von verschiedenem laxonomisehen Werthe Inn, welche fast ohne Ausnalime in melir oder weniger constanten
Form- Zahl- und Grössenverhältnissen der äussern Organe bestehen. Sowie bei den lebenden Arten vorzüglich
äussere Merkmale der physiologisch wichtigern Organe oder ihrer Theile zur Characteristik der Gattung und ihrer
Specios benutzt werden, wobei zu bemerken, dass dadurch nur eine Unterscheidung, nicht aber allseitige
Erkenntniss der ganzen Pflanze bezweckt wird, so ist auch bei Bestimmung der fossilen, vorzüglich nach den
nämlichen Theilen, mil fast ausschliesslicher Beachtung nur des Aeussern, die Entscheidung über ihren specifischen
Character gefällt worden. In welchem Zusammenhange stehen aber diese äussern, oft so allmälig in
einander Ubergehenden, die Grenzen der Speeles trübenden Merkmaie mit dem innern Bau-und Leben der bezüglichen
Organe, in wie weit sind erstere durch letztere bedingt und welchen Veränderungen sind auch diese in
Raum und Zeit unterworfen? — das sind Fragen, die gleichwohl jede voreilige Annahme über Unbeständigkeit
und Fortentwicklung der Speeles zurückweisend, sowohl bei dem grössten Theile der lebenden als auch bei noch
vielen vorwelllichen Pflanzenarten offen stehen. Es beruhen zwar die Haupteintheilungen des Planzenreichs auf
innern, Sti'uktur und Wachsthum entnommenen Merkmalen und werden stets anerkannt bleiben; eine weitere
Ueberh-agung dieses anatomisch-physiologischen Princips auf die lebenden Gattungen und Arten ist jedoch kaum
noch versucht worden.
Für die Unterscheidung der lebenden Pflanzen und ihre systematische Verkettung erschien bei der Fülle
anderer, vorzüglich aeusserer Merkmale eine specielle Erforschung ihrer innern Beschaffenlieit zunächst nicht
nothwendig, sie war bei dem Reichthum der täglich sich mehrenden neuen Speeles auch schwer ausführbar, und
bei dem bewunderungswürdigen Scharfbhck der ausgezeichneten Forscher nur seilen wünschenswerth ; für einen
grossen Theil der fossilen Pflanzen ist jedoch die anatomisch- mikroskopische Untersuchung nur noch die einzig
zulässige und daher wissenschaftlich gebotene. Es unterliegt dessen ungeachtet keinem Zweifel, dass zur volständigen
Kenntniss jeder Pflanze Beides, sowohl ihr morphologischer als anatomisch-physiologischer Character
gehört, und soweit auch bis jetzt die Wissenschaft von den Pflanzengestalten bei ihrer grosser Zahl nur mit Würdigung
des ersteren gediehen ist, so nahe liegt doch die Forderung auch den zweiten in Untersuchung zu
ziehen, vorzüghch den specifisohen anatomischen Unterschieden nachzuforschen, um zu erfahren, ob sie nicht
gestatten, wenn überhaupt allerwärts nachweisbar, den äussern, mehr wandelbaren Gestalten, als deren Träger
sie vielleicht nur bedingt anzusehen sind, eine grössere, aber doch begrenzte EntAvicklungsfäliigkeit zuzuerkennen
und die Beständigkeit der Art durch ein inneres Bildungsgesetz nachhaltiger zu begründen.
Ein inniger Zusammenhang zwischen den äussern Formen und innern Strukturverhältnissen der Gewächse,
selbst bis auf die Arten und ihre kleinsten Theile sich erstreckend, wird zwar schon von einigen Naturforschern
angenommen, wenngleich derselbe in grosserem Umfange noch nicht nachgeAviesen ist, und gerade für eine
sehr natürliche Famihe, die der Coniferen, die so umfassenden Untersuchungen von Göppert widersprechende
Thatsachen, selbst die Congruenz der Gruppen mil nach anatomischiJm Princip geschaffenen Eintheilungen verneinend,
ergeben haben. Indessen kann hier der Einwand erhoben werden, dass soAvie bei natürlicher Gruppirung
die Rücksicht auf mehrere oder sämniÜiche Merkmale die Entscheidung leiten, auch bei der anatomischen
derselbe Grundsatz aufrecht gehalten werden müsste. Dagegen haben für die lebenden Arten dieser Familie die
Arbeiten desselben berühmten Forschers scharfe und constante anatomische Unterschiede in vielen Fällen aufgefunden
und dadurch den specilischen Werth derselben ausser allem Ziveifel gestellt.
