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wegen der Unmöglichkeit, den Werth jeder Speeles schon jetzt ermitteln zu können, denselben eher in einem
zu vortheilhaften Lichte erscheinen lassen^). Es ergab sich daraus, dass bei uns fossile Ueberreste fast aus allen
grosseren Abtlieilungen und vielen Gattungen des Pflanzenreichs, allerdings sehr ungleichmässig auf die einzelnen
Formationen vertheill , nachgewiesen worden sind. Während in den älteren Gliedern vorzüglich die, die
vorwehliche Flora charakterisirenden Calamiten, Equiseten, Farm und Lycopodien auch bei uns aufgefunden
wurden, zeigten sich dagegen bis jetzt die jüngeren und jüngsten Ablagerungen ausserordentlich arm an vegetabilischen
Einschlüssen, so dass die Kenntniss von den höher organisirien oder der Jetzlwelt näherstehenden
Formen des Pflanzenreichs noch sehr unvollständig genannt werden muss. Dass dies aber nicht eine in der
Natui- begründete Eigenschaft dieser Schichten sein kann, widerlegen die in andern Ländern aufgeschlossenen
Becken der Kreide und vorzüglich der Tertiärzeit. Die Armuth in dieser Beziehung tritt ganz besonders in den
Ordnungen der Nadel- und Laiibholzpflanzen hervor, da von den ersteren anderwärts gegen dreihundert Arten,
bei uns kaum der zwölfte Theil dagegen, von den letztem aber nur einige Blattabdriicke, unsicher gedeutet, kein
Stammtheil anatomisch untersucht, uns bekannt geworden sind.
Aus allem Angeführten geht hervor, dass der Zustand der fossilen Botanik in Russland als ein noch wenig
wissenschaftlich gepflegter, dagegen das Material, welches ihr schon zur Bearbeitung vorliegt und in Zukunft
noch vorgelegt werden muss, als ein sehr reiches bezeichnet werden kann. Als die am wenigsten in Angriff genommene,
und wie ich glaube, doch sicherere Resultate versprechende Seite dieser jungen Wissenschaft, erscheint
das anatomische Studium, vorzüglich der fossilen ffölzer, weiches freilich nur durch eine gemeinsame, auch auf
die lebenden ffolzarten ausgedehnte Untersuchung gefördert werden kann.
Der Beitrag, welchen ich in den vorhegenden Blättern geliefert, wird die angedeuteten Lücken schon
durch Benutzung des mir nahegelegten ¡Materialseinigermaassen ausfüllen, da er ausschliesslich sich mit den anatomischen
Bestimmungen fossiler Hölzer aus Russland beschäftigt, Dass jedoch die Kräfte des Einzelnen nicht
ausreichen, um auf diesem grossen und schwierigen Felde zu sammeln und zu sichten, wird Niemand in Abrede
stellen wollen, und so hofife ich in Unterstützung und Erwerbung eifriger Mitarbeiter Anerkennung meiner Bestrebungen
zu finden. Ich hätte noch länger mit der Herausgabe dieser Blätter gezögert, da jeder Tag durch
neue Funde zu richtigem Ansichten führen kann, doch gewährt ein vorläufiger Abschluss eine Uebersicht und
bewahrt vor Mängeln, die bei der einzelnen Beobachtung leichter übersehen werden.
Ehe ich die Resultate meiner Untersuchungen selbst vorlege, halte ich nicht für überflüssig, Einiges über
den Gang derselben und die beanspruchten Hülfsmittel zu bemerken, wodurch mir Zutrauen und Nachsicht erwachsen
mögen.
5. l ieber d i e Unt e r suc l iui ig' f o s s i l e r Hölzer.
