Dieser gesellig wachsende Strauch überzieht die baumlosen
sonnigen Höhen im westlichen Theile der Insel hie und
da massenweise. Die schönen gros-
sen, carmesinrothen Blumen, das
k rause, duftende Blatt geben der
Pflanze ein angenehmes liebliches
Ansehen, das sie v o r' ihren zahlreichen
Schwesterpflanzen vortheil-
haft auszeichnet. Beifolgende Abbildung
stellt ein Stück der creti-
schen Cistrose in natürlicher Grösse
dar mit einem Blatte, in dessen
Achsel ein junger, sich eben entwickelnder
Zweig ersichtlich ist.
Während alle übrigen Cistusarten in den Niederungen
und in den tieferen Theilen der Insel Vorkommen, beginnt
der Verbreitungsbezirk der cretischen Cistrose erst bei einer
Höhe von 2500 Fuss (Chrysorhoiatissa und etwa 500 Fuss
über Galata etc.) und reicht bis 4500 Fuss. Nach den
darüber eingeholten Erkundigungen ist dieser Strauch in den
Gebirgen um das einsame Kloster Kiku am meisten verbreitet
und zieht sich von da nach Prodromo und seinen Umgebungen,
wo ich ihn zu beobachten durch 12 Tage hinlänglich
Zeit und Gelegenheit fand. Als wir am 9. Mai in diesem
Hochgebirgsdorf anlangten, war diese Pflanze wohl in den
tieferen Regionen in der Blüthe, dieselbe trat aber in den
höheren Strichen erst unmittelbar vor unserer Abreise am
22. Mai ein.
Diese Pflanze ist e s , welche hier ebenso wie auf Creta
das Ladanum liefert, nicht aber die cyprische Cistrose
(Cistus eyprius L a m.) und zwar sowohl bei Kiku als bei
Prodromo, allein die Gewinnung dieser wohlriechenden harzigen
Substanz hat erst zu Ende Juni und im Juli bei grösser
Hitze sta tt, und erfolgt auf dieselbe Weise, welche schon
H e r o d o t angegeben hat.
Es geschieht nämlich, dass die weidenden Ziegen häufig mit
den krautartigen Theilen dieser Pflanze in Berührung kommen,
die obgleich schon früher als im Juni und Juli, aber zu dieser Zeit
besonders reichlich mit einer klebrigen Substanz überzogen
sind. Diese Substanz bleibt dann an den Barthaaren der
Ziegen hängen, verdichtet sich daselbst zu einer dunkelbraunen
Masse und wird immer wieder von neuer ähnlicher
Substanz überzogen. Es verkleben dadurch sämmtliche Barthaare
untereinander und bieten diese Substanz, die man sonst
nicht so leicht zu gewinnen im Stande ist, an den Bärten
dieser Thiere in grösserer Menge dar. Durch Abschneiden
derselben und Ausbringen der harzigen Substanz
mit Hilfe des Feuers erlangt man grössere
und kleinere, mehr oder weniger unreine Klumpen
und Kugeln.
Ein Stück mit den noch daran befindlichen
Barthaaren, deren ich mehrere in Prodromo
erlangte, finde ich mich veranlasst, hier
in einer in halber Grösse ausgeführten Abbildung
beizufügen.
Das im Handel vorkommende Ladanum
(ich habe dasselbe nicht auf dem Bazar, sondern
unter der Hand erhalten) hat die Form
von faustgrossen, bis zu 1 Pfund schweren
Kugeln von umbrabrauner Farbe. Bei gewöhnlicher
Temperatur bildet es eine feste Masse, die
den Eindruck des Fingernagels nicht annimmt,
was bei geringer Erwärmung leicht erfolgt.
Auf den Bruch, der uneben und erdig
erscheint, gewahrt man einen nach Honig
riechenden Duft von eigenthümlicher Art, der bei Erwärmung
der Substanz noch intensiver wird. Die übrigen physikalischen
und chemischen Eigenschaften dieser Pflanzensubstanz
wollen wir später noch in Betrachtung ziehen, wenn
wir erst die Frage über die Entstehung dieser eigenartigen
Ausschwitzung der cretischen Cistrose kennen gelernt haben.
Ich bemerke hiebei, dass es eine meiner speciellen Aufgaben
bei Bereisung der Insel war, mich über diesen Gegenstand
'ns Klare zu setzen.
U n g e r und K o t s c h y , die Insel Cypern. 26