D i e B a r t
Da cs mir vergönnt w ar, die vollständigen Barten von
beiden Seiten der Mundhöhle unversehrt zu bekommen,
so kann ich von deren eigenthämlicher Beschaffenheit
dies Mal bessere Nachricht geben, als von den Barten
der beiden anderen Species, die ich nur unvollständig
erhielt.
Die allgemeine Beschaffenheit ist bei allen drei Species
dieselbe; jede Bartengruppe besteht aus einer Reihe
gröss’erer dreiseitiger Hornplatten auf der äusseren, dem
Mundrande zugewendeten Seite, womit an der entgegengesetzten,
der freien und nackten Mittelfläche des
Gaumens zugekehrten Seite mehrere (3 -4 ) Reihen ähnlicher
aber viel kleinerer Platten verbunden sind. An
dem inneren, gegen die Mundhöhle gewendeten längsten
Rande ist jede P latte in Fasern aufgelöst, an dem äusseren,
nur wenig kürzeren dagegen scharfkantig und glatt;
mit' der dritten kürzesten Seite des Dreiecks sitzt sie am
Boden des Mundes, unter der Innenseite der Oberkieferplatte,
von einem zähen elastischen Gewebe festgehalten,
das ihre Unterlage bildet. Jede H ornplatte der Barten
spaltet sich am Grunde, m it dem sie aufsitzt, in zwei
B lätter, deren Lücke in die Hornsubstanz hineinsteigt.
Letztere ist fortan nicht solide Hornsubstanz, sondern
es laufen in ihr feine Röhren gradlinigt, dem Aussen-
rande parallel, bis zum inneren freien Rande hinab und
diese Röhrchen gehen in die Basis der Fasern des inneren
Randes über, so dass jeder Faser ein Röhrchen
in der Hornsubstanz entspricht. Die Fasern sind also.
ursprünglich hohl, werden aber gegen ih r Ende hin feiner
und zuletzt ganz solide Fäden. Auf dem Querschnitt
der H ornplatten sieht man die Umrisse der Fasern als
K reise; viele davon sind schon solide, ausgefüllte Horn-
cylinder; andere erscheinen noch höhl, m it offenem Lu-
Die Basis der Hornplatten umgiebt 2 -4 Zoll breit ein
weiches, faseriges, elastisches Gewebe von rein weisser
Farbe, was anfangs dick ist, indem es die Zwischenräume
der Platten ganz ausfüllt, nach und nach aber in
eine klare, feine H aut übergeht, welche sich über die
Oberfläche der Platten fortsetzt. Am freien äusseren Rande
der Platten dehnt sich dieses Gewebe in . einen breiten,
derben Hautsaum aus, der neben dem Rande über die
Basis der Platten herabhängt und sie wie ein 1 -2 Zoll
(3-5 cm.) breites Band umgiebt. Man kann dies Gewebe
m it dem Zahnfleisch, w as die Zahnkrone umschliesst,
vergleichen, wie ich das schon früher S. 4. gethan habe.
Eine gleich derbe Fortsetzung des Bandes umgiebt auch
die beiden Ränder der gespaltenen Basis der Platten, und
m ittelst dieses werden die neben einander liegenden
Wände derselben als Ganzes zusammengehalten.
Ein anderes, aber ähnlich beschaffenes, m ehr pulpöses
Gewebe, steigt von der Fläche, w orauf die Barten ruhen,
in die Lücken zwischen den beiden Blättern jeder Platte
abw ärts, und dringt m it seinen Fortsätzen selbst in die
Lumina der Röhren ein, welche die Hornfasern durch-
ziehn., Dies Gewebe ist die M a tr ix für die Hornsubstanz
der Bartenplatten, aus der sie sich gebildet hat,
und durch die sie von unten her ergänzt w ird, bis die B arten
ihre ganze Ausbildung erhalten haben»; es verhält I
sich zu ihnen, wie die Haarpapille zur Haarzwiebel— I
Nim mt man ein Stück einer Bartengruppe heraus, und I
betrachtet es von der Fläche, m it welcher er auf der I
Knochenplatte des Oberkiefers ruht, so sieht man daranf I
ebenso viele, und ebenso geformte Lücken, wie Barten- %
platten, oder Bartenbüschel und Pinsel, in welche Lfl- 9
cken sich die Fortsetzungen der hier beschriebenen Ma- ¡j
trix der Barten begeben, und erkennt daraus auf’s deul- I
liebste die Zusammensetzung der ganzen Bartengruppe I
aus einer Vielheit ähnlicher, nur im Ansehn verschie- I
dener Form-Elemente, die hier weiter im Einzelnen zu I
beschreiben der Zweck dieser Mittheilungen mir nicht I
gestattet.
