©dpoebe unter Xibetern, Sfjinefen unb SabaliS, öerjehrten mir unfer
fpäteg SJiittageffen in ber grofjartigften, energifd^ auggemeihelten Sanb»
fdjaft, bie man fic£) nur benfen fann. SBäfjrertb bie anberen if)r ißfeifdjen
raudjten unb itjren fettigen See fd)lürften, jeichnete ich eine ©fijje beg
riefigen Sorg non feftem (Granit, burd) ba§ fid) bie SBaffermaffen beg
Sraf)maputra auf ihrem SBeg nad) Dften mälzen, nad) bem Sil)ongtal
unb ben ©benen Slffantg pin. gd) märe t)ier gern nod) lange geblieben
unb hätte gugefdjaut, mie ber unerfättlidje glufs m jebem Stugenblid,
ber entfliegt, feinen bebeutenben Tribut üont Sof=tfd)u einjiept; aber eg
mürbe bäntmerig, unb mir Ratten einen meiten §eimmeg; mir legten baper
bag Soot gufantmen, padten e§ mit ber übrigen Sagage auf gemietete
ijSferbe, ftiegen felber in ben ©attel unb ritten talaufmärtS. SBie fcfjon
fo oft guüor, überrafd)te uns aitcE) heute bie Sunfelljeit. Sor un§ ging
Sabfang mit einem Xibeter an jeber fpanb; alle brei brüllten fo laut fie
nur fonnten! StUe maren brillanter Saune, e§ mar frifdj unb angenehm
unter ben funfelnben ©ternen, nnb begleitet öom ©dieHengeflingel ber
©ljinefenpferbe medten bie fröfjlidjen ©änger ein fd)lummernbe§, fd)rilleg
@d)0 in ben ©älen ber Serge. Sin einer gefährlichen ©teile in ber Sähe
be§ Sorfeg, mo ber SBeg auf einer über bem glüh öom ©eftein gebilbe*
ten Seifte entlang geht, !am man un§ mit ißapierlaternen entgegen; balb
barauf fahen mir nach einem anftrengenben aber lehrreichen Xagemerf
frieblid) in unferen Z^ i«*
Sangfam ftiegen mir am folgenben Sag in norbmeftIid)er Sichtung bag
Sof4fd)u=Sai hinauf, ein hmreifjenb fdjöner SBeg, auf bem man unauf=
hörlich abfi^en unb bie milbe Sergfeenerie in Suf)e hätten genießen mögeu!
¿ber je|t ift e§ mir nicht möglich, ^a^« 3U öermeilen; eine ©eite
meineg Sagebud)eg nach &er anbern muff überfchlagen merben, menn ich
je mit ber Sefdjreibung biefer Seife, auf ber unfer noch fo öiele harte
©chidfale unb böfe Slbenteuer marten, ju ©nbe fommen foH!
SBir reiten burch ©djutt unb groben ©anb, bie Sermitterunggpro*
bufte beg grauen ©ranitg, mir iommen an einer Seihe furjer, abfdEjüffiger
öuertäler unb an mehreren pittoregfen Sörfern oorüber. ©ineg öon
ihnen, SSatfdjung, hot eine herrliche Sage am guf) ber fteilen geifert
auf ber Sorbfeite beg Saleg, öon benen ein oöaler Slod abgeftürjt ift
unb mie ein riefenhafteg @i im ©anbe fteht, ein beforatioeg ißiebeftal,
bag auf eine Seiterftatue martet. Stuf feiner öftlidjen, öon SBinb unb
SBetter blanf polierten gläcfie ift eine regelrechte Xrilolore gemalt, SBei|
in ber SSitte, Sot linfg unb Stau rechtg, aber meber Sonöalot, noch
Sutreuil be Sping haben biefeg ©rinnerunggjeidien hmterlaffen, benn in
biefer ©egenb ift noch me ein Seifenber gemefen. Sie Semoljner beg
Sorfeg fiub eg, bie hier flaggen, unb neben ber Xrifolore erblidt man
eine jmeite fpmbolifdje Malerei, ein meifceg treuj in fchmar^em gelbe.