Bei der Untersuchung fossiler Hölzer, zu denen wir sowohl die durch mineralische Auflösungen petrificirten,
als auch in den verschiedensten Graden der Verkohlung aufgefundenen, der Jetztflora nicht angehörigen Stammtheile
zählen, ist der Hauptzweck, die generische und specifische Abstammung derselben zu erforschen und
dadurch unsere Kenntniss von dem Bestände der vorweltlichen Flora zu erweitern. Die bei den jetzt lebenden
Pflanzen zu ihrer Unterscheidung sich darbietenden und auch gewöhnlich benutzten Theile müssten auch bei der
systematischen Erforschung der fossilen berücksichtigt werden; aber leider finden wir sie an denselben fast nie
in ihrer Gesammtheit wohl erhalten beisammen, und während bei den lebenden Gewächsen nicht selten schon
die Betrachtung nur eines einzelnen, physiologisch wesentlichen Organs die Erkenntniss des zugehörigen Genus
oder,selbst der Speeles ermöglicht, ist an den fossilen Pflanzen Uberhaupt das Vorhandensein solcher, in erkennbarer
Gestalt erhaltener Organe ein höchst seltenes, dagegen ihre theilweise Zerstörung oder Entstellung das
gewöhnlichere, und nur noch wenig gewürdigte Merkmale sind die einzigen, auf welche sich die Untersuchung
beziehen kann. Die fossilen Hölzer sind nun gerade solche Ueberreste vorweltlicher Pflanzen, welche in der
Mehrzahl nur letztere Eigenschaften ansichtragen; ihre äussere, oft zufällige Gestaltung und ihr innerer Bau bleiben
daher das Einzige, worauf sich noch die Untersuchung erstrecken kann; beide haben jedoch für die Verwerthung
derselben sehr verschiedene Bedeutung. Die Erstere, häufig durch mechanische Kräfte hervorgebracht,
kann auf die organische Abstammung des Fragments und auf die Wirkungsweise jener hindeuten, eine generische
oder gar specifische EigenthUmlichkeit wird durch sie nur selten, wie etwa bei den Calamiten, Farm und
Sigillarien angezeigt; es bietet daher nur die Untersuchung des innern Baues der fossilen Hölzer, wenn sie über-
Hervorgehoben sind in dem Verzeichnisse diejenigen Arien, welche entweder an und für sich, oder deren Vorkommen
in Russland überhaupt zweifelhaft ist, was durch ein * angedeutet worden, ferner diejenigen, welche vorläufig nur
mil einem Namen belegt, in Schriften envähnl werden, was f bezeichnet.
Die Steinkohlen — und die permsche Formation enthalten, jede fast zu gleichen Theilen, zusammen nahezu ^
aller aus Russland bekannten fossilen Pflanzen.
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haupt noch zulässig ist, die einzige Möglichkeit, EigenthUmlichkeiten in der Struktur des Stammes aufzusuchen,
die auf seine Abkunft hinleiten können. Selbst auch in dieser Beschränkung ist das Material, welches die fossilen
Hölzer der Untersuchung gewähren, ein unvollständiges, da ein sehr wesentlicher Theil des Stammes,
die Rinde nur ausnahmsweise miterhalten ist, und dieselben daher sehr richtig bezeichnet, nur Späne, Kloben
oder formlose Blöcke darstellen
Die Untersuchung dieser Fragmente kann in eine äussere, mit unbewaffnetem Auge oder der Lupe, und in
eine innere, mit dem Mikroskope bewerkstelfigte getheih werden. Die Erstere gestattet, wenigstens an den
besser erhaitenen Stücken, eine Ansicht über Lagerung der Holztheile im Allgemeinen, über das Vorkommen
grosser Gefässe und Intercellularhöhlen, bei Dicotyledonen, über die Dicke, Regelmässigkeit und Zahl der Holzschichten,
über das Vorkommen und die Beschaffenheit der Markstrahlen etc., sowie über das Versteinerungsmaterial
selbst, und führt nicht selten zu richtigen Vermuthungen über die Beziehung der Fragmente zu den
grösseren Abtheilungen des Pflanzenreichs und ihrer Gruppen. Dieser oberflächlichen Betrachtung muss dann
die anatomisch-mikroskopische Untersuchung folgen, welche an und für sich, eine Vertrautheit mit derselben
und mit dem Bau der Pflanzen überhaupt vorausgesetzt, keine besonderen Schwierigkeiten hat, wenn die ihr unterworfenen
Präparate allen Anforderungen entsprechen — eine Hauptbedingung, von der sehr Vieles abhängt.
Zur Darstellung der mikroskopischen Präparate aus fossilen Hölzern sind bereits von verschiedenen Forschern
Anweisungen gegeben worden'®). In einiger Zeit wird Jeder, der sich diesen Untersuchungen widmet,
die ihm nach den Umständen angemessenste Methode befolgen; ich würde die meinige ganz übergehen, wenn
nicht Andere daraus die Hoffnung gewinnen könnten, auch mit geringen Mitteln und auf sich allein beschränkt,
in diesen Untersuchungen zum Ziel zu gelangen.
