
E r s t e r Ab s c h n i t t .
D i e g e g e n w i i r t i g e n K r o k n d i I i i i e n .
E i 's t e s C a p i t c i .
Ihre Gruppen- nnd Artnnterschiede.
(3.
M . n weiss aus der beschreibenden Zoologie, dass die Gnijipe der Krokodile unter allen analogen Suiiricrfainilicii
die siclicrste und am schärfsten abgesclJossenc is t; so scharf und bestimmt, dass es niclit anffallcn würde, wenn man
sie von den typischen Sauriern ganz losrissc nnd als eine ihnen gleichwertliige, die Mitte zwischen den S c i i i l d k r ö t e n
lind E i d e c h s e n lialtcnde Abtheilung ansähe. In der T h a t haben sie von den ty|)ischcn Sauriern fast nicht viel mclir,
als das allgemeine Ansehen; jed e r einzelne Korpertheil bietet, näher unte rsucht, ebenso viele Unterschiede wie Aeliniicli-
kcitcn dar. S te llt man alle diese Eigenschaften zusammen, so ergiebt sich der natiirliclie Griippcncharakter eines K ro kodils,
wie e r folgeiidcriiiassen lauten möchte.
Die K r o k o d i l i i i c n gehören zu den b e d e c k t e n A m p h i b i e n , d. h. ihre Haut cntliiilt harte Knocliengcbilde,
namentlich s ta rk e , viereckige S c h ild e r, welche mehr oder weniger eng an einander rücken und eine A r t festen Panzers
bilden, de r äusserlich von der zu H o rn - und L cdcrhärte verdickten Epidermis überzogen wird. Auf dem Rniiipfe und
Schwänze bilden die Hautknochen viereckige zum T h e il gekielte Scliilder und eiTciclicu an diesen Stellen die griisste
S tä rke niul Ausdehnung; gewölinlich hat der Rumpf 4 — 8 , der Schwanz 2 — 4 Scliildcrreilien der L än g e nacli neben
einander. Auf dem Kopfe fehlen besondere Schilde r; die periplierisclien Scliädelknoclicn tragen den lederartigen Ucber-
zug niimittelbar und sind zu dem Ende giübig sciil|(irt; dadarch enthält die Sclicitclfläche bis zur Sdina iitz c bin ein
meist rauhes unebenes Ansehen. D ie Gliedmassen sind der am wenigsten gepanzerte T h e il, sie liarmoniren darin mit
der K eh le , dem Unterlialse und der ‘Weicliengcgcnd, woselbst nur dünnere platte Hornscliildef und schwächere Haiit-
knochcu aiiftretcn. D ie Zclicn der Extremitäten sind im Vergleich mit anderen S au rie rn ku rz , zumal die vorderen, und
namentlich die hinteren iiiolir oder weniger durch eine derbe Hautfulte zu Scliwimmfüsscn verbunden; vorn bähen die
Krokodilinen f ü n f , hinten nur v i e r Zehen nnd bloss au den d r e i inneren Zehen beider Pfoten K r a lle n , die vierte
und vorn auch die fünfte enden mit einer einfachen E c k e , ohne hakigen Nagelbcsatz. In diesem Verhältuiss schlicssen
sich die Krokodile mehr an die Sciiildkröten, als an die Eidechsen, und das wiederholt sich in der Kloakenmündiing,
deren runde Sjihiiiktercnform der breiten Klappciibildung einer Eidechse völlig unähnlich ist. Gleich den meisten Scliild-
kröten und vielen Eidechsen hahcn aiidi die Krokodile einen D rüscna jipa ra t, de r eine cigcuthüinliche, stark nacli
Mosclius riechende Schmiere ahsoudcrt. Diese Drüsen liegen bei den Schildkröten am vorderen Eingänge der Scliaalc,
gleichsam in der Achselhöhle ih re r Arme; bei den Eidechsen treten sic de r Reihe nach hinten am Oberschenkel, <1. Ii.
