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aufmerksam, welches das Vcrhällniss der Länge zur
Breite des Schädels liefert; hierüber habe ich noch Einiges
nachzu tragen.
Der fötale Schädel des ebengebornen Jungen ist 12cm.
und 7,5 cm. breit zwischen dem Jochbogen, aber 9 zwischen
dem hintersten breitesten Theile der Hirnkapsel.
Die drei Dimensionen verhalten sich also zu einander,
wie dieWerthe 4, 21 und 3. Halte ich dagegen den nächst
älteren Schädel von 16 cm . Länge, so ist an ihm die Hirnkapsel
noch ebenso breit, wie am fötalen Schädel, der
Abstand der Jochbogen aber 8cm ., also um 1 cm. gestiegen.
Der dritte Altersgrad von 20 cm. Länge zeigt alle 1
3 Werthe im Zunehmen, obgleich der Unterschied der
Schädelkapsel von 9,5 cm. unbedeutend ist gegen den
grösseren Abstand der Jochbogen von 10 cm. Aehnliche
Verhältnisse zeigt auch der vierte Grad der Zunahme am
Schädel von 24 cm. Länge, dessen Jochbögen stehen
13 cm. von einander und die Hirnkapsel hat beinahe
(nicht ganz) 11 cm. Breite. Hiermit harmonirt der Schädel
des ausgewachsenen Weibchens; derselbe ist 25 cm.
lang, seine Jochbogen haben 13 cm. Abstand und die
Hirnkapsel ist 11 cm. weit. Also das halbwüchsige Männchen
zeigt ziemlich genau den weiblichen Typus der
Schädelcapacitüt, ohne dass eine wesentliche Differenz in
Länge, Breite und Grösse der Gesichtsportion sich daneben
angeben lässt.
Von nun an bleibt der weibliche Schädel unverändert
stehen in seinen Hauptdimensionen, nur die äuseren
Knochenleisten des Hinterhaupts vergrössern sich etwas,
aber der männliche Schädel nimmt weiter zu in allen
seinen Dimensionen. So finde ich am Schädel des jungen
Männchens, das schon die lange Stirnenge und den beginnenden
hohen Occipitalkamm halb entwickelt hat, bei
einer Längenausdehnung von30 cm., den Abstand der
Jochbögen zu 15 cm. und die Breite der Hirnkapsel zwischen
den Schläfengruben umgeändert noch zu l ’lcm .
Der ganz alte Schädel von 34 cm. Länge hat dagegen
18 cm. Abstand zwischen den Jochbögen und gleichfalls
nur 11 cm. Weite der Hirnkapsel am hinteren Rande
der Schläfengruben. Der Fig. 2, Taf. V III, abgebiidete
etwas kleinere, abnorme Schädel eines vielleicht noch
etwas älteren Männchens ist.nur 32 cm. lang, aber seine
Jochbögen stehen 20 cm. von einander ab, während die
Weite der Hirnkapsel am Hinterrande 11 cm. nicht überschreitet.
Letztere Dimension scheint; hiernach für beide
Geschlechter im höheren Alter maassgebend zu sein, die
Weite der. Jochbögen aber, welche von der grösseren
oder geringeren Entwicklung der Muskulatur für den
Unterkiefer abhängt, manchen individuellen Verschie-;
denheiten zu unterliegen.
Es bleibt noch übrig vom Gebiss zu reden, wie es sich
bei beiden Geschlechtern im reifen Lebensalter darstellt;
doch w ill ich zuvor noch einige Angaben über die Verschiedenheit
des Occipitalkammes machen, um daran die
grossen individuellen Abweichungen am Schädel alter
Männchen zu besprechen, welche man lange Zeit ohne
Grund als spezifische Unterschiede betrachtet hat. E s leidet
schon von vornherein keinen Zweifel, dass ein Thier
m it einem so weiten Wohnungsbezirk auch grösser individueller
Mannigfaltigkeit unterliegen werde, und dass
IJU B A T A
zwei Individuen, deren eins von den Gallapagos-InsCln,
das andere von den hlas de los Lobos vor der L a Plata
Mündung herstammt, nicht ganz gleich sich ausnehmen
werden.
