in ihrem wahren Wesen richtigr auffrefasst werden kann. Die Steiluni; dos Ronhachtors in
der heissen Zone ist eine so plnzlich verschiedene von derjenii;en, in der wir uns mit unseren
Sinnen in unserm Vaterlande befinden, (lass auch dort ganz andere Momente einwirken
müssen, um die Regungen des menschlichen Gomüthes erwecken zu können. Der l'lingeborne
in heissen Climaten leidet an grösser Apathie, ihm fehlen gänzlich die Anregungen, welche
hei uns der mannigfaltige Wechsel der Jahreszeiten gegen unsere Willkühr horvorruft, ihm
fehlt also die feinere Empfindung für die Natur, welche im Bewohiu'r dos Nordens oder der
gemässigten Zonen schon durch die sanftesten Eindrücke von aussen aufgeweckt wird. Der
Liobesgesang des V’ogels wird fähig, den Nordländer durch und durch zu ergreifen, und
eine Blume schon reisst ihn zur Bewunderung hin, denn er erkennt bi'ide als Zeichen und
Zeugen davon, dass die ihn umgebende Natur ihre Festfeier begeht, an welcher er selbst
mit, seinen Antheil innig und dankbar empfindet. Ganz verschieden in dieser Hinsicht orga-
nisirt oder dispnnirt, ist der Bewohner des heissen* Südens und der Länder zwischen den
Tropen, gleichgiltig gegen die jahraus jahrein immer fort sich entwickelnde, immer thätig
schaffende Natur, nimmt er alle ihre Producte als einmal vorhanden dahin, und ohne sich
ihrer zu freuen, lebt er in beständigem Zorn, im Kampfe mit ihnen, einzig und allein darauf
bedacht, alles zu vernichten, was ihm nicht unmittelbar nützt, oder eben das zu erlangen,
was er zu seiner Nahrung und Kleidung bedarf. Schon in Italien erstickt der Mordsinn
alle Freuden an den gefiederten Sängern der Lüfte, und alles, was lebt, sogar die allerwärts
geheiligten Schwalben, fallen dem Gaumen zum Opfer und an Fäden gereiht, an Stäbe gehangen,
wie die Ratten bei den Chinesen, werden sie an den geweihten Stufen der Kirchen,
bei der allgemeinen Entwickelung von Religion und Moral, zum Kaufe geboten.
Massenhaft wirken im Urwalde die scharfkreischenden Stimmen, die für uns ganz fremdartigen
Tone; Töne, welche zum Theil wie von der Berührung unorganischer Körper entstanden
erklingen, Ilammerschlägen auf Blech, dem KnaiTcn von Thiiren, dem Rasseln von
Ketten oder dem Quietschen von Rädern vergleichbar*). Aber keineswegs fehlt unter ihnen
die Zahl eigenthümlicher Sänger, deren Modulation in der Stimme, deren Melodie im Ausdruck
den aufmerksamen Zuhörer gar wohl zur Theiliialime zu stimmen vermag. Denn bei
der bedeutenden Frequenz der Gattungen und Arten aus den meisten Vogel-Familien ist
auch die Thätigkeit derselben so gross, dass eine wahre Mannigfaltigkeit von Tonformen
und Tonweisen von ihnen gehört wird. Za rter, sanfter, kaum hörbarer Gesang und kräftiger
Schlag, lautes Gezwitscher und gellendes Schmettern, helltrillernde und klingelartig
schellende Glockcntöne, durchdringendes, weitschallendcs Pfeifen, flötenartigcs Kufen, wie
(las, wodurch der Pirol uns im Mai und Juni an das Ausland erinnert, endlich auch kreischendes
Schelten und Krächzen und Lachen, alles dies wirkt von allen Seiten zusammen
und das Resultat solchen Zusammenwirkens für ihr Leben begeisterter Organismen, ist und
wird immer wieder H a rm o n i e , welche der Natur nie fehlt, dafern der Beobachter nur in
sich selbst Harmonie und Empfänglichkeit hat**). Und wie bei uns, so sind auch in den
Districten zwischen den Tropen bestimmte Acteurs für bestimmtii Zeiten des Tages bestellt,
so wie es scheint, dass bei uns die Vögel, ohne auf den Glockenschlag zu hören, auf das
Genaueste die Stundenzeit kennen und jeder für seinen Benif so pünktlich ointritt, als hätte
er das Stichwort gehört, so geht auch dort dem Tagescnncerte seine Ouvertüre voraus, und
wie bei uns von der Wachtel, so hcisst es z. B. in den südamerikanischen Wäldern am
nächsten Morgen wieder:
.,Penelope ist aufgewacht
Und bringt den Scheidegniss der Nacht,
Und dieser Ruf auf frühen Wegen
Klingt tief in’s Herz wie Morgensegen.“
Eigne Empfänglichkeit und eigne Harmonie im Geist- und im Gemüthsleben muss nun
freilich auch da vorausgesetzt werden, wo man eine Thidlnahme hoffen will, für solchen
*) V<‘r(?l. au c h : D i e v o l I s t ä u d i f f « t c N a tu r f f c .s c h i c h t c d e r A f f e n , l^oipzig, bol F r Hofmeifitor.
**) Uobor die an a lom isch cn VcrhÄltnisio d e r S ingvöge l folgt das Nöthigo am Schlüsse bei Bc tra eh tu n g
i h r c r S ysie ina tik.
