
Z w e i t e r Ab s c h n i t t .
D i e G a v i a l c v o n B o l i .
E r s t e s C a |) i t c l .
O s t e o l o g i e .
Bev o r Avir «lie Betraclitiing îles Skeletes im Einzelnen b eginnen, wollen wir einen Blick auf die Ge sta lt des
B o i l e r G a v i a l s im Allgemeinen werfen, luii nns niclit bloss sofort von de r coinideteii Aelinlicbkcit desselben mit dem
l e b e n d e n G a v i a l , sondern aucb von seinen allgemeinen Formabwcicbungen zu überzeugen. E s ist niclit die derbe,
gedrungene Kj'okodilgcstalt, sondern wirklich die schlankere, sein lebendes Nachbild noch an allgenieincr Sfrccknng
iibcrtreffciide G a v i a l f o rm , welche wir in dem B o i l e r Geschöpf vor uns haben; und iiamcnllicli übertrifft de r K opf
die VcrläKnisse des lebenden um Vieles an Gracilität. W enn le tz te re r beim lebenden Gavial etwas weniger als den
s e c h s t e n Tlieil der gesammtcn Körperlänge wcgniinmt, so e rreicht e r beim B o i l e r schon etwas mehr als den f ü n f t e n
Th c il. Dieses grössere Vorwiegen des Kopfes ist aber nicbt Folge ciucr allgemeinen D e rb h e it, sondern de r relativ
grösseren L än g e des Scbiiautzeiitbeilcs; das ganze Scbädclgeriist crsclieint fe in e r, sclilanker in allen seinen Tiicileu,
als das entsprechende von Crocodilus gangeticus. In eben diese Beziehung ti'cten die einzelnen Skclcttlicilc zu denen
des lebenden Gcscliöjifes. Alles strebt bei de r nnfergcgangcnen A r t melir in die L ä n g e , als in die Bre ite sicli aiiszu-
deiincii, und nicht bloss die Sclinautz e , auch die einzelnen Wirb c lk ö rp e r, die A rm - und Bcinknochcn sind g racilcr
g e sta lte t, als die ihres heutigen Nachbildes. W enn dessen Vorderbein nur wenig kürz e r und sein ganzes lliiitcrbciii
entschieden länger i s t, grade ansgestreckt, als sein Sch äd e l, so b e trägt beim Boiler Gavial das Vorderbein kaum die
Hälfte des Kojifes, und das Hinterbein bleibt ansgestreckt entschieden hinter dessen Länge zurück. Se lbst der Schwanz,
dieses sta rke O rg an , scheint nach Verliältniss etwas kürzer gewesen zu .sein. E s spricht sich in allen diesen Unterschieden
eine be sonde re , gewandtere Bewcglicbkeit im W a sse r au s , und somit ein viel grösseres, leichter ausführbares
Scliwinimveriuügen; der B o i l e r G a v i a l sclieint anf sciinellere Wasscrbewoliner als seine Nahrung angewiesen gewesen
zu s e in , und deshalb einen um so viel gracilercn Körperbau besessen zu haben. —
41.
Die allgemeine Form des Schädels lässt sicli ans unseren Abbildungen (T a f . IX . und X I I .) dcutlicli erkennen.
