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Im eigentlichen Bayern fehlt sie nach S e n d t n e r (1854) noch heute
gänzlich; für F ran k en , wo sie heute wachsen wird, h a t V o l k am e r u s
1700 n u r die Angabe ,,Tulipa boloniensis lu te a ; in h o rtis “ . Bei F ra n k fu
rt a. M. wuchs sie Ende des vorigen Ja h rh u n d e rts in Grasgärten.
R e i c h a r d J. J. 1772— 1778, desgleichen bei Giessen 1802 (nach G ärtner
Me y e r und S c h e r bi us) , ah e r n u r am Wall zwischen W a llth o r und
Neustädte r T h o r, was die unm ittelb are Nachbarschaft des botanischen
Gartens bedeutet. D i l l e u i u s 1717 dagegen weiss von ih r noch nichts.
Bei Halle und Leipzig kennen die älteren Autoren sie n u r als
Gartenpflanze, K n a u t h h a t sie 1681 g a r nicht, B u x b a u m 1721 und
B ö hm e r G. R. 1750 ebensowenig, bei B a u m g a r t e n dagegen 1790
heisst es S. 19 ,,In I ta lia , G allia, S ib iria , et nonnullis Germaniae re-
gionibus sponte crescit, apud nos in hortis in te r sequentem occurrit et
ob gratum odorem ab h o rtu lan is maxime co litu r.“ Bei J e n a , wo sie
von B o g e n h a r d 1850 ohne Weiteres als wilde Pflanze aufgez ählt wird,
war sie bis zur Mitte des vorigen J a h rh u n d e rts noch n ich t vorhanden,
wie aus R u p p i u s hervorgeht. In dessen beiden ersten Editionen fehlt
sie ganz, in der von A l b r e c h t v. H a l l e r besorgten d ritte n von
1745 heisst es bloss: „ in h o rtis freq u en s, cum aliis variis et fere infi-
nitis Tuliparum praecocium p a rite r atque se rotinarum speciebus“ . Auch
G r a u m ü l l e r 1803 h a t sie noch nicht. Bei Göttingen k an n te sie
Zi n n 1757 n u r „ in pomario Catlenburgensis praefecturae quasi spontan
e a “ . As c h e r s o n 1864 s a g t: ,,In unserem Gebiet n ic h t einheimisch,
wie schon in den Oderwäldern Schlesiens und im Königreich Sachsen,
sondern n u r in Folge frü h e re r C u ltu r v erw ild e rt.“ Aber M a t t u s c h k a
1777 k en n t sie in Schlesien g a r n ic h t, bezeichnet als „w ild e T u lp e “
vielmehr die Anemone vernalis. Noch 1857 h a t Wim m e r als F u n d o rt
n u r „G ra sg ä rten “ . Was Oesterreich angeht, so h a t sie J a c q u i n 1762
noch n ich t und Ho s t weiss 1797 als S tandorte n u r den Monte Maggiore
bei Fiume und die Gartenanlagen d er Umgegend von Wien zu nennen.
E in p a a r weitere F u n d o rte h a t N e i l r e i c h 1866, der indess bereits an
der Sp o n tan e itä t der Tulpen in den Wiener Park an lag en zweifelt.
Nach H a l l e r ’s oben c itirte r Angabe endlich sollte man glauben,
L in n é habe die T ulipa silvestris fü r eine einheimische Pflanze geh
a lte n , es is t aber das Gegentheil der F a ll, denn in d er Fl. suecica,
ed. II, 1755 heisst es S. 106: ,,H ab ita t circa Lundinum Scaniae et ad
u rbes varias passim, ex hortis non pridem a u fu g a “ , also etwa „u n län g st
aus den Gärten entwichen“ . Um so wun d erb arer is t, dass E. F r i e s ,
Fl. Scaniae 1835, S. 170 dieselbe falsche Uebersetzung des L in n é ’sehen
Passus h a t, wie A. v. H a l l e r , da er schreibt: „ in aggeribus, pomariis
etc. innumeris locis a b u n d a n tis s im a , primo vere segetis in s ta r stipata,
sed ra riu s florens et brevi marcescens. Cum in aggeribus et p ra tis sub-
u rb an is ad Malmö et Lund n u lla p ia n ta verno tempore copiosior, jam
ante saeculum Linnaeus, quod geographicae ratioues tarnen dissuadent,
h an d advenam declaravit. Nullibi tarnen hoc temporis co litu r“ .