Morgengruss der Penelope*), oder gar für den Gesang jener kleinen, zarten, tropischen
Sänger, deren sanfter Liebeshauch der Tändelei eines kleinen arkadischen Schäferspieles
vergleichbar erscheint. Ein aufgeregtes, durch das Treiben der Welt und seines Tagewerkes
zerstreutes Gemüth wird davon ganz und gar nicht berührt, ja verächtlich erscheint ihm
solches Lauschen auf diese sanften Regungen eines kleinen Lebens, welches doch immer ein
güttgeschaflenes, gottgefälliges bleibt, und jener Harmonie der Sphären im Makrokosmos
nothweudig wieder in dem mit unseren Sinnen erreichbaren Mikrokosmos entspricht.
So giebt es denn aucli wirklich noch unter beiden Geschlechtern der Menschheit gar
viele Individualitäten, welche vom Zartgefühl für die Natur nach melirseitigen Richtungen
hin, vorzüglich neben der Cultur von Tropeiigewächseu und neben dem Beobachten ihrer
Aquarien, auch die Cultur so kleiner ausländisclier Vögid betreiben. Jene schiuetterlings-
artig gaukelnden Mariposa’s, jene schmucken Astrilde, jene niedlichen Scnegalli’s mit ihrem
Bchönrothen, weissbeiierlten G(itieder, jene Amadine mit dem hochrothen Halsbande, welches
ihnen durch eine unästhetische Idcen-Association den blutig klingenden Namen Cous-coupes
bei den Franzosen verschafft hat, dann jene Comba-sou und jene immer thätig beschäftigten
Webevügel, endlich jene stolzen Cardinale mit ihren zalilreichen Verwandten, alle diese sind
schon lange geschätzte Lieblinge gemüthvoller Pfleger und Pflegerinnen geworden. Ihre
Käfige stehen da unter Tropengewächseu und sicher vor den Anfällen zahlreicher Räuber
und Würger, denen sie in ihrem heissen Vatorlande entgingen, befinden sie sich wohler in
ihrem Asyl, als in jener Heimath, und lohnen durch Gegenliebe die l ’tieger, welche ihnen
selbst Liebe geboten.
Tröstend tritt uns die Erfahrung entgegen, dass ihre Zucht keine schwere Aufgabe ist,
ja dass sie kaum mehr oder andere Pflege bedürfen, als die so allgemein gehaltenen, gepflegten
und gezüchteten Canarienvögel und andere kleine, küruerfresscnde Arten. Fragen
wir nun zuerst nach der A c q u i s i t io u , dann nach der W a r t u n g und P f le g e .
In allen grösseren Städten, insbcsundere an Häfen, findet man Vogelhändlcr und Händler
überhaupt mit ausländischen Thieren, anderwärts solclie, welche neben einheimischen Singvögeln
auch wohl kleine Ausländer besitzen oder verschaffen. Einige Adressen von Vogelhändlern
sind vorn genannt, und die Zeit, dergleichen Vogel kommen zu lassen, beginnt mit
den wärmeren Tagen des Monat Ajiril, da die oft plötzlich eintreteiiden Märzfrüste für den
Transport kleiner Thiere insbesondere nocli nachtheilig sind.
Die B e n e n n u n g dieser Thicrchcn liegt noch gar sehr im Argen, und wir haben die
deshalb immer dringender gewordene Aufgabe, die bisher so unbestimmten und falsclieu Benennungen
zu berichtigen, vorzüglich deshalb unternommen, um endlich Klarlieit in die Sache
zu bringen, und dadurcli den Handel mit ihnen zu consolidireu und zu fordern. Wir hoffen,
dass nicht nur Liebhaber, sondern aucli die Händler selbst, künftig in unseren Heften Anlass
finden werden, ihre Lieblinge richtig beuemien und sich dadurch im Handel besser verstehen
und verständigen zu können. Die zum Theil ganz falschen und schwankenden, auch wohl
für ganz verschiedene Arten gebrauchten Namen sind durch richtige, welche keine Verwechselung
zulasson, ersetzt, und in Zukunft wird man dem Händler schon durch Angabe unserer
Nummern leicht andeuteu können, welche Arten man wünscht. Auch diejenigen Arten, welche
jetzt noch iiicJit im Handel Vorkommen, werden in den Handel gelangen, sobald öftere Bestellungen
auf dieselben eiiigchen oder überhaupt endlich der Plan ausgeiührt vrird, geeignete,
in der Kcnntuiss der Arten, in dem I-'unge und in der Pflege von dergleichen Thieren
geübte und geprüfte Personen auf Actien reisen zu lassen. In England hat mau schon alljährlich
neue Arten erlangt. Bei der Beschreibung der einzelnen Arten werde ich mich über
ihre Benennungen weiter aussprechen können.
Die H a l tu n g dieser kleinen Vögel geschielit gewöhnlich in mehr oder minder grossen
Volit^reu, und mau hält sie in der Mehrzahl oft zu hunderteu darin, und die allerverschie-
densteu Arten beisammen. Es ist gar nicht zu leugnen, dass meist die Individuen einer
Art, ja auch wohl verschiedener Arten, sich gut unter einander vertragen, und nicht selten
*) W ir liabun d ie se r hilbsclicn (in iliu ig e lu boBondoros Heft V. gewidme t und zwei T a fe lu voll Andoror
A rieu folgen uocb ln dom Supideuieuto d e r Tnubou. Vgl. S u p p lem en t t u d en T au b en F ig . 504S—5060.
1 *