auch an den Gliedmassen auf; die Krokodile dagegen Jiahen zwei solche Drüsen an der K e h le , seitwärts neben dem
Iiincnrandc des Unterkiefers. W e ite r zeigen die Krokodile, als besonderen Gruppcncharaktcr, nahe aneinander gerückte,
innen mit einer K lappe vei-sehene Piasenlöclier auf der O bcrllächc der Scliuaufze; hoch vortrctende Augen mit senkrechter,
spaltfönuiger P u p ille ; ein unte r einer laiiggezogcnen S -fö rm ig e n Klappe verstecktes Troininell'ell; eine breite llacbc,
ge ru n d e te , nicht ausstreckbare Z unge nnd grosse s ta rk e , k e g c l- oder knopfföriiiigo Z ä h n e , welche mit älmliclicn W iir-
.zeln tie f in besonderen Hohlen des Kieferknochens stecken. Kein eigentliclics Krokodil hat mehr als 19 Zäliiic au
jeder Seite im Oberkiefer und IS im U nte rkie fe r; nur de r lebende Gavial besitzt oben 2 0 , unten 20 bis 27 Zäliiie
an jede r Seite. —
Z u diesen äusseren Gruppenmcrkinalen gesellen sieb ebenso sichere innere, unter denen, zumal für iiiiscrn Zweck,
die osteologischen obenan stehen müssen. E s sclieint indessen zweckmässiger, ihre Erörtciaing hier noch nicht zu beginnen,
sondern zuvörderst die s]»ezifischen Untcrscliiedc, die geographische Ausbreitung und übcriianpt die sämintüclicn,
rein zoologischen Eigenschaften des Krokodilgeschlcchtes ihnen voranzuschicken.
K r o k o d i l i n e n gieht es gegenwärtig nur in den tropischen und siihtropisclicn Regionen der Erde . S ie sind
intierlialb dieser Grenzen über die ganze Erdobcriläclie v e rb re ite t, und fehlen iiacliwcislicli nur ileii zerstreuten Inselgriip)
icii der S ü d a e e , liehst der bcnachhartcn grösseren Continentalfläciic N e u -H o l i a u d s . Man trifft sic überall iu
diesem Berciciie in der Nähe von Fliisscn, Seen oder sumpfigen Morästen a n , wo sie bei T ag e am liebsten ruhen und
sicli sonnen, während sie bei Nacht oder in der Dämmerung ihre r Nahrung nachgclien. E s sind kräftig gebaute , e r-
wachscn zwischen 4 — 12' lan g e , selten grössere, nngemein gcfrässige T lilc rc , welche allem L ebenden naclistelleii,
besonders aber von F isch en , Wassergeflügel und solchen Sängcthicren sich n ähren, welche gern zu Wasser gehen und
liier eine Iciclite Beute der Krokodile werden. A udi dem Menschen sind sie in diesem Element höchst gefährlich, na mentlich
Badenden oder am Ufer Wascltcnden; ja die Z ahl der jährlich von den grossen Krokodilen de r S u n d a -In s e ln
geraubten Menschen ist so g ro s s , dass M ü l l e r und S c h l e o e l sic höher anschlageii, als die von den T ig e rn z e rrissenen.
Licbliiigsnahrung der Krokodile sind überall in ciiltivirten Gegenden die Schweine, wie schon der alte H e r o d o t
angicbt; e r beschreibt ihren F an g mittelst derselben in Überägypten gerade so , wie e r nocli je tz t im ganzen siidliclien
Afrika der gcwöliiiliche ist. Auch in B ra silien , wo die Krokodile dem Menschen direct keine Gefahr bringen, werden
sie ¡11 der Nähe der Ansicdlungen durch die vielen jungen Schweine, welche sie verzehren, schädlich; B u i im e i s t e r
fand in dem Magen des von ihm zergliederten Individuums ein junges Sclnvcin von 1 '/ / L än g e , das der J a c a r é erst
Abends zuvor verschluckt ha tte . Daneben zeigten sich noch Reste einer früher versclilungcnen türkischen E n te . Ueher-
ra schcnde r, als diese fetten Bissen in ihrem Magen, is t die Anwesenheit von Kieselsteinen oder Holzstücken in ihren
Gedärmen; man wird nicht leicht ein grösseres Individuum ohne dieselben treffen. Dass sie diese harten Kö rp e r aus
blosser F re ssg ie r verscblucktcn, wie oft angegeben wird, glauben wir nich t; wir sehen darin eher acccssorischc Ve rdauungsmittel,
gleich dem Magensaiid de r Kö rn e r fressenden Vögel, welche während der peristaltischen Bewegung die
Zcrreibung der härteren Tlieile de r Nah ru n g , vvie Knoclicn, Schuppen, Federn bewirken iind dadurch dem gefriissigen
Krokodil wesentliche Dienste le isten , indem sic seinen Verdauungsprocess lieschleunigen. —
S.