You den ä lteren französischen Floren können wegen der Verwechslung
der echten Tulipa silvestris mit der im Süden heimischen
T. Celsiana n u r die d er P a rise r Gegend fü r unsere Zwecke in Be tracht
kommen. Da zeigt sich , dass sie bei V a i l l a n t 1723 und bei D a l i b
a r d 1749 fe h lt, bei B u l l i a r d 1776—1780 ohne Weiteres als wild
angegeben wird.
In England wächst Tulipa silv estris, zumal auf Kreideboden, in
Norfolk und Suffolk, und H o o k e r 1870 meint, sie sei h ie r „possibly
wild“ . Auch in Smith Fl. b rit. 1800— 1804 finde ich keinen Zweifel
an ihrem In d ig en a t ausgesprochen, dagegen fehlt sie in Hudsons Fl.
Anglica vom J a h re 1762 gänzlich.
H ä lt man n u n alle diese Angaben d er F lo risten zusammen, so ist
es ganz unmöglich zu zweifeln, dass Tulipa silvestris sowohl in Deutschlan
d und F ran k re ich , als auch in Schweden und E ngland n ich t u r sprünglich
heimisch, ih re Ausbreitung ziemlich gleichzeitig im Laufe
der zweiten Hälfte des vorigen J a h rh u n d e rts vollzogen hat. Und zwar
ist es höchst ch a rak teristisch , dass sie keineswegs schrittweise successive
n o rdw ä rts, etwa wie Senecio v e rn a lis, und Puccinia malvacearum
westwärts vorgedrungen is t, vielmehr ü b e ra ll ziemlich gleichzeitig, ja
sogar in Schweden frü h e r als im m ittle ren Deutschland erscheint. Das
h än g t einfach mit ih re r Verbreitungsweise von vielen Centren — den
botanischen und L ieb h ab erg ärten der betreffenden L änder — zusammen,
in welche sie d u rch Pfianzenhandel und Tausch lange vor ih re r Verwilderung
allgemein v erb re ite t worden war. Denn dass sie allgemein,
se lbst in Ita lien , der G a rten cu ltu r unterlag, steh t zur Genüge fest und
wird fü r Bologna von Ma t t i o l i , * von R u p p i u s 1745 für J e n a , von
B a u m g a r t e u 1790 fü r Leipzig, von v. B e r g e n 1750 für F ra n k fu
rt a. 0 . bestimmt angegeben. Wenn uns das h eute einigermaassen
verwunderlich vorkommt, da der schwache Geruch uns kaum zu ih re r
C u ltu r verlocken würde, so erscheint die Sache doch in einem anderen
L ic h t, wenn man b ed en k t, dass die Tulpen in jenen Zeiten zu den
Modeblumen gehörten, von denen Jed e rm an n suchte, ein möglichst reiches
und vollzähliges Sortiment zusammenzustellen, in welchem denn auch
die Bononiensis lu te a nicht fehlen durfte.
Wennschon sich also ih re V erbre itung von Ita lien , und zwar von
Bologna aus, mit Sicherheit festlegen lässt, so ist doch eine gleich befriedigende
Antwort au f die Frage, wie sie denn in die Gegend dieser
S tad t gekommen, zur Zeit n ich t möglich. Ih re Einwanderung dorthin
von anderswoher m u ss, im F a ll sie ü b e rh au p t sta ttg eh ab t h a t , in so
zurückliegender Zeit vor sich gegangen se in , dass uns die historische
Quellenforschung versagt. Dass sie ab e r auch um Bologna nicht
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