Was nun die besondere Beschaffenheit der Barten der I
Balaenoptera intermedia betrifft, so zeigen dieselben aller- I
dings einige Eigenthümlichkeiten in Form, Anzahl und I
Farbe der Platten oder übrigen Elemente, woraus die I
ganzen Barten bestehen. Die Anzahl der Platten ist sehr I
gross, grösser als die jener beiden früheren Arten ; da I
sich aber diese Platten am hinteren Ende in eine grössere I
Menge isolirter Büschel auflösen, so hält es schwör, diè I
wirkliche Menge der Platten sicher anzugeben. Ich I
musste darum auf eine genaue Zählung Verzicht leisten, I
m it einer Schätzung mich begnügend, die dahin geht, |
dass die Zahl der grösseren Platten in der äusseren Wand J
jeder Bartengruppe auf mehr als 300, etw a 350, angesetzt I
werden kann.
Vergleicht man die grössten P latten dieser Aussen- I
reihe m it den correspondirenden der vorigen A rt, so I
findet sich, dass letztere bèi gleicher Länge absolut
schmäler sind, die Bartengruppe also enger sich aus- I
nimmt, und scheinbar tiefer im Munde herabhängt. Ich
finde die grössten Platten von Balaenoptera palachonica
60 cm. lang und 15 cm. an der schmalen Basis breit ; dagegen
h at die jetzige B. intermedia 60 cm. lange, und 24 !
cm. an der Basis breite Platten an der entsprechenden
Stelle des Mundes. Die ganze Bartengruppe ist also j
breiter, hängt aber nicht tiefer in die Mundhöhle her- •
unter. W ir besitzen im Museum, ausser den Platten der
vollständigen Barten, noch einige Platten eines viel ;
grösseren, wohl ganz alten Individuums, welche SO cm. !
lang und 28 cm. an der B asis'breit sind, w as ein ganz
gleiches Verliältniss der Höhe und Breite ergiebt.
Hierzu kommt ein scharfer Unterschied der Farbe;
alle Platten der ganzen Gruppe sind bei B. intermedia
rein schwarz, ohne die geringste Differenz der Farbe am
Aussen-, wie am Innenrande, sowohl im hohen, als auch
im jugendlichen Alter.
Endlich die Form der ganzen Bartengruppe jeder
Seite ist auch eine eigenthümliche.
Nach den Abbildungen von R a v in (Ann. d. sc. nul. Zool.
II. Ser. tome V.pl. 11, Fig. 4), womit die Zeichnung von
F low e r (Proc. Zool- Soc. 1869 pi. XLVII fig. 2) ziemlich
g ut übereinstimmt, beginnt die Bartengruppe von B.
physalns vorn m it einem sehr schmalen Anfänge enger
P latten und endet hinten am Gaumen m it einer kurzen
Spitze, welche m it der Gruppe der ändern Seite
in der Mittellinie des Gaumens zusammentrifft, sich in
dieser hintersten P artie in eine Menge kleiner pinsel-
3 . BALAENOPTERA IN TERMED I
lose, welche
gemacht hat.
fionaerensts, noch -"Bartengruppe erhavl oenn habPe so K m^ich hdiallrtüebrcenr
nicht m it Bestimmtheit äusse , 13) geschU_
Ende gestaltet sind; aas o ß pa[achonica ist
M erte vordere Ende dei B R un(l mag ihm
kürzer als das Bild desselben 7 das’ganze vorhan-
K;H R 9
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lraanndnee uunndu ssppuä. ter an beiden.„ R„ä„nedheer«n., Dsoa sd aäsuss dseiers htein ltuenr - ■sten P■latten ■schiefe rufdarbbeikg aanunsst;e n«e« . .d . b» ob * «
g cgM iab c. stä u lsM i JiaA nnlos.c.lcsbnuc.5 bei
J intemedia und auf F l o w e r s Bemeikung t - - -
Seile 606) dass auch bei B. physalus der Aussemand der
l£ -tc n am Hinterende 18 Zoll breit mit Borsten, ähnlich
denen des Innenrandes, besetzt sei,
f e e iß . intemedia, deren ganze Bartengruppe etwa b
•fuss (beinahe 2 Meter) lang ist, beginnt das Vorderende
S itz und niedrig, ohne in die lange, schmale Anfangs-
streoke überzugehen, welche R a v ,x von ß . physalns dai-
'igesteilt hat. Die äusseren B artenplatten ^ « d e n schnell
-höher und breiter, sie erreichen allmälig, bis zui Mitte
I r Gruppe, die vorher angegebenen Dimensionen wel-
l c sie auf eine Strecke von ziemlich zwei Fuss Länge
« h a l t e n . Von da, etwa auf 4 Fuss der ganzen Länge,
§ l||rd e n sie wieder niedriger und schmäler und zwar
Ih n e lle r als ihre Zunahme am vorderen Ende beträgt;
file tz t gehen sie, auf etwa l Fuss Länge vom Ende der
Iruppe, in einen dichten Rasen kleiner Büschel über, die
¡E n Aussen nach Innen immer niedriger und schmäler
werden, so dass sie bald einem Malerpinsel für Wasser-
Srben ganz ähnlich sehen. — Hiermit endet die ganze
Birtengruppe in eine breite, schief abgeschnittene Spitze
Ihne mit der der ändern Seite zusamipenzustossen; beide
■bleiben durch eine Lücke getrennt. Die Pinsel stehen in
;|em rasenförmigen Endtheil der Barten in ebenso regel-
.. .¿massigen Querreihen, wie in dem vorderen, aus Platten
gebildeten Abschnitt und zw ar so, dass grössere, dickere
und höhere Pinsel den Aussenvand der Rasenfläche ein-
■nehmen, und jeder nach innen darauffolgende Pinsel
■¿etwas kleiner, niedriger und dünner ist. So finde ich z.