B l a ih v il l b hat das Skelett eines Männchens von der
Peruanischen Küste, also aus einer Gegend nahe denGalla-
pagos vorstellen lassen; sein Schädel liegt in der gelungenen
Abbildung auf PI. VI, der Gattung Phoca vor. Vergleicht
man diese Figuren mit der früheren von C ü v ie r
(Ois. foss. V. 7, pl. 18, f. 4) und meinen Figuren 1 -3 , so
zeigt sich die Gesichtsbildung als eine durchweg ähnliche
m it Fig 1. Auch die sonderbaren spitzen Höcker am
Anfänge der Hirnkapsel sind an diesen Schädeln, wenn
auch nicht ganz gleichförmig, doch ähnlich vorhanden.
Auffallend wird nur der Unterschied in der Form undRich-
tung des Occipitalkammes, Welcher entschieden schmäler
ist als in meiner Figur, und eine sehr rauhe zackige
Beschaffenheit zeigt. Doch kann dieser Unterschied nur
als ein individueller betrachtet werden, wenn man meinen
anderen Schädel der Fig. 2 in Betracht z ie h t; man
sieht alsdann, dass der Occipitalkamm nach zwei verschiedenen
Richtungen hin sich gestaltet, nämlich entweder
in die Höhe, oder in die Breite. Geht dieser Kamm
in seiner Entwickelung mehr nach oben, so bleibt er
schmäler und scharfkantiger; doch dehnt er sich mehr
nach beiden Seiten hin aus, so ist er am Rande flacher und
wagrechter gestellt(*). Letztere Form bat meine F igur 1,
und daher erscheint dieser Schädel in der Seitenansicht
Fig. 3, nach hinten niedriger, als z. B. der Schädel, den
P eteu s unter dem Namen von Olaria Godcffroyi abgebildet
hat. (Monalsber. d. K. Acad. z. Berlin. 1866. Mai. Taf. 7),
welcher Schädel m ehr zur Form des Hinterhaupts meiner
Fig. 2 hinneigt, während B la isv ille ’s F igur sich durch
die Breite des Kammrandes an Fig. 1. anreiht und daher
in der Seitenansicht niedriger ist. Auch die 2 Bilder von
alten Schädeln in M u iu e ’s Abhandlung Pl. 77, Fig. 18-21,
stellen sich als solche zwiefache Nebenformen dar; Fig.
2 0 -2 1 hat den schmäleren Kamm, Fig. 18 und 19 den
breiteren; Fig. 19 zeigt die reguläre Entwickelung der
breiten abgerundeten Superciliarplatten meiner Fig. 1
und Fig. 21 die irreguläre, spitzige Form meiner Fig. 2,
in ganz gleicher Vereinigung beider Modificationen des
Occipitalkamms der dort wagrechten breiten, hier hohen
und schmalen Crista bccipilalis. Auch die Unterkiefer m achen
correspondirende Modifikationen durch ; in .^meiner
Fig. 3 ist derselbe länger, gestreckter, wie er in Fig. 18
bei Muuib erscheint; in den Figuren von B lairv illb ,
P e t e r s und Murib F ig. 20, finde ich ihn kürzer und
mehr gekrümmt. Die Kinnnaht stellen B l a in v il l e ’s und
M u r ib ’s F igur 18 stark gebogen d a r; in ' meiner Figur,
und der ähnlichen in C u v ie r ’s Osscm. foss., V. 1-, pl.
XV111, fig. 4, gleich wie bei P e t e r s und M u r ie Fig. 20,
ist diese Kaute gradlinigt und höher. Also ergiebt sich
aus allen diesen bildlichen Darstellungen, dass die individuellen
Verschiedenheiten der A rt sehr gross sind.
Am sonderbarsten scheint mir die auffallende Asymf)
Der Occipilulknnim des Originals von Fig. 1 ¡81*17,0 cm. breit, und
10 cm. hoch: der meiner Fig. 3 hat nur 14 cm. Breite und ebenfalls 1 0 cm.
