2 EINLEITUNG
gen akademischen Lehrern F r. Hornschüch und F r. Grr.
R osenthal in mehreren Schriften besprochen worden [*)',
sie hielten ihn, m it Unrecht, für die oben genannte
Balaena rostrata und unter diesem Namen führte ich
ihn in meinem Z o o lo g isch en H a n d a tla s, Taf. 9.
Fig. 10. auf, indem ich die von R osenthal gegebene,
Abbildung desselben verkleinert wiedergab. Nach den
späteren kritischen Erörterungen ist es ein ächter
Finnfisch (Bulaenoptera pliysalus s. musculus) gewesen,
den ich zuerst von allen Cetaceen durch Autopsie kennen
lern te; und zw ar ein junges männliches Individuum
von 44 Fuss Länge, denn alte Thiere werden über 60
Fuss lang, wie bestimmte Wahrnehmungen beweisen,
erreichen aber die enorme Grösse von 80-90 Fuss, der
anderen nordischen A rt, der Balaenoptera boops s. Sib-
baldii, nicht. Das vielgereiste Ostender Exemplar dieser
Species, welches ich 1846 zu Leipzig ausgestellt sah, war
80 Fuss lang und die kolossale Peripherie seines Thorax
eine höchst überraschende Erscheinung,
'W eiterhin Ijabe ich keine Gelegenheit gehabt, mich m it
den Cetaceen ernstich zu beschäftigen; was ich bei Gelegenheit
meiner K ritik des Zeuglodon (Basilosanrus oder
Eydrachus) darüber gesagt habe, stützt sich auf diese
Jugendstudien und ist, w ie ich schon erwähnte, nicht
frei von dem beregten Irrthum . E rst seit meiner Ueber-
siédelúng nach Buenos Aires bin ich m it Exemplaren
dieser Thiere, welche sich mir frisch getödtet zur Untersuchung
dSrboten, in wéitere unmittelbare Berührung
venire sulcato distinetis; epist. gratul. ad 1. F. Blumbnbaciuum. Grgphiae.
1825. 4.
F. Ch. Ro ssu tu m ,Ifthige nalurhist. Bemerkungen über dieWalle. Groifsio.
i m . fol..
.Derselbe, über die Barten des Schnabel-Wallfisclus, in te n Abh. d. Berl.
Akad. aus d. Jahre IS»9. phgs. m,Uli. Classe. Berlin. 1832.
gerathen; vier fast vollständige Bartenwale und zwei
Zahnwale haben glückliche Zufälle, nebst einzelnen
Theilen von anderen fünf, mir in die Hände geliefert.
Leider sind die hiesigen Yerhältnisse dem sorgfältigen
Studium namentlich grösserer Thiere nicht günstig; das
Museum, dem ich vorstehe, h at keine geeigneten Oert-
lichkeil.cn zur Präparation so grösser Massen, wie ein
Finnfisch; die Untersuchung musste an O rt und Stelle,
wo der Fisch,,gestrandet w ar, oder sein Cadaver depo-
n irt lag, gemacht werden und die schaulustige, von allen
Seiten herbeiströmende Menge ward das entschiedenste
Hinderniss einer ruhigen Beobachtung. Schon beim
Maassnbnehmen schrien die Buben jedesmal lautjauchzend
auf, wenn mein Messinstrument nahe bei der Genitalien
oder Afteröffnung sich bewegte. W ie hätte ich
darnach wohl diese Theile ijffnen oder gar herausnehmen
lassen können; zumal da unser Museum nicht gehörig
mit kundigen Arbeitern für solche Dinge vergehen ist.
So musste ich auf die genaue anatomische Untersuchung
verzichten und m it dem Abzeichnen des Körpers und
der an O rt und Stelle abzuwartenden Reinigung des
Skelets mich begnügen. Zum Aufstellen fehlt es .ebenfalls
an R aum ; es ist zw ar ein neuer Saal gebaut w orden,
der nach dem früheren 38 Fuss langen Finnfisch
(Balaenoptera bonaSrensis) bemessen w ar, aber der fasst
die drei vollständigen Skelete, welche w ir jetzt besitzen,
nicht; ich bin genöthigt gewesen, nur die Wirbelsäulen
aufzustellen, dagegen Schädel, Rippen und Skelete
der Flossen getrennt aufzubewahren. Diese Umstände
werden mich vor dem sachkundigen Publikum über die
Lücken in meiner Arbeit entschuldigen, sie werden dar-
thun, dass es nicht möglich ist, den Maassstab an hier
gefertigte wissenschaftliche Arbeiten zu legen, welchen
die m it Benutzung der Hülfmittel der grossten Museen
Europa’s ausgeführten Untersuchungen ertragen.
1. B a l a e n o p t e r a b o n a e r e n s e
Proceedings Zool. Soc. 1867. page, 707.
Va s Benedes et G ervais, ô'stéogr. d. Cétacés, page' 229.
Boletin del Museo Pubi. d. B . Aires, tom. II,*pag. V II y X IV.
Descr. pliys- d. I. Map. Argent., tome III, page 545.
