T A F E L LVII.
Gehirne Erwachsener, von vorn her gesehen.
Fiir. 1 mi(i 3 stellen Gehirne von Mannen, Fig. â iiiid 4 von Weibem dar.
Man erkenut v. A. aus der Ansicht des in natürlicher Form gehärteten Gehirns von vorne her die allgemeine
Gesttilt des Stirnhirns. Man bemerkt die schiefe Stellung der Orbitalfelder, indem dieselben von aussen-oben nach innennnten
abfoUen. Die Orbital felder bilden in dieser "Weise mit der Medianebene einen "Winkel, des-sen Grösse zwar iu den
verscbicdenen Gehirnen etwas wechselt, aber stets mehr oder weniger spitz ist. Die nnteren-inneren Partien der beiden
Frontallappen schiessen stets nach unten, in den sogen. >Siebschuabel», hervor Tind bilden beiderseits eine nach unten
hinab h an geil de starke Firste, welche in den beiden weiblichen Gehirnen sogar stärker, als in den beiden männlichen ist.
Von besonderem Interesse ist es in dieser Ansicht auch das stai'ke Hineinschieben der Schlafen läppen nach innen
wahi'ziuiehmen, indem die Pole deraelben weit luiter die Hirnbasis hineingerUckt sind. Dieses zeigt sich am ausgeprägtesten
in dem in Fig. 3 abgebildeten Gehirne (von einem 37-jährigeu Weibe), aber auch in Fig. 4 (von einem 63-jährigen
Woibe) kommt es in ausgesprochener Weise vor. Man sieht es auch in dem Gehirn der 43-jährigeu Mannes (Fig. 2), obwohl
bei diesem, wie hei dem anderen mSnnlicheu Gehirn, dieser Charakter dnrch die bedeutende Breite des Gehirns in
der Schläfen läppen region ein wenig masquirt wird.
Was die Windungen und Furchen betrifft, so lassen sich in der Ansicht gerade von vorn her niu' wenige Partien
des Gehirns gut therblicken. Wenn man an der Orbitûlkante anfängt, so erkennt man zuerst den Sulcus fronio-mari/inalis
als einheitliche Furche in Fig. 4, und zwar in der linken und so ziemlich auch in der rechten Hemisphäre, indem hier
die beiden Hälften nur dnrch eine tiefe Windungsschlinge getheilt wird. In Fig. 1 ist die Furche in der linken Hemisphäre,
auch sehr lang, sie zieht hier aber lateralwärts nach oben nnd lässt ein besonderes kleines Furchenstück unter
ihrem Ende erscheinen, In etwas ahnlicher Weise verhält sich die Furche in der linken Hemisphäre der Fig. 3, indem
sie Ifttcralwart« hoch nach oben hin steigt. In den übrigen Hemisphären der in den fraglichen Figuren abgebildeten
Gehii'ue besteht der Sulcus fronto-inarginalis aus zwei bis drei getrennten Stücken. Von Interesse ist das in der linken
Hemisphäre der Fig. 2 vorkommende Verhalten des Mittelstttckes, welches hier als eine quere Endl'urche des Sulcus frontalis
niedius erscheint. Sonst bildet in der Regel das mediale Stück des Sulcus fronto-marginalis das Endstück des Sulcus
frontalis medius nnd erscheint gewissermasson als eine lateralwärts umgebogene vordere Fortsetzung desselben.
Der Sulcus frontalis medius ist in der linken Hemisphäre der in Fig. 2 und i abgebildeten Gehirne recht typisch;
er zeigt sich durch keine Brücken Windungen unterbrochen und endigt mit hinterem querem, obwohl nicht langem Endstück.
In beiden Hemisphären des in Fig. 1 abgebildeten Gebiims hängt die Furche hinten mit dem Sulcus frontalis
superior (links) und dem Sulcus proecentralis inferior (rechts) zusammen. In den übrigen Hemisphären ist sie durch
Brücken win düngen in verseliiedener Weise unterbrochen.
Ans diesen Figui'en lasst sich auch die vordere dorsale Partie des Gyrus und des Sulcus frontalis superior überblicken.
Man sieht die laterale Seite dieser Windung seitliche Qu er Windungen aufnehmen, welche die Furche, besonders
nach vom hin, durchschneiden nnd unterbrechen, so dass es oft schwer ist, ihi'en vorderen Theil klarzulegen.
In der Ansicht von vorne macht sich im Ganzen der Eindruck geltend, dass die frontalen Windungen (und Furchen)
von der Spitze nnd der Innenkante des Stimlappens ausgehen und nach hinten-aussen ausstrahlen.
Die auf dieser Tafel nach directen Photographien in Lichtdruck wiedergegebenen Gehirne sind in Kalibichromatnnd
Formollösung gehärtet.
GUSTAF RETZIUS: DAS MENSCHENHIKN, 189Ü.
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