
Das Verfahren der Araber bei der Pferdezucht, dessen liier gedacht worden, kann
keineswegs für eine blofs zufällige Gewohnheit angesehen werden, die das Klima begünstigt,
die Natur dieser Thicre aber nicht rechtfertigt sondern solches mufs als das Resultat vielfältiger
Erfahrungen und Beobachtungen erkannt werden. Der Araber, der, was seine eigene
Familie betrifft, sich mit der Ueberzeugung begnügt, dafs er von Ismael abstammt, und
nur selten seinen Großvater zu nennen weifs, so sorgfältig er die Ahnen seiner Pferde zu
erhalten beBissen ist,') erkennt in der Vollkommenheit derselben nur die ungestörte Harmonie
ihrer Natur.
Diejenigen Reisenden, welche sicli bei den Arabern aufgehalten haben und der Sprache
machtig waren, erwähnen ihrer Talente zur Poesie und andern Wissenschaften mit grüfstem
Lobe. Die Beduinen, welche vorzüglich die Pferdezucht treiben, halten die Einsamkeit
und die Freiheit für ihr höchstes Gut. Mit Verachtung der Reichthüiner und Wollüste beherrschen
sie auch alle andern Leidenschaften, und widmen sich einzig dem Nachdenken,
worinne sie nichts stört. Ulit bewundernswürdigem Scharfsinn werden ihnen öfters die gewöhnlichsten
Erscheinungen ein Gegenstand besonderer Betrachtung. Und wie der ewig heitere
Himmel in dem Thcil von Arabien, der ehemals Chaldäa genannt wurde, eine besondere
Neigung zur Sternkunde hervorgebracht hat: so mußten auch die Beduinen, durch die
Gemeinschaft, in der mit ihren Pferden leben, sich zu vorzüglichen Naturforschern dieser
Thiere eignen. Mit den Pferden sind denn alle Beobachtungen auf ihre Erben übergegangen
, woraus ein, auf tausendjährige Erfahrung gegründetes, Verfahren entstanden ist,
dem die Nachkommen mit unwandelbarer Treue anhängen.
Auch wurde nicht blofs während der Herrschaft der Perser über Syrien und Aegypten
in diesen Ländern die Pferdezucht im Grofsen getrieben, indem Kyrus nach der ersten Einnahme
von Babylon, allein in dieser Satrapie, aufser den Kavallerie - Pferden, noch eine
eigne Zucht hielt, die aus goo Beschälern und 16,000 Mutterpferden bestand; so dafs, nach
Herodots") Bericht, jedem Hengst 20 Stuten zum Belegen zugetheilt wurden. Woraus sich
ergiebt, dafs dieses Land von den Persern zur Pferdezucht ihrem eigenen vorgezogen wurde.
Auch weiden noch jetzt in der, durch Alexanders Sieg berühmten, Ebene von Arbela zahllose
Hcerden, von welchen in den Kriegen des Nadir Schach allein aus dieser Gegend zu
verschiedenen malen 60,000 Pferde nach Pcrsien geliefert wurden, da dort durch die Verheerungen
dieses Eroberers die ganze Pferdezucht aufhörte.''")
'•") Oders Reiten nach Peraien.
Von der Zucht der Pfe r de.
Welche Abgeschmacktheiten auch der Aberglaube in das Verfahren der Araber gebracht
hat so ist dasselbe doch in den wichtigsten Eigenschaften den Gesetzen der Natur gemäß,
nach welchen sich diese Thiere, wenn sie einer vollkommenen Freiheit geniefsen, allein
fortpflanzen und erhalten. Und obschon die wilden Pferde in Europa wie im Amerika früher
oder später nur von zahmen Pferden abstammen, so hat sich ihr Instinkt doch wieder zu
jener ursprünglichen Reinheit ausgebildet, dafs demselben kein Vortheil entgeht, den die
Umstände, unter denen es ihnen zu leben erlaubt ist, darbieten.