Indem auch meiner Erfahrung nach die sogenannte gute oder allgemein anerkannte Speeles, wenigstens
der Holzgewächse, anatomische Eigenthümlichkeiten aufzuweisen hat, die sie von den verwandten oft sehr leicht
unterscheiden lässt, so bleibt doch noch zu ermitteln, ob die innern Elementartheile der Pflanze, welche äussern
Einflüssen ferner liegen, unter diesen sichtbare oder gar keine Veränderungen erleiden, und ob sie, den Charakter
der Species in gewissem Grade unangetastet bewahrend, für dieselbe einen Prüfstein abgeben können. Denn es
ist begannt, dass die Gestalten ein und derselben Art, namentlich von Baum- und Sirauchpflanzen, unter verschiedenen
äusseren Verhältnissen nicht selten sehr abweichen und dann A?ieder unter gewissen Bedingungen
constant und sich forterbend werden können, aber in welcher Weise diese äussere Wandelbarkeit sich auf die
innersten und feinsten Stmkturelemente überträgt, und ob überhaupt auch hier ein inniger Zusammenhang
wahrnehmbar ist, bleibt noch zweifelhaft.
Hat nun die anatomisch-mikroskopische Untersuchung für die vollständige Erkenntniss der lebenden Pflanzenspecies
einen unverkennbaren Werti, der, wenn auch gering angeschlagen nur darin besteht, die durch
morphologische Diagnostik charakterisirten Arten schärfer zu begrenzen, und ist dieselbe bis jetzt leider nur auf
verhältnissmässig wenige Holzpflanzen, bei denen sie aber zunächst wünschenswerth erscheint, angewandt worden,
so bedarf es doch nicht mehr des Beweises, um diesen W^erth, ihn einmal hier anerkennend, in seiner
noch grösseren Bedeutung bei der Bestimmung vorweltlicher holziger Gewächsarten darzulegen.
In der That hat auch die Frage nach dem anatomischen Charakter der Species eine fast umfangreichere
Berücksichtigung bei den fossilen, als bei den lebenden Pflanzen gefunden. Es sind, seit Wi tham of Lar t ington
vollständiger und mit sichtbarem Erfolge die mikroskopische Untersuchung fossiler Stämme begonnen iiat, in
dem noch kurzen Verlauf des durch ihn herbeigeführten Aufschwungs der Palaeophytologie eine grosse Reihe
ausgezeichneter anatomisch-palaeontologischer Arbeiten zu Tage gefördert worden. Insbesondere gebührt hier
G ö p p e r t das Verdienst, den Weg geebnet und den Erfolg gesichert zu haben, indem er seine reiche Kenntniss
der Anatomie lebender Coniferen auf die fossilen übertrug und auch hier, bei diesen schwieriger zu prüfenden
Objekten, in den feinern Strukturelementen constante Charaktere auffand, wodurch eine oft grosse Verschiedenheit,
jedoch keine sichtbaren Uebergänge der fossilen Species, selbst wenn sie den neuesten Formationen angehörten,
von und zu den lebenden nachgewiesen wurden.