Sei bem Sorf fpiegeln fid) fnorrige Säume in einem Seid). Sie Sorf=
leute ftehen gaffenb an ben ©den unb in ben ffaugtüren, möhrenb ein
gRattrt meinen Sienern einen ©djlud Sfdjang aug einer ^mljfchale an-
bietet. Sie ©eiten ber gelfen finb in feltfamen gormationen mobeüiert;
ber ©ranit ift oertifal jerflüftet unb fteht mie feniredhte tuliffen im Sal.
Oft geht eg an. äRanihaufen öorbei — allenthalben geigt fich, bah » ir
ung in einer ©egenb mit öielen tlöftern befinben, ber ganje SBeg ift mit
religiöfen tennseichen gefchmüdt. Sei jebem SRani teilt fid) ber SBeg,
benn feiner, au|er ben SInhängern ber ¿embofefte, unterläfjt eg, linfg an
ihm üorüberjugeljen, in berfelben Sichtung, mie fich bie ©ebetmühlen
brehen. Stuf bem ©ipfel mehrerer gelfen erblidt man 3Jiauer= unb
Surmruinen; man merft, bah ba8 S a I in bahingefchmunbenen feiten
bitter bemohnt gemefen ift. Sin jmei ©teilen gemähren gefd)ü|te geig*
fpalten öerfrüppelten SBad)olberfträud)ern gaftlictje Unterfunft. Sluf ber
nörblidjen Salfeite hat ber gtuh einft bie Safig ber ©ranitmanb poliert,
unb auf ihrer blanfen giäcf)e finb gmei Zeichnungen angebracht (Stbb. 178).
©ie beftehen aug ben Konturen jmeier Subbl)abilber unb finb red)t fünfte
lerifch auggeführt. Sie meftlid)e ift oon jmei anberen, fchmach fichtbaren
giguren umgeben, unb unter ihnen finb allerlei Ornamente, Saufen unb
Zeichen in ben ©ranit eingehauen, ©leid) oberhalb biefer ©teile lagerten
mir in einer höchft malerifchen, intereffanten Salermeiterung im Sorfe
Singö (Slbb. 184).
©in Seil ber Semoljner Singög gieht im ©ommer mit feinen Sieh*
herben fedj§ big fieben Sagereifen meit nach Sorben, benn ber Soben
ift um Singö h^um fehlest unb auf bie ©rnte ift fein Serlafi. Ser
Sof=dfd)u läht fid) hier im ©ommer nicht ohne Soot überfdjreiten; im
SBinter friert ber glüh aUerbingg ju, aber feiten fo feft, bah )etn ©ig
trägt. Sag guter eff ante an biefer Salermeiterung ift, bah ber gerabe
öon SBeften fommenbe Soldfcpu ober Saga4fangpo fich juft hi« mit
uttferm alten Sefannten, bem SSgdfd)u, oereinigt, ber 15,u tubifmeter
SBaffer in ber ©efunbe führt, gür ben ganzen Sof=tfd)u hatte ich am Sag
öorher 33 tubifmeter auggerechnet; alfo ift ber Unterfctjieb öon 18 tubif=
meter bag öom Saga=tfangpo gelieferte SBaffer, uub ber 3Rt)=tfchu ift
folglich nur ein Sebenfluh beg Saga. SlnbererfeitS aber ergieht fich
ber Sofdfdiu in mehreren, ftromfdinellartigen Seltaarmen in ben Stp*
tfchu, ber tiefer im Salgrunb liegt unb ruhiger flieht; öon biefem ®e=
fichtgpunft aug mühte ber 9Jit)=tfchu alfo ber fpauptfluf; fein; bieg fann
alg ©efcpmadfache angefehen merben.