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inchrzelUgcn Algen (Conferva, Ulolhrix etc.) ebenso wie bei denjenigen Vaucheriaceen, wo
es vorhanden ist (Bryopsis), zur Wurzel. Die Wurzel oder das Wurzelende einer Pflanze
übernimmt überall vorzugsweise die Verrichtung der Stoffaufnahme, das Stammende dagegen
die der SlolTausscheidung. Diese Differenz von Wurzel- und Stammende an den
Sehwiirmzellcn erklärt einerseits die Thatsache, dass dieselben mit dem hyalinen (Wurzel-)
Ende vorangehen, weil daselbst die Anziehung, auf der gegenüberliegenden Seite die Ausstossung
der Flüssigkeiten statlündet, anderseits auch die raschere Bewegung, weil hier ohne
Zweifel Endosmose und Exosmose mehr geschieden sind als bei Diatomaceen und Desmidiaceen.
wo die hei den Zellcnenden gleichwerthig sind. — Es ist ferner die Zartheit der Membran
an den Schwärmzellen von Wichtigkeit. Dünne Membranen gestatten immer eine viel
raschere Endosmosc und Exosmose, wie man diess z. B. leicht bei der Einwirkung von
.Jodlösung oder von Alcohol sieht, wo die Zellen mit dünnen Membranen beträchtlich
schneller durch Jod gefärb t, durch Alcohol entfärbt werden, als solche mit dicken Membranen.
Die Zartheit der Membran kann also vorzüglich auch als Grund für die rasche
Bewegung der Schwärmzellen betrachtet werden. — Warum die Schwärmzellen sich drehen
, oder warum jeder Punct derselben (wegen des Fortrückens) eine Schraubenlinie beschreibt,
bleibt dabei ein Rälhsel; es ist aber das gleiche Räthsel wie dasjenige, warum
die Samenfäden sich drehen, und warum so viele Erscheinungen im Pflanzenreiche (z. B.
die Bewegung in den Zellen der Characeen, die Formalion der Faser in den Spiralge-
fässen) dem Typus der Schraubenlinie folgen, und somit auf einer Drehung um die
Aclise (verbunden mit Vorwärtsbewegung) beruhen. — Dass sich die Wimpern bewegen,
soll nicht bestritten werden, wohl aber dass sie die Ursache der Bewegung der Zelle seien.
Ihr Flimmern ist eine natürliche Folge der Strömung im Wasser, welche durch die Eiidos-
mose und Exosmose und durch die Bewegung der Zelle selbst hervorgehracht wird. Die
Wimpern sind aber so z a r t , dass sie durch die geringste Fluctuation des Wassers afiizirt
werden müssen. Auch an Euastrum sieht man zuweilen ähnliche Wimpern, welche sich
aber bestimmt nicht bewegen (was daher rühren mag, dass auch die Zelle sich nicht beweg
t, dass hier jedenfalls kein so rascher Stoffwechsel statt h a t, und dass die Wimpern
selbst auch etwas stärker sind); in Euastrum sind die Wimpern sicher Anhänge der gallertartigen
Hüllmembran. F ü r den Umstand, dass die Wimpern der Schwärmzellen keine
selbständige Bewegung besitzen, spricht besonders auch der Grund, weil die Unbeweglichkeit
und Starrheit der Pflanzenzellmembran sonst ein allgemeines und ausnahmslose.s
Gesetz ist. Man k ö n n te , um die Ansicht, dass die Wimpern die Ursache der Bewegung
se ien , mit dem Gesetze der Starrheit der vegetabilischen Membran zu verein en , annehmen,
dass die Wimpern Anhänge der Schlcimschicht (des Primordiaischlauches}, sf>mit
eine quaternäre Verbindung und den Wimpern der Infusorien analog seien. Dagegen isl
aber einzuwenden, einmal dass die vegetabilischen Samenfäden, die auch sticksloflhaltig
sin d , eine starre Form besitzen*) und bloss sich vorwärts bewegen, indem sic sich um
ihre Achse drehen, während dem man hier an den vegetabilischen‘Wimpern eine Con-
tractiiität annehmen müsste, und ferner, dass überhaupt die Wimpern doch zu dünn und
zart erscheinen, um eine Zelle fortzubewegen, namentlich wenn deren bloss zwei vorhanden
sind. Bei Botryocystis z. B. sah ich einzelne Zellen von */ioo"' *>** Durchmesser
mit zwei kaum sichtbar zu machenden Wimpern (nachdem sic durch Jod getödlet waren,
sich bewegen. Vergrössern wir dieses Bild bis dahin, wo wir ihm mit unserm Urlhei)
heikomnien können, so müsste, wenn die Zelle durch die Wimpern bewegt wird, ein
mittelgrosses Dampfschiff durch zwei au der Spitze befestigte, im Wasser befindliche und
sich bewegende Taue von ungefähr 2 — 3 Zoll Dicke und 50 Fuss Länge bewegt werden
können, wobei zu bemerken is t, dass die Taue, nach jed er Contraction durch Expansion
eine Gegenbewegung machen müssten, und somit auch wieder die Wirkung jeder Con-
traction zum Theil nculralisircn würden. Es wäre übrigens das Dampfschiff wegen seines
spitzen Vorderendes und Kieles, sowie wegen des Umstandes, dass es zum grösslen Theile
bloss die Luft durchschneidet, in bedeutendem Vorlheile gegenüber der kugeligen, unlcr-
getauchlen Botryocystiszelle. Auch darf noch beigcfügl werden, dass aus einer Bewegung
von zwei oder mehrern Wimpern an dem einen Ende der Zelle eher ein Fortrücken vou
dieser Seite weg, als nach dieser Seite hin erfolgen möchte.
Ich habe nun noch zu zeigen, dass die Annahme eines erhöhten Lebensprocesses
nicht etwa aus der Luft gegriffen is l, sondern sich mil den Umständen, unter denen da.s
Schwärmen auftritt, sehr wohl verträgt. Was einmal die Schwärmzellen selbst betrifft,
so stellt sich Inhalt und Membran derselben ganz so d a r, wie in jungen chlorophyllhal-
ligen Zellen ein- oder mehrzelliger Algenarlcn, wo die vegetativen P rocesse, wie Wachsthum
und Stoffhildung, am lebhaftesten sind, und desswegcn auch der Stoffwechsel am
lehhaflcsten sein muss. F ü r die Keimzellen der mehrzelligen Algen tritt übrigens die
Schwärmzeii gerade dann e in , wann wir auch sonst einen gesteigerten Lehcnsprocess vermutheu
w ürden, nämlich beim Beginne des Keimens, zur Zeit wo die Keimzellen in der
Multcrzello eben ausgehildet und zu einer weitern Entwickelung, die uiimitlelhar einlritl,
fähig geworden sind. In dem Momente, wo die Keimzellen so weit herangebildet sind,
*) Z e its c h r if t f. w, B. 1. H e ft ( 1 8 4 4 ) , p. 175.