
A e b y auf S. 307—309 (seiner oben citirten Abhandlung) gelieferte Darstellung der Ein-
lenkungsverhältnisse der Gorilla-Fusswurzel im Wesentlichen zu bestätigen.
Beim Chimpanse ist der' Sprungbeinkopf stark convex, quer-, medianwärts gekehrt.
Das Navieulare ist ziemlich dick und stark concav, wogegen es bei Gorilla und Orang
eine verhältnissmässig beträchtliche Dickenreduction darbietet. Die Mittelfuss- und Zehenglieder
sind mehr dorsal wärts gekehrt.
Am Orang erscheinen die. sämmtlichen Fussknochen sehr grazil, so auch Sprunge
und Fersenbein. Ersteres lässt eine coneave mediale Fläche erkennen. Seine gewölbte
Articulationsfläche ist mit einer von hinten nach vorn sich erstreckenden Furche versehen.
und an ihrem lateralen Umfange - etwas abwärts gekehrt. Das Caput tali ist auch hier
medianwärts gerichtet, jedoch nicht in so auffälligem Grade als beim Gorilla. Die Dorsal-
flächen der Mittelfuss- und der Zehenknochen sind stark lateralwärts gekehrt,' gegen den
medialen Fussrand und die Fusssohle hin gewendet, an dieser Seite aber stark concav.
Die •Tuberositas ossis metatarsi V ist nach aussen und zugleich etwas plantarwärts gedreht.
Im Anschluss hieran erlaube ich mir, auf d a s. früher von mir an einem anderen
Orte über den G r e iffu s s der Anthropoiden Gesagte aufmerksam zu machen.1 Das Ver-
hältniss der Grosszehenarticulation der erwähnten Thiere zu derjenigen roherer Menschenstämme
dagegen werde ich bei einer ganz anderen Gelegenheit zu erörtern versuchen.
III. lieber das Artverhältniss des Gorilla lind anderer Anthropoiden.
Es ist schon mehrfach die Frage aufgeworfen worden, ob zur Zeit nur eine oder
ob mehrere Arten des Gorilla zu bestätigen seien. Nach sorgfältiger Prüfung des vorliegenden
Materials bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, dass wir bis heutigen Tages
nur e in e e in z ig e A r t des G o r illa anzunehmen gezwungen sind, der wir den alten
Namen Troglodytes Gorilla Savage belassen wollen. Alles, was sich unter den von
Reisenden, Naturalienhändlem und Naturforschern beobachteten Specimina Verschiedenartiges
vorgefunden hat, auch wohl Gor. mayema, 1 2 lässt sich auf geschlechtliche und auf
Altersdifferenzen sowie auf individuelle Variation zurückfuhren. Dass letzterer aber nicht
allein im äusseren Habitus des. Gesammtthieres, sondern auch in dessen Knochenbau
ein sehr weiter Spielraum bleibt, ist oben näher auseinander gesetzt worden.
Anders stellt sich vorläufig noch die Frage von der E in h e it oder M eh rh e it der
Species für den Chimpan.se. Bis zur Zeit der Du CHAiLLu'schen Reisen begnügte man
sich meist mit Aufstellung und Bestätigung der ein z ig en Species Troglodytes niger
Geoffr. Js. G e o f f r öY St. H i i a i r e . und D ah lbom lieferten sehr gute Abbildungen
selbst der augenscheinlich zu dieser Art gehörenden a lte n Männchen. Hierdurch
erhielt unsere Kenntniss von der oben erwähnten Art eine gewisse Abrundung. Ein zu
jenen Zeiten von J o h . M ü l l e r und von L ic h t e n st e in genau bestimmtes und dem
Troglodytes niger Geoffr. zugeschriebenes weibliches Skelet des Berliner anatomischen
