
dennoch so muskulöse Gestalt, das Eingezogensein der Flanken, der eingezogene Bauch,
die kräftige Entwickelung der Hände, die verhältnissmässig starke Sohlenhreite der Füsse
und noch manches Andere. Ich hatte es damals mit den Fachgenossen zn beklagen, dass
kein zureichendes Material an Bälgen, an Abbildungen u. s. w. des w eib lich en Gorilla
existire,1 allein dieser Mangel gestaltete sich auch zu einem grossen Fehler für meine
ganze Deduction. Es gebrach ja eben an genügendem Vergleichungsmaterial zwischen
Mafuca und dem. weiblichen Gorilla und daran fehlt es leider vielfach auch jetzt noch.
Das Wenige, was mir hierüber in jener Zeit vorlag, sprach freilich grösstentheils für,
nicht gegen meine Ansicht. Auch liess das damals noch geringfügige Schädelmaterial1 2
über den weiblichen Gorilla eine Vergleichung mit dem Kopfe Mafuca's, welche sich zur
Zeit meines Besuches im Dresdener Garten, zu Anfang des September 1875, in der Blüthe
ihrer Kraft befand, wohl zu. Ich glaubte namentlich für die Prognathie und die starken
Augenhöhlenbögen Mafuca’s in den knöchernen Verhältnissen des weiblichen Gorillaschädels,
namentlich des jüngeren, eine Analogie zu finden. Die Sache wurde dadurch
noch verwickelter, dass das allmählich sich in Berlin häufende Material an weiblichen
Gorillaschädeln eine so grosse Variabilität dieses wichtigen Körpertheiles ergab.3 Durch
Umstände z. Th. peinlicher Natur4 gelangte ich erst spät dazu, den Schädel Mafuca's
selbst untersuchen zu können. Ich eruirte an dem Specimen folgende einer näheren
Auseinandersetzung würdige Punkte: 1) Zeigten sich an dem Schädel die Oberaugenhöhlenbögen
nicht mehr so stark hervorragend, nicht so dick gewulstet, wie beim
lebenden Thiere. Hier hatten die zur Zeit der Blüthe desselben gerade an dieser Stelle
strotzenden Weichgebilde das Meiste gethan. Während Mafuca’s letzter erschöpfender
Krankheit waren dagegen diese quaddelreichen, tuberkulösen Oberaugenhöhlenwülste
grösstentheils aufgesogen. Dies zeigt sich in der Photographie des todten Thieres und
ah der über dem Kadaver abgenommenen Gipsbüste, welche beide Objecte vom Dresdener
Museum aus vergeben wurden. Dieser prägnante Character des leb en d en Thieres ist
nach meinem Urtheile am besten in Mütze i / s Profilzeichnung in der Zeitschrift für.
Ethnologie5 oder in Brehm's Thierleben6 wiedergegeben worden. 2) Der Nasenrücken
ah Mafuca's Schädel ist weniger eingesunken, als dies bei etwa gleichalterigen weiblichen
Gorillaschädeln der Fall ist.7 3) Die Occipitalschuppe am jungen weiblichen Gorillaschädel
ist gerade für die Vergleichung junger weiblicher Schädel beider Anthropoidenformen
nicht überall stichhaltig. Auffallend ist nun die Differenz zwischen einem von Meyer
a. a. O. Taf. X V H Fig. 1 abgebildeten jungen weiblichen Gorilla- und dem daselbst
Fig. 2 dargestellten Schädel Mafuca's hinsichtlich der . zwischen Oberaugenhöhlenbogen-
