Ende des Monates März bis Anfangs Juni kaum möglich gewesen
wäre, hat sich durch Theilung der Arbeit nicht unschwer
ausführen lassen. So kam es denn, dass für die Erforschung
der Flora die nicht nur die phanergamen, sondern auch
die kryptogamen Gewächse berücksichtiget, dass von allen
reiche Sammlungen angelegt und zur näheren Bestimmung
und Vergleichung mit nach Europa gebracht werden konnten,
— dass ferner durch sorgfältige Beachtung des Klima’s, der
Boden- und Terrainverhältnisse der Einfluss studirt werden
konnte, den die verschiedenen Gebirgsarten in den verschiedenen
Höhen und unter verschiedener Luftbeschaffenheit auf
die Vertheilung der Pflanzen ausüben, dass endlich auch einzelnen
in der Landwirthschaft, in der Medicin und Industrie
wichtigen Gewächsen eine genauere und wissenschaftliche
Erforschung zugewendet werden konnte, als es bisher geschah.
Im Nachstehenden soll nun allen diesen besonderen Beziehungen
der Vegetation der Insel Rechnung getragen werden.
Es sei nur noch bemerkt, dass es gewiss nur im Interesse
der Wissenschaft liegt, wenn nun, so wie die Arbeit des
Erforschens und Sammelns unter uns beiden getheilt, auch
die Bearbeitung jedes botanischen Gegenstandes einzelnen
Fachmännern übergeben wurde, von denen die Bestimmung
der Algen Herr Grunow, die der Pilze Herr Dr. Rei-
h a r d t mit mir, die Lichenen Herr Kr emp e l h u b e r und endlich
die Moose Herr J u r a t z k a gefälligst übernommen hatte.
Die grosse Anzahl der Phanerogamen mit Einschluss der Ge-
fässkryptogamen forderte die ausschliessliche Thätigkeit des
Herrn Dr. Th. Kot s ch y und zwar schon darum, weil sich ein
grösserer Artenreichthum, als bisher vermuthet wurde, herausstellte
und überdies die verhältnissmässig grosse Zahl der bisher
noch nicht beschriebenen, also erst in die Wissenschaft
einzufuhrenden Pflanzen mit vielen zeitraubenden Untersuchungen
und Vergleichungen verknüpft sein musste.
II. Allgemeine Uebersicht der Vegetation.
C u l t u r l a n d , D ü r r l a n d , G e s t r ü p p , Wa l d , u n p r o d
u c t i v e r Bo d e n .
Dem .erfahrenen wie dem unerfahrenen Auge stellt sich die
Vegetation auf den ersten Blicke immer nur in ihrer Massenwirkung
dar, und bildet für die Physiognomie der Landschaft
eines der wichtigsten Elemente. Hat auch die Beschaffenheit
des Bodens, seine Hebung oder Senkung, die Ausdehnung und
Vertheilung von Berg und Thal, Land und Wasser einen
grossen Einfluss auf den landschaftlichen Charakter, so ist die
lebendige vielgestaltige, fort und fort veränderliche Decke,
welche die Pflanzenwelt über die Erde ausbreitet, doch dasjenige,
was das Gemüth des Beschauenden am meisten
ergreift, was es anzieht und erhebt und nur sie ist es, die
dem todten Klotze jenen Ausdruck verleiht, der, wie die Miene
im Gesichte des Menschen, über dessen innere Zustände
Aufschluss ertheilt.
Nicht umsonst nennen wir eine kahle, vegetationslose
Gegend todt. In der That fehlt ihr das Mittel zu uns zu
sprechen und ist daher für uns eben so leblos, wie ein entseelter
Leichnam. Die verschiedenen Schichten und Gesteine
der Erde, aus denen ihre Oberfläche zusammengesetzt ist,
geben sich weit weniger durch ihre oft unbedeutenden Unterschiede
zu erkennen, als durch den lebendigen Mantel, der
sie bedeckt. Die kleinste Nuancirung des Bodens tritt durch
dies Gewebe hervor und macht sich bemerkbar.
Da endlich der Boden mit der Luftdecke gleichfalls fortwährend
im Confliete ist, auf dieselbe einwirkt und umgekehrt
von ihr Eindrücke empfängt, diese Eindrücke aber alle mittelbar
und unmittelbar von der Pflanzenwelt empfunden und
aufgenommen werden, so .ist klar, dass uns dieselbe zugleich
unablässig einen Spiegel vorhält, in dem wir die Beschaffenheit
des Luftmeeres und die Wechselwirkung, in der es mit
dem Boden steht, zu erblicken im Stande sind.