
das E in tre ten einer bestimmten, meist zwischen 12 und 21 gelegenen
Minimaltempe ra tur bedingt. Wird dieses Minimum in den F rü h stu n d en
n ich t e rre ic h t, so verzögert sich das Aufblühen u n se re r Wiesengräser
um ein p a a r Stunden, ist sie auch dann noch n ich t eingetreten, so wird
es au f den nächsten frühen Morgen verschoben. Regnet es, so benützt
das Gras, die nöthige Tempe ra tur vorausgesetzt, die erste sich bietende
Pause. Die Eröffnung geschieht ausserordentlich ra s c h ; während die
Deckspelze zu rü ck k lap p t, tre ten die Antheren durch Dehnung ih re r
aufgerichteten Filamente s ta rk in die Höhe; an ih re r Spitze beginnt die
Bildung d er Eröffnungsspalte, aus der je tz t bereits geringe P o llen q u an titä
te n ausfallen. Dieser t r i t t in Wolken h e rv o r, während dann die
F ilam ente erschlaffend umfallen. Da nun die Aehrchen dieser Gräser
in d er Inflorescenz ü b ereinander stehen, in jedem derselben sich dabei
täglich n u r eine Blüthe zu öffnen pflegt, so findet in der Regel Bestäubung
d e r tiefer stehenden Blüthchen d urch höher stehende s ta tt, wennschon
Selbstbestäubung n ich t gerade ausgeschlossen erscheint. Bei Gräsern
mit ausg eb reite ter Rispe wird die Sache complicirter, kommt ab e r doch
wesentlich a u f dasselbe hinaus. In Bezug a u f diesen P u n k t stimmt
G o d r o n also wesentlich mit den ihm freilich unbekannten Autoren
D e l p i n o * und H i l d e b r a n d * überein. Obschon diese Frage fü r unsere
Zwecke keine besondere Bedeutung h a t, mag hinzugefügt werden, dass
R i mp a u * 1877 zeigte, dass die Gräser sich verschieden verhalten, dass
beim Roggen n u r Fremdbestäubung wirksam ist, beim Weizen die Selbstbestäubung
in den Vord e rg ru n d tr itt, wennschon die an d e re auch vorkommt,
dass ferner L i e b e n b e r g * diese von R i m p a u erhaltenen Resu
lta te bestätigen konnte.
Nun giebt es ab e r bekanntlich mancherlei Ausnahmefälle; die bekanntesten
sind d er von Zea Mais u n d die Cleistogamie d er Oryza
clandestina. Aehnliche Cleistogamie h a t Go d r o n fü r die Gattung Stipa
festgestellt, während doch die nächst verwandte Aristella die Spelzen
öffnet und die Stamina au stre ten lässt. Freilich scheint es auch in n e rhalb
der Gattung S tipa Differenzen zu geben, wie denn nach T r a b u t
S tipa g igantea cleistogam is t, bei der verwandten Stipa Letourneuxii
T r a b u t * S. 4 0 4—407 aber die Antheren h erv o rtre ten .
Eigenthümliche Combinationen d e r gewöhnlichen B e stäu b u n g sa rt
und d e r Cleistogamie finden sich nun heim Weizen und d er Gerste vor.