Die A rt, der ich den obigen Namen gegeben habe, ist
die kleinste von den drei Species, welche die argentinischen
Küsten des atlantischen Öceans besuchen, von Zeit
zu Zeit, nach stürmischem W etter, in den grossen La
Plata-Busen sich flüchten und, indem sie unvorsichtig zu
w eit einwärts vorgehen, in der Nähe von Buenos Aires
auf den Strand gerathen, wo sie in der Regel schon todt
von Fischern angetroffen werden. So w ar auch das Exemplar
dieser A rt, dessen Sichlet ich für’s Museum erwarb,
gefunden worden. An der Küste vomBelgrano, etw a2Le-
guas nördlich von der Stadt, fand ein dort an der Mündung
des Arroyo Medrano wohnender Fischer den todten
Körper im Fluss schwimmend, brachte ihn an ’s Ufer —
den 5. Februar 1867 — und benachrichtigte mioh am folgenden
Tage von seinem Fange, mir den bereits in Verwesung
begriffenen Körper zur Verfügung stellend. W ir
wurden einig über den Erw erb und ich beauftragte den,
Fischer, den bereits im Gebüsch an der Küste untergebrachten
Körper g u t zu hüten und vor Beschädigung zu
bewahren, bis ich käme, ihn genauer zu besichtigen.
Leider hielt eine Unpässlichkeit mich ab, dies sogleich zu
thun ; ich konnte erst nach 14 Togen mich auf den Weg
machen, um die erste Besichtigung auszuführen. In die-,
ser Zeit w ar der Körper gänzlich durch Fäulniss zerstört
worden, was mich verhinderte, eine Zeichnung und genaue
Ausmessung desselben auszui’ühren; er lag auf dem
Rücken, den gefurchten Bauch nach oben, der Länge nach
aufgerissen, die Eingeweide herausgefallen und von einer
Million durcheinanderwogender Fliegenmaden occupirt,
die sich darin gütlich tliaten, während die flüssige Gauche,.
welche den Körper umgab, jede nähere Besichtigung un-’
möglich machte. N ur m it Schritten kon n te ich aus der
Entfernung die Messung vornehm en; ich fand den Cada-
v.er 16 Schritte lang, wovon etwa 4 auf den Kopf, die übrigen
12 auf Rum pf und Schwanz fielen. Uebertrage ich
meine Schritte in Füsse, je 2 auf 1 Schritt, so erhalte ich
32 Fuss Gesammtlänge, die Sich in 7 für den Kopf, 12 für
den Rumpf und 13 für den Schwanz ansetzen lassen. Das
RBmpfskelet zeigt, dass die 7 Halswirbel zusammen 1
Fuss messen, die 11 Brustwirbel 3 | Fuss, die 12 Lendenwirbel
81 Fuss und die Schwanzwirbel, wovon 12 mit
unteren Dornen, sogenannten Hämapophysen, 10 Fuss.
Dann kommt etwa ein überschüssiger Fuss' auf die das
Skelet bekleidenden weichen H aut- und Bindegewebe,
nebst der Interverbetral-Substanz.
Am Kopf Hess sich nichts als das allgemeine Ansehen
wahrnehmen, weder Augen, noch Nasen-, noch O h*
Öffnungen; alles w ar durch Fäulniss zerstö rt; nur der
klaffende Mun&blieb deutlich, aber nichts von Barten in
ihm zu sehen-. Der Unterkiefer überragte den oberen um
mindestens 4 Zoll und umgab den Rand des Oberkiefers
als dick angeschwollener Saum.
In einem Abstande von 10 Schritt hinter der Schnautzen-
spitze liess sich der Rest einer dreieckigen Rückenflosse
erkennen, deren Spitze eine leichte Krümmung rückwärts
andeutete ; sie schien mir 1 Fuss lang und fast ebenso
hoch zu sein, doch waren die Umrisse nicht mehr ganz
sicher. Die grosse, zweilappige Schwanzflosse hatte sich
besser erhalten; ich schätzte ihre Breite zwischen den
beiden Spitzen zu 6 | Fuss, jede Hälfte 31- Fuss lang und
1 j F uss breit am Grunde. Die Brustflossen Hessen sich
nicht bestimmt genug w ahrnehm en; die auf der freien
Seite des Körpers war gänzlich zerstört; die andere unter
dem R umpf und der Gauche versteckt; nach den erhaltenen
Fingerknochen muss sie etwa 31 Fuss lang und von
der gewöhnlichen schlanken, etwas sichelförmigen Ge-
stal t gewesen sein.
. Die Farbe des Thieres w ar auf der freiUegenden Bauchseite
ein lichtes Weissgrau, auf der Rückseite ein dunkles
ScliiefergraUuganz von der Farbe des gewöhnlichen Tafelschiefers.
Au den deutlich erkennbaren Bauchfurchen
hatten die schwieügen, last, rein weissen Intervallen 1
Zoll Breite, und wurden durch , J Zoll tiefe Falten, die
etwas "dunkler gewesen zu sein schienen, getrennt. Ihre
Anzahl liessaich an dem sehr zerstörten Körper nicht m it
Sicherheit bestimmen. -•
Das Exem plar w ar ein Männchen, kenntlich an den
beiden spaltenförmigen Oeffnungen auf der Mitte der U nterseite,
am Anfänge des Schwanzes. Die vordere grössere
Spalte ist die Geschlechtsöffnung; sie befindet sich
etwas vor der Rückenflosse, doch an der entgegengesetzten
Seite des K örpers; die hintere kleine ist gerade unter
dem ..Ende der Rückenflosse und stellt den After dar.
Neben dem vorderen Ende dieser zweiten Spalte befindet
sich an jeder Seite ein Schlitz zur Aufnahme einer Brust-
D i e B a r t e n •
Nach Angabe des Fischers, der den Cadaver im Fluss
fand, w ar die Mundhöhle geöffnet und ohne allen anderen
Inhalt, als die slarkPhügeschwollene, polsterförmig gewölbte
Zunge. Wahrscheinlich hat die bekannte schnelle
Zersetzung des Gewebes dieses Organs und ihre in Folge
der Gasentwicklung starke Anschwellung die Barten von
der Stelle gerückt und selbst aus der.Mundhöhle heraus.-