H ö he:
d
1. OTARIA JUBATA
metrie und die spitzige Gestalt der Supcrciliarplatten zu
sein ; sie w ar mir gleich anfangs, wie ioh den Schädel
erhielt, merkwürdig und selyneb ich darüber anProfessor
P e t e r s , bei Gelegenheit einer Anfrage desselben (vergl.
Monalsber. d. K Acad. z. Berlin, 1868 Mürz, Seile 181).
Ich sehe nun aus M u r ie ’s F igur 2 l , dass diese Asymmetrie
öfters vorzukommen scheint, also nicht eine so sonderbare
Anomalie vorstellt, wie ich früher annahm. Die
individuellen Unterschiede werden auch an dieser Stelle
sehr beträchtlich sein.
Vom weiblichen Schädel lag bis her nur e in e gute
Abbildung vor, die von P e t e r s besorgte der Olaria Ulloae
T sc h u d i’s , welche nichts anderes als die normale weibliche
Form des Seelöwen ist, in den Monalsber. d. K. Acad. z.
Berlin, ti. 1866 zu S. 667; sie stellt das jugendliche Alter
noch ohne Occipitalkamm vor und ähneltsehr dem Schädel
eines jungen Männchens. Die frühere von D’A c t o s
in dessen Vergl. Osteologie etc. war zu klein, um die A rt
sicher darin zu erkennen. M u r ib h at dann, 1874, einen
etwas älteren Schädel a. a. o. Pl. 77, Fig. 16 u. 17 abbilden
lassen, und ich gebe jetzt die dritte Figur, P l. V III,
Fig. 4-6 aus derselben Lebenszeit, in welcher der Occipitalkamm
etwa seine halbe normale Höhe erreicht hat.
Ein zweiter, weiblicher Schädel unserer Sammlung von
höherem A lter ist etwas grösser, m it mehr nach vorn vorgerücktem,
höheren Occipitalkamm, aber sonst ohne
Unterschiede. Ich muss darum wiederholen, was ich
schon in meiner ersten Mittheilung an Prof. P e t e r s gesagt
habe, Monatsb. d. K. Acad. z. Berlin, 1868. S. 182,
dass die Schädel der Weibchen eine viel grössere Übereinstimmung
an den T ag legen, als die männlichen Schädel,
deren individuellen Modificationen je nach A lter und
Heimath sehr gross sind. Alle die zahlreichen, bisher
nach männlichen Schädeln aufgestellten Arten, wie Otaria
Byronia B l a in v il l e ’s , 0. Godeffroyi von P e t e r s , 0. molos-
sina L e s s o n ’s und 0. plalyrhynchus M ü l l e r ’s , 0. chilcmis
inWiEGMANs’s Archiv sind auf solche individuelle Abweichungen
gegründet und gehören unzweifelhaft zu einer
und derselben Spezies.
Ich gehe jetzt zur Beschreibung des bleibenden Gebisses
Uber, nachdem das Milchgebiss früher geschildert
worden,
Der Seelöwe hat se c h s Schneidezähne im Oberkiefer
und v i e r im Unterkiefer, e in e n Eckzahn an jeder
Seite in jedem Kiefer, und s e c h s Backzähne jederseits
im Oberkiefer, aber nur f ü n f im Unterkiefer.
Die S c h n e id e z ä h n e sind von ungleicher Grösse und
Form , die mittleren haben eine gabelförmig getheilte
Krone, die äusseren eine einfache konische; letztere sind
etwas grösser, d. h. dicker und höher, als die mittleren
und ähneln in ihrer Form ganz den Eckzähnen, stehen
aber denselben an Grösse nach. Dächer sagte F ö r s t e r ,
der erste Beobachter des Gebisses, der Seelöwe habe
z w e i Eckzähne an jeder Seile in jedem Kiefer, einen
grösseren äusseren und einen kleineren inneren. Auch
die vier m ittleren, oberen Schneidezähne m it gespaltener
Krone sind etwas ungleich, d. h. die mittelsten ein wenig
kleiner, als die beiden ähnlichen Zähne auswärts neben
ihnen. Im Unterkiefer finden sich nur z w e i gespaltene
Schneizähne, welche an Grösse die äuseren des Oberkiefers
ein wenig übertreffen, namentlich noch etwas dicker
sind, d. h. fast kreisrund oylindrisch, während die vier
oberen eine elliptisch cylindrische Form haben, indem
sie von den Seiten her zusammengedrttckt erscheinen.