Nach G o d r o n b lü h t d er Weizen frü h Morgens zwischen 4 und 6 U h r, eine
Angabe, welche R i mp a u im Allgemeinen b e stätig t, wenngleich er h in zufügt,
dass viele Ausnahmen verkommen und dass man öfters noch zu
viel späteren Tageszeiten geöffnete Blüthen vorfindet. Nach Kö r n i c k e *
sind freilich diese Ausnahmen so z ah lre ich , dass dieser Autor direc t
sagt S. 3 3 : „D e r Weizen öffnet mit Ausnahme von T riticum monococcum
seine Blüthen während des ganzen Tages.“ Die Angabe, dass
er n u r ' i n den frühen Morgenstunden, zwischen 4*/2 6*/2 U h r seine
Blüthen öff'ne, sp ä te r n ich t mehr, oder n u r als ganz seltene Ausnahme,
g ilt fü r Bonn ganz entschieden n ic h t“ . Die Minimaltemperatur bei der
die Eröffnung erfolgt, ist nach Go d r o n 16®, nach R i mp a u 2 liegt sie
etwas t i e f e r ^Kö r n i c k e * will ü b e rh au p t eine so einfache Beziehung
zwischen T em p e ra tu r und Blüthenöffnung n ich t anerkennen. T ritt diese
Minimaltemperatur frü h Morgens n ich t ein, wird sie aber sp ä ter erreicht,
so wird die Eröffnung nach Go d r o n au f spätere Morgenstunden verschoben.
Wenn ab e r die Tempe ra tur den Tag ü ber niedrig bleibt,
12 oder 13® n ich t ü b e rsch re ite t, d ann wird das Blühen nicht wie bei
den meisten wilden Gräsern bis zum nächsten Morgen verschoben; es
t r itt dann vielmehr cleistogame Befruchtung ein. Die Spelzen bleiben
ü b e rh au p t geschlossen u n d man findet sp ä te rh in , noch bis zur F ru c h treifezeit,
die abgetrockneten Antheren in Form einer kleinen, den F ru c h tscheitel
bedeckenden Kappe. Bei d er Gerste liegt das Minimum fürs
Aufblühen noch höher, bei 18—20®, in Folge dessen ist die Cleistogamie
viel allgemeiner vorhanden. J a bei Hordeum zeocrithon L. soll sie allein
e rü b rig e n , da eine Eröffnung der Spelzen ü b e rh au p t n ich t beobachtet
wurde. Alle diese Angaben h a t R im p a u im Wesentlichen b estätig t
gefunden. Aber nach K ö r n i c k e ’s D arste llu n g d er einschlägigen Verhältnisse
scheinen diese, zumal bei d er Gerste, viel complicirter zu liegen,
als man nach G o d r o n ’s Mittheilungen erwarten sollte. Besonders
wichtig wären erneute Versuche mit d er schwarzen Wintergerste von
Tiflis, die man nach K ö r n i c k e S. 139 willkürlich offen- oder ge-
schlossenblüthig machen kann. E r sag t diesbezüglich: ,,Im Herbst ge-
säet öffnen sich alle R e ih en , im März gesäet b lü h t sie cleistogamisch.
Die Staubbeutel öffnen sich n äm lich , während ih re Blüthen noch in
den Scheiden stecken“ . K ö r n i c k e nimmt offenbar eine d er Gerste
innewohnende Neigung zum Cleistogamwerden a n , wenn er weiterhin
sag t: „H ie r konnte also das doppelte cleistogame Blühen n ich t auf
Rechnung der niederen T em p e ra tu r gesetzt werden.“
Der Schluss G o d r o n ’s aus dem Verhalten des Weizens und der
Gerste, der oben erwähnt wurde, lä sst sich nach alledem etwa folgender-
maassen formuliren. Der normale Zustand im heimischen Klima war
das Blühen m it geöffneten Spelzen, die Cleistogamie is t ein Nothbehelf,
d u rch welchen die Pflanzen befähigt wurden, auch u n te r minder günstigen
klimatischen Verhältnissen dennoch zu existiren u n d die F rü c h te zur
Reife zu bringen. Das normale V erhalten erforderte schönes Wetter
u n d hohe T em p e ra tu r in der Blütheperiode, wie es bei uns n u r gelegentlich,
in Gegenden mit kurz dauernden F rühlingsregen regelmässig ein-
tr itt. In Folge dessen is t das V ate rlan d beider Getreidearten m einer
klimatischen Region le tz te re r A rt zu suchen. Und in Mesopotamien
und Egypten treffen diese Voraussetzungen in exquisitem Maasse zu.
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