E i n l e i t u n g
■• Die erste zoologische Unternehmung meiner Jugend
3^3 w ar auf die Besichtigung eines F in n fisc h e s gerichtet,
. I v der im April des Jahres 1825 an der W estküste der In-
sel ßlio-cu, in der Nähe des*Dorfes L iesch o w (unter 54°
.V .% 6' 36-. N. Br. und 30« 50' 0 . L. *von Ferro) auf den
• Strand gerieth. Wie die Kunde dieses Ereignisses nach
meiner Vaterstadt Stralsund gelangte, machte ich mich
' luj.(. ein p aar Bürgern, die merkantiler Gewinn trieb (der
■ eine w ar ein Regenschirmfabrikant, welcher auf die Bar5
: ' tcn speculirte) im leichten Segelboot auf den Weg, um
die etwa 2 deutsche Meilen von Stralsund entfernte
Stätte, wo der Fisch am Ufer lag, möglichst schnell zu
erreichen; aber der heftige Nord-West Wind, der bald
H sturmartig zunahm, nöthigte uns, bei der Alten Fähre
^ B auf Rügen anzulegen und den Weg nach L ie s c h o w zu
H Lande im Wagen zu machen. Gegen Abend waren w ir
^ B zur Stelle, sahen aber den Fisch nicht; die hochgehende
§8® See und der Regen verdeckten ihn noch am anderen
yj?j Morgen unseren Blicken und ich konnte nichts weiter
■ v0ll ¿ em Thier untersuchen als die abgeschnittenen
Schwanzflossen nebst ein Paar llaujtstücken, welche die
■ Fischer als Trophäen ihres Fanges nach Hause gebracht
■ hatten. Davon erhielt ich einige Schnitte, welche ich
sorgfalltig aufbewahrt und schliesslich in der Sammlung
,$f der Universität Halle deponirt habe. Auch w urde mir
in einem Topf der bereits herausgeschnittene Penis ge-
zeigt, dessen Länge ich aus der Erinnerung, auf etwa 2
B Fuss angeben kann, bei 2 -Zoll Dicke am Ende und 3 Zoll
■ an der Basis.
I Nach vier Tagen kam der Fisch, welchen der Magi-
■ strat von Stralsund als sein Eigenthum ansprach, weil
■ er auf städtischem Grund und Boden gestrandet war,
■ nach der S tadt; er wurde hier dem schaulustigen Publi-
■ kum einen Tag zur Besichtigung ausgestellt und dann
I nach Greifswald gebracht, um ihn als Geschenk des
I Stralsunder Magistrats dem Universitäts-Museum einzu-
■ verleiben. Bei dieser Ausstellung konnte ich das Thier
■ genau betrachten, es lag zwischen zwei grosföen Segelboo-
■ ten aufgehängt im Niveau des Wassers, die fast rein
B weisse Bauchseite m it den tiefen Längsfurchen bis zum
■ Nabel nach oben gewendet, den dunkelschiefergrauen
B Rücken nach unten; seine lang spindelförmige Gestalt
B steht mir noch deutlich vor Augen, sie zeigte m it Sicherheit
den mir aus Abbildungen (*) wohl bekannten Finn-
iisch an, obgleich die nach unten gewendete Rückenflosse
nicht sichtbar w ar. Das Maul klaffte und daraus hing
ein grösser im Wasser flottirender Sack herab, der eine
weissliche aber etwas getrübte Farbe hatte und wohl
die herausgetretene Zunge w ar, weil dies Organ sich
seines lockeren Gewebes halber in Folge der Fäulniss
ballonartig auszudehnen pflegt. Mehr liess sich am Ca-
daver nicht w ahrnehm en; die Brustflossen waren bereits
abgeschnitten.
Wie' ich zu Michaelis desselben Jahres die Universität
Greifswald bezog, w ar das inzwischen gereinigte Skelet
des Thieres meine beständige Augenweide; es lag noch
auseinander genommen auf dem Anatomiehofe hinter
dem Universitätsgebäude, um zu bleichen, denn fortwährend
quoll T hran aus dem schwammigen Gewebe
der Knochen. So sah ich es täglich und machte daran
meine Studien. Da es einem noch jungen Thiere angehörte,
so waren die sümmtlieken Epiphysen der Wirbel
vom Körper getrennt; ein Umstand der meine besondere
Aufmerksamkeit erregte. Ich glaubte, weil ich später
dieselbe Eigenschaft an dem im Meckelsclien Museum
zu Halle aufgestellten Skelet des V naneviiai» (Balae-
noptera rostrata 0 . F a b r .), gleichfalls von einem sehr
jungen Thiere herstammend, wiederfand, dass dieselbe
für ein besonderes Zeichen des Cetaceenskelets anzusprechen
sei, sie für lebenslänglich bleibend ansehend.
E rst viel später erkannte iüli an den Skeleten ganz alter
Thiere zu Berlin, im Jahre 1849, dass die Epiphysen
auch bei den Cetaceen zwar spät, aber doch im höheren
Lebensalter innig m it dem Wirbelkörper sich verbinden.
Hierüber hat neuerdings W . H. Fco w er seine interessanten
Beobachtungen bekannt gemacht. (Proceed. Zool.
Society, 1864, pag. 384 flg.)
D er Greifswalder Finnfisoh, wie er nach seinem gegenwärtigen
Standorte heissen mag, ist von meinen damali-
(*) Ich besass als Knabe einen dicken Bond in Quart mil Abbildungen
nach Bui'pon fast aller Süugethiero, welcher in Düsseldorf bei Arnz u. C*,
1821 erschienen ist. Darin w ar dieser Finnflsch Taf. LXXX. Fig. 2 nach der
ersten fehlerhaften Figur ohne Bnuchfurclicn dargestellt und als Jlalacnu
physahis beschrieben. Gute Abbildungen mit Bauclifurchcn hatte man da-
I mals noch nicht.
BUENOS AIRES
T E X T E D E L’ IM P R IM E R IE D E P A U L -É M IL E C O N I, R U E A L S IN A , i
PARIS I HAÎ.LE