Die Spaltung der Krone ist an den oberen transversal, an
den unteren longitudinal.Mit zunehmenden A lter werden
die Kronen der Schneidezähne abgenutzt, und enden als
dann stum pf m it ebener, glatter Kaufläohe. Ihre Wurzel
verdickt'sich m it der Zeit beträchtich, doch niemals die
Krone, vielmehr zeigt der Zahn dicht unter der Krone
eine ringförmige Eischnürung, welche ihm, neben der
sehr dicken Wurzel, ein sonderbares Ansehengiebt. In
dieser Form ähneln die Schneidezähne dem von G e r v a is
besprochenen Zahn, worauf er seine Gattung llophcelus
gründete (Zool. § Palaeont. gönir. pl. 20, fig. 10) (*); zumal
der grosse äussere obere Schneidezahn mit einfacher
Krone zeigt an einem mir vorliegenden Schädel des alten
Tfiieres ganz ebensolche abnorme Form.
Meine F igur 13 A. stellt die rechte Hälfte der Schnei-
dezähne beider Kiefer m it dem Ecltzahn in natürlicher
Grösse dar, genommen von dem Schädel des jungen
Männchen, der Fig. 7 -9 in | der natürlichen Grösse ab-
gebiidet ist, daher die Eckzähne erst ihre halbe wahre
Höhe erreich t haben. Aber der neben dem oberen Eckzahn
stehende äussere konische Schneidezahn hat seine
normale Grösse schon angenommen, selbst der neben
ihm sichtbare untere äussere Schneidezahn ist an der
Spitze bereits etwas abgelcaut, und mehr noch der andere
untere Schneidezahn neben ihm. Die beiden mittleren
oberen Schneidezähne sind noch nicht abgenutzt ; man
sieht am mittelsten die beiden Zacken der gespal tenen
Krone, während am Zahn neben ihm die innere Zacke
der Krone hinter dem unteren Schneidezahn sich versteckt,
also nicht gesehen werden kann. In Fig. 13 B,
sind die genannten 4 oberen Zähne von der Seite dargestellt,
wobei die kaum halbe Entwickelung des Eckzahnes
zu erkennen giebt, dass die Basis der Krone noch
nicht aus der Alveole hervorgetreten ist, wie es der entsprechende
Zahn des alten Männchens (Fig. 3) mit voller
Entwickelung zur Anschauung bringt. Zu meinem Bed
auernm uss ich die Zeichnung des Eckzahns in Fig. 9
rügen, welche vom Lithographen fälschlich so ausge-
ftthrt ist, als ob die Basis der Krone eben so frei liege wie
die des äusseren Zahns. Richtig ist nur Fig. 13 13; die
andere F igur ist eine Pfantasie des Zeichners, den ich
leider nicht bei seiner Arbeit controlliren konnte, weil er
2000Meilen von mir in Berlin arbeitete.
Die se c h s obern Backzähne sind nicht ganz gleich in
ihrer Ausführung, wohl aber von ähnlicher Anlage. Jeder
von ihnen hat eine spitzkonische, m it leichter Kante
am Vorder- und Hinterrande versehene Krone, deren
Basis sich besonders an der Innenseite kranzartig zu einen
cingulvm erhebt, und daran vorn wie hinten, m it je
einer, also zwei konischen aber niedrigeren Nebenzacken
versehen ist. Die vordere, etwas grössere Nebenzacke ist
m ehr nach innen, gegen die Mundhöhle gewendet, die
(*) Ich glaube dass Giedbl Rechl hat. \
entstellten BSrcn-Eckzahn darstellt.
E
PLANCHES
BUENOS AIRES
T E X T E D E L ’IM P R IM E R I E D E P A U L -É M IL E C O N I, R U E A L S IN A
P A R IS I H A Ï.L E