Das Verdienst, die Untcrschcidnng der Krokodile nach Arten und höheren Gruppen zuerst auf eine solide Grundlage
gebracht zu h aben, gebührt wieder G . C u v i e r . In seinem Aufsatz ühcr die Krokodile der alten und neuen Welt,
welcher 1801 im zweiten Bande von W i e d e m a n n ’s A r c h i v erschien, wies e r die Verschiedenhciteu beider scbarf nach,
und trennte sie in zwei Spe z ie s; bis dahin hatte man alle Krokodile zn einer A r t gerechnet. Seitdem ist das von
C u v iE u aufgcstclite F undameut nur b e fe stigt, ab e r nicht erweitert worden; man hat keine neuen Gestalten aufgefunden
und selbst die Arten nicht wesentlich vermehren k onnen, welche C u v i e r zur Z e it, als e r die Recherckes sut les Oss&n.
fossile s verfasste ( 1 8 1 2 ) , schon kannte. Nur darüber is t man gegenwärtig noch ebenso une inig, wie damals, ob gewisse
Formen als Rassen e i n e r A r t zu betrachten se ien , oder als v e r s c h i e d e n e A r t e n neben einander bestellen,
iiud dies ba t auf die Höhe de r Artenzahl einen sehr bestimmenden Einfluss. L ä s s t man die unsicheren S p e z ie s , von
denen man keine guten Originale k e n n t, fo r t, so braucht man überhaupt nur 10 vcrscliiedciie Spezies anzunchincn,
während C u v i e r selbst deren 1 3 namhaft maclit (a . a. 0 . S . 6 4 .) und die vollständigste Aiifzühlung aller Rassen als
Arten die Summe dersollicn auf 22 bringen müsste. —
F ü r ihre Grup|iiriing iu Iiölicre Abthciluiigcn steht es gegenwärtig wohl allgemein gültig fe s t, dass jene 10
oder 22 Arien mir d r e i e n Ilaiiptgriippcn mit scharfer geographischer Begrenzung aiigehören, wovon je zwei und zwei
liehen eiiiauder aufircten können, ab e r nirgends auf der E rd e aUc drei an derselben Ste lle gefunden werden. ludem wir
hierüber auf C ü y i e r s crsclKipfciide Durstelliiiig in den Rech. s. L Osse>,t. fo ssil. T. V. P. I. pag. 29. verweisen, genügt
es iMis, die Uiitersdiicile jener Gruppen und ihre r Arten kurz auziigebcii. W ir werden also zunächst eluc Charakteristik
der A l l i g a t o r e n , ä c h t e n K r o k o d i l e und G a v i a l c nach ihren wichtigsten Formvcrschiedcnlieitcn versuchen.
9 .
I. A l l i g a t o r e oder K u i i i ia i i s {Alligator C u v . Chavipsa W a g l . ) sind Kroküdilincn mit breiterer Sciiiiautzc,
deren Seilcnraml neben dem Zwischenkiefer keinen starken Einschnitt hat, sondern mit der hinteren Ecke des Zwischen-
kicfcvknochciis eine A r t Kaiipe bild e t, worin sich der v i e r t e sehr grosso Zahn des Unterkiefers bei geschlossenem
Maule verbirgt. Die Zähne ihres Oberkiefers bilden d r e i Gru p p en , die durcli Buchten am Rande de r Sclinautze liezeicliiict
werden und in jed e r Grii])pe verschiedene Grössen annchmcii. Die ci-stc Gruppe sitz t im Zwischenkiefer und
besteht ans 5 Z ähnen; die zweite nimmt die vordere Hälfte des Oherkiercrraiidcs ein, und begreift s e c h s Zälme in sich,
von denen d e r v i e r t e der grösste is t ; die dritte hintere des Oberkiefers enthält s i e b e n Z ä h n e , deren dritte r den
stüi-ksteii Diircliiucsser zu haheu pflegt. Das giebt oben 18 Zähne , unten ist im A lte r einer weniger vorhanden. Jüngere
T h ie rc haben überhaupt mclir Z ä h n e , selbst 20 — 2 1 . — Zwisciicu den Vorderzeben der Alligatoren sind gar keine,
zwisclicii dem bintercu nur kurze h a lb e Sclnvinimliäute vorhauden. —