IV. Klima der Insel Cypern.
Wie das Klima jedes Erdtheiles, so ist auch das Klima I
von Cypern abhängig sowohl von der geographischen Breite. I
von seiner Elevation über dem Meer und dem Relief des I
Landes überhaupt, als auch von der Beschaffenheit seiner un- I
mittelbaren Nachbarschaft, so wie von der Lage, die es im I
Complexe grösserer Länder- und Meeresstrecken einnimmt.
Indem wir das Klima dieses Eilandes zu schildern suchen, I
werden wir dasselbe in allen Beziehungen als das Ergebniss I
dieser Momente anzusehen genöthiget sein.
Cypern, eine der grössten Inseln im Mittelmeere| unter I
dem 35 0 südlicher Breite gelegen, ist zunächst wohl allen jenen I
Einflüssen unterworfen, die sämmtliche Länder unter diesem I
Himmelsstriche treffen, und wir müssen daher erwarten, dass I
namentlich die Wärmemenge und ihre Vertheilung in den Jah- I
reszeiten nicht wesentlich von jener abweichen dürfte, die das I
nahe Syrien, Cilicien, sowie die Inseln Rhodos, Creta und die
übrigen Sporaden und Cycladen des ägeischen Meeres zeigen.
Unerträglich heisse Sommer, die lähmend auf alle Beschäftigungen
des Menschen einwirken, und unverhältnissmässig
kalte Winter, die nicht selten durch künstliche Wärmemitte]
gemildert werden müssen, sowie der Mangel an Frühling und I
Herbst, welche allmälig den Uebergang von einem Extrem I
zum ändern vermitteln sollen, kennzeichnen im Allgemeinen I
das Klima von Cypern, das in dem gebirgigen Theile des Westen I
weniger warm als im flachen östlichen Theile ist. Während I
die Temperatur der Luft im Hochsommer im Schatten über 3 0 0
steigt, erreicht sie im Winter im ebenen Theile des Landes
zwar selten den Gefrierpunkt, wird aber dadurch um so empfindlicher,
als man sich nur wenig gegen sie zu schützen vermag*).
*) Man erwärmt im Winter die Wohnstuben durch Verbrennen von
Poterium spinosum und Tymbra spicata, den verbreitetsten Sträuchlein auf
Cypern.
Desungeachtet ist auch der Winter für die Vegetation
I [nicht ohne Erfolg, ja derselbe erhält sogar eine Flora, die
[im Monate März schon ihr Ende erreicht und als eine wahre
iVorfrühlingsflora betrachtet werden kann. Der Winter (October,
[November, December) ist die Zeit der wässerigen Niederschläge,
[während dieselben im Sommer gänzlich sistiren und ein un-
[getrübtes blaues Himmelszelt über die Insel ausgespannt ist.
Aber so trocken und dürr der Sommer verläuft, um so feuchter
[der Winter, und es ist nicht selten, dass es 30—40 Tage
[unausgesetzt regnet. =— In dieser Zeit erholt sich die dürstende
Erde, der Boden wird durchtränkt, neues Leben kehrt in die
[verdorrten Wurzeln der Gewächse und die Quellen werden für
das ganze Jahr mit jenem Nectar versorgt, den sie bald reichlicher
oder nur tropfenweise an dieselben abgeben. Während
im Verlaufe des Sommers endlich auch diese still wirkenden
[Bildungsmittel versiegen, die Bäche und Rinnsäle der Flüsse
trocken werden, sind sie im Winter vollauf mit Wasser geifüllt,
das nicht selten weit über ihre Grenzen austritt.
Der Pediäs, der Hauptfluss der Insel, bedingt eben
| durch den Austritt über seine Ufer die Fruchtbarkeit jener
|Niederungen, welche sein Wasser und die schlammigen Theile
[desselben erreichen. Damit ist nun aber auch fast aller Verkehr
in dem niedrigen Theil der Insel auf eine Zeit lang unterbrochen,
indem die Wege selbst für Saumthiere ungangbar
und der Uebergang über die Flüsse ungeachtet der vorhandenen
Brücken völlig unmöglich wird.
Eine Chronik erzählt, dass am 10. November 1330 unter
der Regierung Hugo’s IV. der kleine Fluss, der durch Nicosia
läuft, dergestalt anschwoll, dass nicht nur die niedrigen, sondern
auch höher gelegene Gegenden der Stadt unter Wasser
gesetzt wurden. Eine Menge Häuser wurden dabei verwüstet
und einige Tausend Menschen kamen ums Leben. Aber nicht
nur Nicosia, auch die um diese Stadt gelegenen Flecken und
Dörfer litten gewaltig vom Andrang des Wassers, so dass
diese Wassernoth für Cypern etwas Unerhörtes war.
Im Gegensatz von diesen und ähnlichen allzu reichlichen
Darreichungen an meteorischem Wasser kommen wieder Fälle