1 Archiv fïir Anatomie etc. 1876.
2 Alix et Bouvier in Bull. soc. -zool. de France 1877.
Museums (No. 16111) wurde als gewissermassen typisches Präparat von mir zum Ausgangspunkt
aller meiner früheren und jetzigen zoologischen Untersuchungen über den
Chimpanse gewählt.1 Stimmten doch die Verhältnisse seines Schädels (Taf. X X Fig. 1)
vielfach mit den früher von Anderen gelieferten Abbildungen weiblicher Schädel des
Troglodytes niger überein. •' Einem solchen Thiere gehörten auch die so wohlgelungenen
und unzählige Male copirten Bilder junger Chimpanses an, welche die Abhandlung von
Js'. G e o e fr o y St. H il a ir e , das bekannte Werk über den Jardin des plantes,* P. G e r v a is '
Histoire naturelle des mammifères de. zierten. Die Originale dazu stammen meist aus
der herrlichen-Vélins-Sammlung des Pariser naturhistorischen Museums. Unter diesem
Troglodytes niger pflegte man sich nun ein Thier mit mässig prognathem Antlitztheil,
ziemlich rundem Kopf und grossen flachen Ohren, mit schmutzig-fleischfarbenem Gesicht,
Händen und Füssen und mit schwarzer Behaarung vörzusteHen. Als dann später die
berühmte Molly, ein noch junges Weibchen, in das Berlinér Aquarium gelangte, woselbst
sie ihre Verherrlichung durch B rehm ur. A. fand, zeigte sich durch dieses Thier jenes
eben entworfene Bild in seinen Hauptzügen bestätigt. Die allermeisten auch neuerdings
von Westafrika aus nach Europa gelängten Chimpanses Hessen sich derselben bekannten
Art ohne Beanstandung einreihen.
Nun hatte L e s sö n bereits i. J. 1831 seinen Chimpansé à coccyx blanc aufgeführt,
mit schwarzem Haar, fleischfarbenem Gesicht, weisslichgrauem Bauch und weissen Hinterbacken3.
Letztere Färbung der Analregion, welche dem LESSON'schen Specimen von
Seiten H. G. L. R e ic h e n b a c h 's die wissenschaftliche Bezeichnung Pseudanthropos leu-
coprimnus eingetragen hatte4, ist aber für den Troglodytes niger so characteristisch, dass
darauf hin eine neue Species unmöghch begründet werden konnte. Pseudanthropos
leueoprimnus R e ic h e n b a c h 's würde demnach aus dem System zu entfernen sein. In
dem nicht ganz ohne Verdienst dastehenden Sammelwerke von Ch e n u : Encyclopédie
d’histoire naturelle, Quadrumanes, findet sich auf S. 34 die Holzschnittabbildung eines
„Chimpansé, supposé nouvelle espèce“ aus dem Museum zu Havre, deren Kopfbau übrigens
an den bekannteren Typus des Troglodytes niger erinnert. In der Legende zu diesem
Bilde heisst es: „Mr. L a in ie r , conservateur du Musée du Havre, a bien voulu, dans
le courant de cette année, m’envoyer, pour l'étudier, un troglodyte qui a une taille de plus
de cinq pieds et qui lui semble devoir constituer' une espèce nouvelle ; il a eu l'extrême
obligeance de joindre à cette pièce remarquable un jeune individu parfaitement monté et
son squelette; mais après un examen minutieux et une comparaison sérieuse, je n'ai trouvé
aucun caractère suffisant pour admettre ce singe comme une espèce différente du troglodyte
noir ou chimpansé. Cependant il convient d'ajouter que cet énorme singe est
dans un état qui laisse beaucoup a désirer; il lui manque les organes principaux qui
pourraient servir à lever les doutes, je veux parler de la tête osseuse, des mains et des
1 Hartmann im Archiv für Anatomie u. s. w. 1872, S. 148 ff.
3 Le jardin des plantes, par Le Maout etc., Paris 1843.
3 Illustrations de zoologie, Paris 1831, pl. 32.
4 Die vollständigste Naturgeschichte der Affen. Dresden und Leipzig, S. 191.
R. H artmahn, Gorilla.