
Falls h ie r, wie es bei den älteren Autoren, in Anlehnung an
Cl u s i u s E in th e ilu n g alle r Tulpen in praecoces, mediae, serotiuae wahrscheinlich,
media auf die Blüthezeit bezogen werden muss, daun kann
n u r Oculus solis oder maleolens und n ich t die ganz früh blühende
Tulipa praecox gemeint sein. Und diese Deutung wird noch dadurch
b e s tä tig t, dass eine Tulipa pyrisina seu bombycina major praecox fl.
phoeniceo v o rh e rg eh t, die ich, wenn d er Basalfleck erwähnt wäre, u n bedingt
au f T ulipa praecox deuten würde.
Als Ackerpflanze ist unsere Art freilich erst in diesem J a h rh u n d e rt
bekannt geworden. Sie wurde von St. A m a n s bei Agen in S üdfrankreich
gefunden und im Recueil de la Soc. agricole d’Agen t. I . , dann
in der Flore Agenaise 1821 beschrieben und abgebildet. Möglich fre ilich,
dass sie schon ein J a h rh u n d e rt frü h e r in Südfrankreich vorkam;
es ist wenigstens bereits 1715 von Ga r i d e l * für die Gegend von Aix
en Provence einer rothen Tulpe Erwähnung gethan, die in Aeckern am
Wege an zwei Stellen wuchs, von d e r es ab e r heisst S. 4 7 5 : „je n ’ose
p o u rtan t pas assu re r q u ’elle y vienne n a tu re llem en t.“ J e tz t kommt sie
in Südfrankreich an vielen Orten vor. F ü r Ita lien wurde sie m e rk würdiger
Weise e rst 1822 durch R e b o u l * beschrieben, sie war damals
schon „ in agro Florentmo frequens“ , während sie doch in dem Catalog
d er Toscanischen F lo ra von Mi c h e l i vollständig fehlt. Durch B e r -
t o l o n i * wurde sie 1839 auch fü r Bologna c o n s ta tirt, und ganz n eu e rdings
ist sie d o rt von Ma t t e i * an verschiedenen bisher unbekannten
Standorten gefunden worden.
Es konnte ja , da sie in Syrien vorkommt, an ih re r orientalischen
Abkunft kein Zweifel bestehen, immerhin blieb ih re Abstammung u n k
la r , weil man sie überall n u r au f Culturböden kennen g elern t hatte.
E rs t ganz neuerdings h a t nun die F irm a D a m m a n n & Co. zu San Te-
duccio bei Neapel eine Tulpe eingeführt, die bei Amasia im Pontus au f
natürlichem F undort wuchs und als Tulipa Dammanniaua im Handel
v erbreite t wurde. Der Name ist u n g lü ck lich , da Re g e l seiner Zeit
eine ganz andere turkestanische Art als T ulipa Dammanni beschrieben
h a tte . Diese Tulipa Dammanniaiia, im. S tra ssb u rg er Garten cultivirt,
ist etwas unscheinbarer als Tulipa oculus solis, gleicht ih r indessen in
allen wesentlichen Charakteren so vollkommen, dass ich mit Ma t t e i
kaum zweifle, sie möge die ursp rü n g lich e Stammform u n se re r durch
die Cultur verbreiteten Pflanze se in , zumal ein von B e c c a r i aus F lo ren
tin e r Samen erzogenes E xemplar der Oculus solis, welches ich 1895,
z u r Zeit seines erstmaligen Blühens bei L e v i e r gesehen, ganz wesentlich
m it ih r übereinkam.
^ Die häufigste a lle r ro th b lü h en d en F e ld tu lp en Ita lien s ist heute
Tulipa praecox Ten. Sie is t wiederum sowohl im Osten als in Westeuropa
n u r als Ackerpflanze b ek an n t; eine, ursprünglichen F u n d o rt
bewohnende Form, von der sie ahstammen k ö n n te , vermuthet zwar
F i o r i * in T u lip a m oiitana , womit sich indessen L e v i e r * n ich t einverstanden
e rk lä rt. Sichergestellte F u n d o rte des orientalischen Verbreitungsbezirks
sind nach L e v i e r folgende: ,,Syrien, Chios (Levier®) ,
Amasia in Anatolien (Levi er*) . In Italien is t die Pflanze e rst seit
1811 bekannt, wo sie zuerst von T e n o r e Fl. Neap. aus dem Neapolitanischen
(C a p ri, La Martina in Apulien) beschrieben wurde. Eine
wenig abweichende F o rm , Tulipa apula Guss, wurde dann in Apulien
gefunden (Levier®) . R e b o u l * entdeckte sie 1822 um Careggi bei
Florenz und beschrieb sie als Tulipa Raddii, später fand er sie in der
dortigen Gegend an vielen Orten. F ü r Bologna ist sie seit 1839 durch
B e r t o l o n i * b e k a n n t, wo sie gleichfalls h eute gemein ist. Sie findet
sich fe rn er an der Riviera und in d e r Provence und is t neuerdings nach
L e vier® bei Buccari in Dalmatien nachgewiesen worden.
Unzweifelhaft h ie rh e r gehörige Beschreibungen aus der alten L itte r
a tu r habe ich n ich t auffinden können. Nichtsdestoweniger zweifle ich
schon nach Ausweis ihres Verbreitungsbezirks durchaus nicht, dass ihre
Einwanderung bei uns denselben Weg wie die der Tulipa oculus solis
d urch die Gärten d er Liebhaber gegangen sein wird. Möglicher Weise
mag sie in den oben für T ulipa oculis solis citirten Stellen bei P a r k
i n s o n * mit einbegriffen sein, so dass dieser die einander ähnlichen
eriobulben Formen zusammen begriff, wofür die Abbildung, wie gesagt,
sprechen würde. Bei F e r r a r i * werden S. 148 zwei eriobulbe Tulpen
u n te rsch ied en , deren erste von Re bo u l® auf praecox, die zweite auf
seine maleolens bezogen wird. Letztere Deutung ist j a wohl möglich,
wennschon schliesslich auch Oculus solis zu Grunde gelegen haben
könnte. Aber die d er^ e rste ren h a lte ich n ich t fü r zulässig, da fü r sie
kein Basalfleck der Perigonglieder angegeben wird. Im Uebrigen ist
die Stelle sprachlich so schwierig und dunkel, dass man sie am Besten
ausser B e tra ch t lässt.
Wenn Levi er® S. 249 sag t: ,,E regiio Neapolitano orientali u t
videtur initio seculi XIX Neapolim a lla ta et dein p e r Ita liam mediam
etc. magna manu subspontaiiea facta“ , so scheint das lediglich au f der
Zeitfolge der Entdeckung an den verschiedenen Orten zu fussen. Und
da dürften allerdings die Zweifel, die F i o r i * an der Beweiskräftigkeit
dieser Begründung hegt, n ich t zu unte rschätz en sein. Wo sie in Italien
zuerst a u ftra t, wird man am Besten dahingestellt sein la ssen ; dass sie
u rsp rü n g lich aus dem Orient gekommen, d arü b er kann indess kein
Zweifel obwalten.
Die Neutulpen, mit deren Vorkommen wir uns je tz t beschäftigen
müssen, sind sehr merkwürdige E rs c h e in u n g e n in d er europäischen
Flora. Sie lassen sich der Regel nach mit orientalischen Arten d u rch aus
n ich t identificiren und erscheinen plötzlich, zum Theil an den be-
So lms , Weizen und Tulpe. 4