1 Owen’s Abbildung des weiblichen Gorilla (Memoir 1. s. c. Tab. II) .ist nur wenig genügend.
2 Das reichhaltige Material vom Ogöwe erhielt ich erst nach und nach in späterer Zeit.
3 Vergl. auch Virchow im Sitzungsbericht der Berl. anthropol. Gesellschaft vom 18. Dez. 1875 (S. 285).
4 Hartmann das. (S. 284) und vom 15. Juli 1876.
6 Jahrgang 1876, Taf. I, Fig. 1 , 3.
6 Bd. I, S. 81. Zu dieser Abbildung passt die daselbst von B rehm gelieferte Beschreibung vortrefflich.
7 Vergl. Mittheilungen aus dem Königl. Museum zu Dresden. Heft II, Taf. XVI und unsere Tafeln.
Mitte und Alveolarrand der Oberkieferbeine befindlichen Distance. Diese beträgt bei dem
Gorilla circa 94 Mm., bei Mafuca circa 77 Mm. Aber hierbei ist doch zu bedenken,
dass nicht nur eine selbst geringe Altersdifferenz zwischen beiderlei Schädeln manches
thut, sondern auch dass jene Distance, wie oben klargelegt worden, bei Gorillaweibchen
höchlichst zu variiren vermag. Die Occipitalschuppe am jungen weiblichen
.Gorillaschädel ist weniger gewölbt als bei Mafuca, an deren Schädel dieser Theil niedriger
und gewölbter erscheint.1 4) Der Sagittalwulst am Schädel Mafuca's zeigte sich weniger
entwickelt, als es im Leben der Fall zu|;; sein schien. An dem betreffenden Stück*
zeigen sich die Seitenwandbeine zwischen dem hier nur sehr schwach sich präsentirenden
Sagittalkamme und den ziemlich stark ausgeprägten Jüineae temporales sowie der Stirntheil
des Stirnbeines, wohl in Folge der Maceration, ein wenig ärrodirt.2 Eine Orista lambdoidea
begann sich bei Mafuca bereits zu entwickeln. Die Ansätze dazu sind hier für einen
ju n g en w e ib lich en Schädel immerhin characteristisch. 5) Der Zahnbau Mafuca's erinnert
durchaus mehr an denjenigen des Chimpanse3 als des Gorilla. 6) Das Ohr der lebenden
Mafuca hatte rechts die Höhe von 64, links von 60 — 61 Mm. Beide Ohren waren ungleich
gebaut. Das rechte Ohr machte eher einen menschenähnlichen Eindruck als das
linke» An jenem zeigten sich die Helix und Antihelix durch eine sehr tiefe und breite
Grube von einander getrennt. Diese wurde wieder .durch einen von der Mitte der Gegenleiste
schräg zur Leiste emporziehenden, knorpeligen Wulst in eine obere und eine untere
Abtheilung getheilt. Ecke, Gegenecke und Ohreinschnitt waren entwickelt, wenn auch
nicht so deutlich als am linken Ohre. Es fehlte nicht an der Spur eines abgerundeten
Ohrläppchens. Die obere Abtheilung der kahnformigen Grube sollte der dreieckigen
Grube des Menschenohres entsprechen, aber eine solche, klein und halb von der Leiste
verdeckt, wurde noch vorn von den Schenkeln der Gegenleiste gebildet. Quer durch die
tiefe Muschelhöhle zog ein starker Knorpelwulst. Das linke etwas kleinere Ohr hatte
mehr Furchen und war gerundeter wie das andere. Die Leiste war hinten in der Mitte
eingekerbt. Die Gegenleiste endete noch bevor sie oben und vorn die Leiste erreicht hatte.
1 Vergl. unsere Taf. Virchow a. a. O. Taf. II. Fig. 1 und Mittheilungen aus dem zoolog. Museum
zu Dresden das. Taf. XVI und XVII. Bei Bischöfe dagegen ist dieser Theil am jungen weiblichen Gorilla
höher und gewölbter (Taf. XX, Fig. 23) als am jungen weiblichen Chimpanse (das. Fig. 24), an welchem
letzteren die Hinterhauptsschuppe niedriger und flacher erscheint. Sogar an den Schädeln e rw a ch sen er
weiblicher Gorillas nnd Chimpanses variiren die Höhendimension und die Gestalt dieses Theiles, dessen Bedeutung
also für die differentielle Diagnose, namentlich für jüngex-e weibliche Schädel nicht sehr hoch angeschlagen
werden darf. Auch vergesse man nicht, dass derselbe Theil während der Lebensdauer eines weiblichen
Individuums sich schnell verändern könne.
2 Meyer giebt an, dergleichen Erhebungen im Verlaufe, der Nähte schienen bei dem Verwachsungs-
processe derselben zu entstehen. Mit einer entstehenden Crista sagittalis habe die vorhandene sehr leichte
Erhebung der Sagittalnaht nichts zu thun gehabt, diese Crista entstehe aus den allmählich einander sich
nähernden und sich wulstartig aufwerfendeü Lineae semicirculares. Dies gebe ich zu, bemerke aber dabei, dass
sich an weiblichen Gorilla- Schädeln zuweilen ein sehr ansehnlicher von den Lineae temporales unabhängiger
Sagittalwulst im Verlaufe der Sagittalnaht erzeugt.
3 Vergl. Hartmann, Archiv f. Anatomie u. s. w. Jahrgang 1872, Taf. V, und Meyer in den Mittheilungen
a. d. zoölog. Museum zu Dresden, Taf. XVIII.