelta,
also zwischen A rten mit gleichmässig brüchiger Rispenspindel, sondern
vor Allem auch zwischen Triticum dicoccum und vulgare, ja sogar
zwischen spe lta und vulgare vor. Man überzeugt sich am Bosten von
dieser Thatsache, wenn man die von S c h i m p e r aus Abessinien heimgebrachten
Getreidesorten u n se re r Herbarien, die leider in Folge nicht
genügender Be achtung aus den Gärten wieder verschwunden sind, studirt.
Zumal u n te r den Sorten des Zwergweizens, des Triticum compactum
Ho s t , haben wir es mit solchen Foiunen zu th u n , bei deren Bestimmung,
zumal wenn es sich um Herbarexemplare h a n d e lt, die ein Zerbrechen
der Aehren und Ausreiben d er Körner in ausgedehnterem Maasse n ich t
g e s ta tte n , man le icht zwischen Triticum vulgare und dicoccum in
Zweifel bleibt. Wie alle Weizensorten mit Ausnahme des vulgare, tu r