
II. Die Gartentulpen.
Ueber die Einführungszeit der G artentulpen in die Gärten Europas,
sind w ir. Dank dena Aufsehen, welche diese gleich von Vornherein
machten, ziemlich genau u n te rrich tet. A l s A u g e r i u s G h i s l e n i u s B u s -
b e q u i u s , Gesandter Kaiser I e r d i i i a n d s I. beim Sultan, im J a h re 1554
nacli Constantinopel reiste, sah er in einem G arten zwischen Hadrianopel
und Constantinopel zum ersten Mal diese Blume. Die denkwürdige Stelle
seiner Reisebriefe,* die d a rü b e r berichtet, la u te t wie folgt: Unum diem
Hadrianopoli commorati progredimur Constantinopolim versus, jam propiii-
quam, veluti extremum nostri itiiieris actum confecturi, per haec loca tra n s -
euntibus ingens ubique florum copia offerebatur Narcissorum, Hyacin-
thorum et eorum, quos Turcae tulipam vocant; non sine magna admiratione
nostra p ro p te r anni tempus, media plane hyeme, floribus minime amicam.
Narcissis et Hyacinthis ab u n d a n t Graecia mire frag ran tib u s odore. Sic u t
cum multi su n t odorum huius modi insuetis, caput offendaiit. T u lip an ti
a u t nullus a u t exiguus est o d o r; a coloris varietate et p u lch ritu d in e
commendatur. Turcae flores valde ex co lu n t, neque d u b ita n t alioqui
minime prodigi, in eximio flore aliquot asperorum sumtum facere.“
Es wird au f diesen Bericht noch vielfach zurückzukommen sein,
h ie r möchte ich n u r hinzufügen, dass die B eh au p tu n g , die Türken
nennten unsere Pflanze Tulipán, durchaus n u r au f einem Missverständniss
beruhen k a n n , wennschon sie d urch die ganze spätere L itte ra tu r h iu -
durchgeht. Man vergleiche h ie rfü r die sorgfältige Auseinandersetzung
von Di e z ,* welcher s a g t, dass der einzige tü rk isch e Name der Tulpe
„ la le “ sei. „D u lb en d “ , ein persisches Wort, heisse Nesseltuch, wie die
Türken solches um den Fez wickeln. Daraus haben die E u ro p ä e r
dann Turban gemacht. Von demselben Wort stammt freilich auch unser
„T u lp e “ a b , und wird d er Dolmetscher des B u s b e q u i u s diesem die
Blume so bezeichnet haben, au f die d er Name besagter Kopfbedeckung
wegen ih re r Aehnlichkeit mit dem Kelche je n e r Blüthen von E uropä ern,
nicht von Türken, üb ertrag en worden war.
Es ist allerdings n ich t unmöglich, dass schon etwas frü h e r in
Venedig eine oder die ande re Tulpe geblüht haben möge. Wie mir
nämlich Prof. C o h n mittheilte, befindet sich im Wiener Hofmuseum ein
grosses Bild von V i t t o r e Ca r p a c c i o (Schüler Giov. B e l l i n i s f 1522),
Christus von Engeln umgeben darste llend, an dessen Sockel eine Menge
s tilisirte r Blumen d a rg e ste llt s in d , u n te r denen Coh n Leucojum, N a rcissus
Pseudoiiarcissus und geibrothe Tulpen zu erkennen glaubt. Ich
selbst habe das Bild d araufhin e rst diesen H erb st besichtigen können.
Die Blumen sin d ab e r so u n sc h a rf gezeichnet, dass mir deren Bestimmung
unmöglich erscheint.
li
Wenige J a h re n achher 1559 h a t C. Ge s n e r * die erste für das ausser-
tü rk isch e E u ro p a nachgewiesene Gartentulpe zu Augsburg gesehen und
1561 S. 213 mit folgenden Worten beschrieben: Hoc anno a n ativ ita te
Domini MDLIX initio Aprilis, Augustae in horto Magnifici viri Johannis
Heinrichi Herwarti vidi herham hic ex h ib itam , ortam a semine quod
Byzantio (vel u t a lii, e Cappadocia) allatum erat. F lo reb a t flore uno
pulcherrime ruhente, magno, in sta r L ilii ru b r i, octonis condito folns ;
quorum q u a tu o r foris su n t et totidem iu tu s , odore suavissimo lern et
su b tili, qui brevi evanescit.“ ................. Wie L ev i e r® mit Recht au sfü
h rt, ist diese Tulpe nach der beigegebenen Abbildung, dem Geruch
und der frühen Blüthezeit eine der F rü h tu lp en gewesen, die man h e u tzutage
n ich t als T u lip a Gesneriana, vielmehr als T ulipa suaveolens bezeichnet.
Und 1565 schre ibt K o n r a d Ge sne r® an den Augsburger
\ r z t Ad o l p h Oc co: „T u lip am illam a u t forte Satyrion verum quam
iu horto D. Herwarti olim vidi non putabam in F uggerorum quoque
h o rtis inveniri. Gratissima erit, undecunque mihi nactus fueris sub ver
proximum, si vixerimus.“ Es liegt nahe, anzunehmen, dass diese Augsb
u rg e r Tulpen aus Samen erwuchsen, die von B u s b e q u i u s , dem unsere
G ärten so viele Bereicherungen v erd an k en , heimgebracht oder gesandt
worden waren. Dem steh t n u r die Kürze d er Zeit zwischen 1554 und
1559 und die ausdrückliche Angabe G e s n e r ’s entgegen, dass die Blume
aus Samen erwachsen sei. Immerhin is t die Sache möglich, es kann
sehr wohl eine oder die andere Zwiebel in vier oder fünf J a h re n geb
lü h t haben, kommt dies doch nach d ’A r d e ne* gelegentlich schon im
d ritte n J a h re nach der Aussaat vor. So könnte also seh r wohl der
von B u s h e c q erh a lten e Same in H erwarths und in den Gärten der
F ugger gewachsen se in , ah e r zur Zeit von G e s n e r ’s Besuch n u r bei
dem e rste ren eine vorzeitige Blüthe entwickelt haben.
Bei Cl u s i u s * is t von den Augsburger Tulpen n ich t die Rede und
es zeigt sich , wenn man alle seine au f diese Blume bezüglichen Zeitangaben
vergleicht, dass keine derselben weiter als 1573 zuruckreicht.
In diesem J a h r aber kam C l u s i u s nach Wien und tr a f d o rt mit B u s -
b e q u i US zusammen, d er seinerseits schon 1574 nach Rouen verzog,
wo er 1592 verstarb. Da es nun hei Cl u s i u s * S. 142 h e isst: „Magnum
seminis illa rum cumulum acceperat illu stris vir Augerius de Busbeque
cum plerisque hulbaceis stirpibus eo anno quo Viennam veni, haec, cum
sequenti anno in Galliam proficisceretur, mihi re liq u it: ea vero demum
annis septuagesimo quinto et sequente su p ra millesimum et quingente-
simum confertim (quod vetusta essent et vieta vixque n asc itu ra existi-
marem) te rra e m a n d a v i“ , so wird man wohl annehmen d ü rfe n , dass
diese Samen die ersten Tulpen ergaben, die C l u s i u s besessen. Anderenfalls
würde er wohl seine frü h e re Bekanntschaft mit denselben der E r wähnung
w e rth gehalten haben. Dazu stimmt auch der Eifer, m it dem