Der Werth, welcher den einzelnen anatomischen Merkmalen beigelegt werden muss, kann natürlich nur
nach der Beständigkeit derselben bemessen werden; dass jedoch auch hier noch mehr, als wie bei dem Besitz
aller wesentlichen Kennzeichen an lebenden Pflanzen, eine Würdigung aller sich bietenden Eigenthümlichkeiten
stattfinden und ein richtiger Blick die Entscheidung umfassen muss, kann nicht in Abrede gestellt werden. Denn
da die Pflanze nur ein einziges inneres Elenientarorgan, die Zelle besitzt, so geht schon hieraus hervor, dass die
Mannichfaltigkeit seiner Formen und Combinationen keine so grosse und leicht bemerkbare sein kann, wie dies bei
den äussern Organen der Pflanze der Fall ist, und dass daher histologische Eigenschaften, Grössenverhältnisse,
Inhalt und Färbung zur Vervollständigung der anatomischen Diagnose gezogen w^erden müssen, wodurch eines
Theils die Kürze und Schärfe der letztern vermindert, andern Theils aber auch diesen im Allgemeinen bei Unterscheidung
der Arien weniger berücksichtigten Eigenschaften eine nicht zufällige, sondern in der normalen
Entwickelung des Organismus begründete Entstehung zugesprochen wird. Die Entscheidung Uber den relativen
Werth dieser scheinbar nebensächhchen Eigenthümlichkeiten bleibt aber einstweilen noch dem jedesmaligen
Beobachter überlassen, denn so unverkennbar Khma, Boden und Standort auf dieselben, vorzüglich bei vieljährigen
Pflanzen, Einfluss haben, so wenig ist noch der Antheil eines jeden dieser Faktoren gemessen®). Ein
anderer in der anatomischen Untersuchung der Species noch weniger erforschter Umstand, ist die Vergleichung
der verschiedenen Organe einer Pflanze je nach ihrer Entwicklung und Abkunft. Stamm und Wurzel, Aeste und
Zweige einer Species stimmen sie genau Uberein in der Beschaffenheit ihrer Gewebe und deren Elementen, ist
ihnen allen ein specifischer Charakter gemeinsam? Endlich wäre noch zu erörtern, welche Unterschiede ein
und dasselbe Organ in seinen Geweben je nach dem Alter zeigt, um insbesondere bei Bestimmung fossiler Gewebe
dem Uebelstande zu entgehen, ein Entwickkmgsstadium für eine Eigenibümlichkeit der Species aufzufassen.
Stellen wir zum Scliluss dieser Betrachtungen die Gesichtspunkte zusammen, von denen die anatomische
Untersuchung der Species ausgehen muss, so ergeben sich fo gende Fragen, deren Beantwortung auf grösstmöglicher
Basis noch erforderlich ist, um eine Anatomie der Species und dadurch auch der Geschlechter und
Familien zu begründen und um zunächst der anatomischen Diagnose fossiler Pflanzen die grösste Sicherheit zu
verleihen:
1) Lassen sich in dem anatomischen Bau der Species immer constante specifische Unterschiede auffinden?
2) Stimmen die sogenannten Varietäten mit der typischen Form der Speeles anatomisch überein? 3) Können die
nach jetzt übhchen Merkmalen als Arten einer Gattung betrachteten Pflanzen in ihre'm anatomischen Bau sehr
abweichen? 4) Wie unterscheiden sich anatomisch die gleichnamigen Organe einer Species, wenn sie unter
sehr verschiedenen äussern Bedingungen sich entwickelt haben oder verschiedenen Alters sind? 5) Welchen
Strukturtheilen ist der grösste Werth in der anatomischen Unterscheidung der Arten beizulegen und wie lässt er
sich physiologisch erklären? 6) Steht der anatomische Charakter der Species mit dem morphologischen in
inniger Beziehung und gestattet ersterer auch eine natürliche Gruppirung der Pflanzen, congruent mit den jetzt
bestehenden Einlheilungen des natürlichen Systems?
Was zur Beantwortung dieser weitausgreifenden Fragen in meinen vorzulegenden Untersuchungen an Thatsachen
sich geboten, werde ich an anderem Orte anführen.
Erscheint nun nach allen obigen Erörterungen die anatomische Untersuchung für die fossilen Pflanzen und
vorzüglich die Holzfragmente von höherer Bedeutung als für die lebenden, so lange es sich bei diesen eben nur
um eine systematische Unterscheidung handelt, so hat sie doch auch für sie einen im Allgemeinen nicht geringeren
Werth, und wird zu ihrer vollständigen Kenntniss ebenso nothwendig, wie zur Vergleichung mit den
fossilen unerlässlich ; denn jede anatomische Begründung einer fossilen Species setzt eine genauere Orientirung
Sehr (lankensworllie, auf diese Verliällnisse Rücksicht nehmende Beobaehlungen, aber leider otme Anwendung des
Mikroskops, finden sich unter den Werken neuester Zeil in den «Untersuchungen über d. phys. Geographie der Alpen»
von den Gebrüdern Schlagintweit, Leipzig 1850. Cap. XX. Einfluss der Höhe auf die Dicke der Jahre.sringe bei
den Coniferen, Ferner in: Phaenogame Pflanzen dos Hochnordens, bearbeitet von Prof. v. Trauivet ter (Th. v. Middend
o r f f s sibirische Reise Bd, I. Th. 2. Seite 97).