¡B. an dem mir vorliegenden Stück aus der Mitte dieser
Portion der Barten die grössten Pinsel 15 cm. hoch, wo-
¿■ou dar Stiel 6 cm. wegnimmt, der Haarbüschel 9 cm.
^¡Dagegen sind die kleinsten Pinsel des Innenrandes nur
fern , hoch, und ihr Stiel 1 -1 Jcm . Zwischen beiden
: Sprössen liegen alle möglichen Stufen, denn es folgen
f lf r o h l 20-25 Pinsel in der Reihe, m it alternirender Stellung
der Pinsel der Reihen zueinander, und da die Pinsel
H s ans äusserste Ende der dort abgestutzten, frei enden-
M e n Bartengruppe immer kleiner und zahlreicher w er-
S l e n , so ist die Anzahl solcher Pinsel eine w ahrhaft end-
E s bleibt noch zu erwähnen, dass die Stiele der Pinsel
ebenso, wie die Basis der Hornplatten der Barten am
Anfänge, gegen die sie tragende Unterlage am Kieferknochen
offen und bis zu den Borsten des Pinsels hinab
hohl sind, indem das weiche pulpöse Gewebe der Matrix
in die Höhlungen der Pinsel ebenso wie in die Platten
hineinsteigt, ja sogar in die Borsten oder Pinsel übergeht,
als deren Matrix sich dadurch zu erkennen gebend.
Selbst bis zur halben Höhe steigt diese Substanz in den
Höhlen der Platten duroh die Borsten hinauf, so dass
jede P latte in der T h at als aus den verwachsenen Borsten
gebildet und entstanden angesehen werden muss, indem
ein festes, sie umhüllendes Hornblatt die Borsten zu
einem Ganzen verbindet.
S k e l e t
Beschreibung und Abbildungen desselben bezieher i sich
auf das männliche Geschlecht, denn nur von dem zweiten
der beiden erwähnten Exemplare konnte ich das Skelet
untersuchen und aufbewahren. Ich beschreibe dasselbe
Übrigens nicht so weit im Einzelnen, wie das der beiden
vorigen Arten, sondern beschränke mich auf eine vergleichende
Betrachtung,; zur Feststellung der Art-U nterschDieedr
e.S c h ä d e l (Taf. II. Fig. 2 in & der natürlichen
Grösse dargestellt) ist nur wenig länger, aber relativ
etwas breiter, ■ als der Schädel von Bai. palachonica, und
unterscheidet sich von diesem auf den ersten Blick durch
die starke Krümmung zu einem Bogen der vorderen P artie
des Aussenrandes der Oberkieferbeine, während die
hinterste P artie dieses Randes gerade ist und demselben
Stück des Randes der anderen Seite ziemlich parallel
läuft; nicht aber, wie bei ß. palachonica, ebenfalls nach
hinten divergirt. Ich finde die beträchtliche Breitendifferenz
besonders in der erhöhten mittleren Stirngegend
ausgesprochen; denn die misst bei B.inlennedia 52 cm.
und bei ß. palachonica kaum 42; während die Breite der
O rbitalplatte jener A rt bis auf 60 cm. ansteigt und bei
dieser nur auf 50 cm. sich beläuft. In der Länge m isst der
Schädel von ß . palachonica 122 Zoll (310 cm.) und der $on
ß. intemedia 1^8 (325 cm .); stellt man dagegen die Breite
der beiden Schädel zwischen den Örbitalrändern neben
einander, so erhält man für B. palachonica 140 cm. und für
ß. intemedia 170 cm. W äre der Schädel dieser A rt nur
ebenso breit, wie der jener, so müsste die etwas grössere
Länge demselben nicht ganz 150, oder genau genommen
nur 149(5, Breite geben, während er in der T h at 170 cm.
Breite hat, also relativ viel breiter ist, als jener. Ich
setze, zur weiteren Vergleichung der Dimensionsverhältnisse
die nachstehenden Maassabnahmen her.
Ganze Länge des Schädels an der Basis. 128
Grösste Breite zwischen den Orbital-
325
Breite des S tirnhöckers über den Orbitalplatten...........................................................
Breite der Scheitelfläche zwischen den
Schläfengruben.......................................... 39
PLANCHES
BUENOS AIRES
T E X T E D E L’ IM P R IM E R IE D E P A U L -É M IL E C O N I, R U E A L S IN A , 6 0
PARIS I HAÏ.LE
JS\ S A V V I B I > - A N T O N
E N C O M M IS S IO N