Wenn man sich an dem zu untersuchenden fossilen Holze — wobei ich zunächst die Coniferen im Auge
habe — ü b e r die Lagerungsverhältnisse der Holzfasern und Holzschichten, sowie über den Verlauf der meist
deutlichen Markstrahlen orientirt hat, beginnt der erste Versuch zur Darstellung des Präparats damit, dass man
aus den dreien, die anatomische Struktur des dicotyledonischen Stammes erschliessenden Richtungen: in der horizontalen
(hei senkrecht in dem Höhenwachsthum stehend gedachtem Stamme) und in der verficalen, ein Mal
parallel den Markstrahlen (Centraischnitt), das andere, sie senkrecht durchschneidend (Tangentialschnitt), mögichst
dünne, wenigstens mit einer Fläche in der gewünschten Richtung genau streichende, von Rissen freie
Scheibchen zu erhalten sucht. Ich bediene mich dazu eines soliden breiten, scharf angeschliffenen Meisseis
und eines Hammers vom besten Stahl, und lege beim Absplittern, was mit einem Schlage geschehen muss, das
fossile Holz, wenn es nicht sehr massiv ist, auf einen eisernen Block. Die so erhaltenen Scheibchen werden bei
schwacher Vergrösserung geprüft, und die gut befundenen zum Schleifen bestimmt. Sie müssen mindestens die
ganze Breite einer Holz- oder Jahresschicht umfassen; die aus der Central- und Tangentialrichtung Genommenen
wemgstens eine Linie breit sein; sie sind aber je breiter, desto vortheilhafter. EinigeUebung im Absphttern und
leichtere Spaltbarkeit des Fossils ohne muschligen Brueh verkürzen sehr bedeutend Mühe und Zeit in der Vollendung
dieser Rohpräparate. Bei hartem Material, durch Kieselsubstanz, Eisen oder Kupfererzpetrifieirt, ist diese
Methode die zweckmässigste; bei weicherem, Kalk-und Gypsversteinerungen, gehngt es seltner ziemlich ebene,
•grössere Scheibchen abzusplittern, jedoch durch Anwendung einerfeinen Steinsäge oder durch Anschleifen grösserer
Stücke und nachheriges Abspalten erreicht man auch hier seinen Zweck. Bei Kohlen, wenn sie sehr bröckhg
sind, ist zuweilen keines dieser Verfahren anwendbar und muss man sich unter zahlreichen, feinen Splittern, die
einigermaasson durchsichtigem, den gewünschten Richtungen entsprechenden unter dem Mikroskop aussuchen.
Die AuiTindung von grossen Stämmen, mit Rinde, Aesten nnd Wurzeln, wird bei uns noch selten gemeldet,
aber man hat ja auch noch viel zu wenig danach gesucht. Finden müssen sich unzweifelhaft solche Prachtexemplare, die
nicht minder werth sind, und weniger Unkosten machen würden, als ein vollständiges Mammuthskelett, aufgestellt zuwerden.
Es fehlt uns überhaupt noch ein Cabinet zur Aufbewahrung der fossilen Pflanzenreste, welche jetzt, theilsin mineralogisch
palaeontologischen Sammlungen, theils unter den Palaeozoologicis, theils unter den Raritäten dei- Liebhaber zu
suchen sind. In dem Museum des hiesigen bot. Gartens ist der Anfang zu einer Ansammlung solchen Materials gemacht
worden und wird jede Unterstützung willkommen sein. Sendungen von fossilen Pflanzen, sowie von Hölzern lebender
Bäume und Straucker aus Russland, an den hiesigen Garten adressirt, für dessen Museum bestimmt, werden aus allen
Theilen des Reichs portofrei im Gewicht bis 40 Pfd. befördert und wird dem geneigten Absender über den Empfang mit
Dank Bericht erstattet werden,
G ö p p e r t : Ueber das Studium der fossilen Hölzer (in v. Leonhard u, Bronn neues Jahrbuch für Mineralogie
elc, 1837, S, 4-03 — i07) , — Unger; Ueber die Untersuchung fossiler Stämme holzartiger Gewächse (in Leonhard
u, Bronn Jahrbuch 1842. S, 14-9 — 178). — Nicol war wohl der Erste, welcher .sich vielfach mit Versuchen zur
Darstellung geschliffener, mikroskopischer Präparate aus fossilen Hölzern beschäftigte (um das Jahr 1830),