In den wilden Gestüten weiden die Ffcrde in geselligen Heelden unter der Anführung
des stärksten und muthigsten Hengstes. Die Lebensweise, die Nahrung dieser Thicre ist
immer ihrer Konstitution, ihrem augenblicklichen Befinden angemessen; sie suchen bald die
Höhen, bald die Thäler; bald ernähren sie sich mit Kräutern, bald mit Wurzeln, mit
Laub oder Baumrinde; jede Krankheit, jede Verstimmung der Organe hat ihre angemessenen
Heilmittel, die sie selbst zu wählen .verstehen. Will man dieses Vermögen der Thiere
nicht Vernunft oder Verstand heifsen, sagt Plutarch,*) so sehe man sich nach einem noch
schönem Namen 11m; denn sie zeigen durch wirkliche Handlungen eine höhere und mehr
zu bewundernde Kraft, die sich selbst unterrichtet, und zur Vollkommenheit dieser Eigenschaft
nicht der Klugheit und Erfahrung anderer bedarf. Was man von den Aegyptern sagt,
dafs dort alle Menschen Aerzte sind, könnte man mit gröfserm Recht von den Thieren sagen:
diese verstehen nicht nur die Heilkunst, sondern auch die Kunst sich zu erhalten
und zu vertheidigen. Wollte man aber sagen, dafs die Natur allein die Lehrmeisterin
dieser Künste sey, so gilt diefs auch von dem Ursprung des menschlichen Verstandes.
Den Haussieren, die ihre eigenen Geisteskräfte zu gebrauchen verlernt haben , wird
die Freiheit öfters gefährlich; die wilden Pferde warnt ein inneres Gefühl vor schädlichen
Pflanzen, vor Abgründen und vor ihren Feinden. Die Art, sich zu ernähren, ist sowohl
nach den Tages - als nach den Jahreszeiten, und nach dem Alter dieser Thiere verschieden.
Wenn am Tage das verschiedene Bedürfnifs die Heerde zerstreut, und die einen süfse, die andern
bittere und sauere Pflanzen suchen: so vereiniget sie die Nacht mit ihren Gefahren; in vereinten
Hcerden durchziehen sie dann die Fluren, und suchen bald im Freien, bald im Dunkel
der Wälder Schutz gegen den sich nahenden Feind. Muthschnaubend und mit aufgeworfenem
Schweife umkreist der Hengst die Heerde, um die Gefahr auszuspähen; und wenn Bleiben
ihm gefährlich scheint, dann ergreifen sie auf sein Wiehern die Flucht.
Einer vereinten Familie darf sich kein fremder Hengst anschliefsen; selbst die jungen
der Heerde angehörigen Hengste werden von dem Führer derselben, so lange seine Kräfte
sie übermannen, abgehalten und verdrängt, bis sie sich aus ihren verlaufenen Schwestern,
die von ihren Müttern eben so eifersüchtig bewacht werden, eine eigene Familie bilden.
Gleich den Stämmen der Beduinen in der Wüste, hat jede Heerde ihre eigenen Gegenden,
' die sie sich zueignet und gegen andere Heerden vertheidigt. Gemeiniglich haben auch
alle Glieder einer Familie gleiche Farbe und Eigenschaft, und nicht selten werden selbst
die Töchter und Söhne, die sich durch Farbe und Abzeichen von den andern unterscheiden
, so lange verfolgt, bis sie sich von der Heerde entfernen.
Der Heerdeführer, welches Vorrecht immer nur von dem Tüchtigsten behauptet wird,
belegt nicht blofs allein die Mütter und Töchter seines Stammes, sondern derselbe äufsert
auch meist eine Vorliebe für diejenigen Stuten, die ihm an Gestalt und Eigenschaft am ähnlichsten
sind; so dafs er öfteres solche ihm gleiche andern Heerden zu entführen und an
sich zu locken sucht. Von dieser Neigung und dem ¡nnern Trieb, sich in steter Gleichheit fortzupflanzen,
hat Wo Ist ein*) eine merkwürdige Begebenheit bekannt gemacht. In dem gröfsten
unter den wilden Gestüten in Ungarn (dem grällich Andrasischen) wurde ein Beschäler,
der eine Stute von einer fremden Familie bedeckte, von dem Hengst, dem diese Stute ange