Eine hintere, herzförmig gestaltete, rückwärts breitere Geliirnkapsel gebt vorn in eine lange, allmälig verjüngte Sclinautze
ü b e r, deren Ende sieb zu einer bre iten , fast kreisrunden Mündung erweitert. Bis dahin ist die Sclinautze ziemlich
dre lirnnd, sta rk gewölbt, und allseitig gerundet; an der S p itz e sinkt sie sclincll lie rab, und bildet liier einen niedrigen,
flaclien Bo g en , über den sich das vordere E nde der oberen K a n te böckcrartig erhebt. Von der Mitte des Scbnaiilzeii-
fheiles an beginnt seine Oberfläche sicli san ft nach hinten zu h eb en , his sic in die bre ite , abgcplaffetc, griibig sciilpirtc
Stirn iibergeht. H inte r derselben zieht sicli die Sclieitelfläclie in eitlen schmalcti Längskainm zusammen, der die beiden
gi-osscn, ovalen Scliläfcngnibcnlöcher tren n t. Jenseits de r Mitte erweitert sich der Kamm wieder und dclint sicli an
seinem Ende in eine bre ite , scharfkantige Querleiste aus, welche die obere Grenze des Hintcrlianpfcs bezeichnet. An
die beiden E ck en dieser Querleiste stossen die breiten Knodienbngen, welclic von der O rbita znm Hinterhaupt sich
hcgcben, und unter dciiselhcii verläuft in gleiclier B ld itiin g , doch etwas mclir noch abstclicnd, der Jochhogcii. Beide
legen sich von aussen a a f den sta rk e n , krä ftig en , seitwärts nach unten und hinten ahstclienden Paiihcnknochcii, welclier
an seiner unteren breiten Gclenklladic den Unterkiefer tragt. L e tz te re r liat die Gesammtform eines Y, mit langem
vorderen Stiel und wenig kürzeren Hinfevschenkdn, deren scharfe aiifgcbogone Spitzen Über die Anliei'tangsstellc in der
Gclenkgrabe weit hinausragen. — Die ganze Länge des Schäde ls, vom Sdinantzenraiide bis z a r Hinter],aupfsidste,
betragt bei dem grössten Exemplar 2 T " 9 " ', bei dem etwas kleineren 2 1 " ; der ganze Untcrkierer hat dort 3 2 " , liier
2 4 " L än g e . Die giösate Breite des Seliädcls zwischen den unteren Rändern der Joclhogen ist bei jenem Exennilar
nicht zn messen, hci diesem lindet man 7*/a", wovon aber der liallie Zoll auf Rcehiumg der Zcrlriiminening kommt.
Darnach verhielte sielt die L än g e zu r grössten Bre ite , wie 3 zu 1 heim ansgewachsencn T h ie r ; dus grössere Individuum
hätte also 9 " von einander abstehende Pankeuhcinc gehabt. —
42.
E s scheint unnöfhig, die Gesamintform weiter zu l)es(irechen, vielinelir eine sorgrältlge E rörte rung der einzelnen
Knochen des Sehädelgcrüstes einen höheren Mterth zu haben. Mä r verfolgen dieselbe von vorn nach hinten. —
D ie änsserste Sgitze der Sehnaiitze und somit des ganzen Schädels nimmt der Z w i s c h e n k i c f e r (os incisimm
s. iniermaxillaTe, a ) ’) ein. Grade von oben oder von nnten be tra chte t, ha t derselbe einen fast kreisförmigen, nur in
der Langonricktimg ein wenig verkürzten Umriss, wie nnt der T a t. IX . dcullich zn sehen ist. In der .Mittellinie, wo
beide Hälften des Knochens vorn zusainmcnstosscn, is t der Zwischenkicfer leicht cingckerht und dnrcU eine Naht lialbirt.
Seine untere Eläclio is t am Uiiitangc eben, gegen die M itte verlieft nnd dnrch die fortlanfondc Naht getlicilt. Am Umfange
finden sich a c h t ungleiche Alveolen, vier in jeder Hälfte. Davon is t die vorderste neben der Mittelnalit selir
klein nnd tnebr oder weniger mit der zweiten z u r 8 -E o rm verbunden; die zweite nnd vierte haben einen zicmlicli
gleichen Umfang, der an dem kleineren Eicm p ln r 3 " ' im Durchmesser b e tiäg l; die dritte Alveole is t die grösste, obwohl
niclit gerade sehr viel grösser, als die beiden neben ih r ; ihr Dnrchmcsser beträgt Hinter der vierten Alveole
ist der Rand jilötzlich sta rk cingezogeu und abgerundet; bis dahin war e r scharf; e r bildet eine kleine Bnciit, nnd darin
miindet die N a h t, welche den Zwischenkicfer vom Oberkiefer trennt. S ie verläuft von da schief nach vorn und innen,
dem äusseren Umfange des Zwisclicnklcfers fa st conccntrisch, so dass die Mitte der enveitcrteii S p itz e niclit mehr zum
Zwisclicnkiefcr gcliört. E s wurde das e rst nach Antc rtigang von T a t. IX . dcutlicli c rkiiiinl, daher die Naht hier fehlt,
ehe r in der bcaoiidcrcu F ig u r 3. T a f. X I I . haben wir den Zwischonkictcr dafür in bclräclitliclier Grösse abgchildel. Auch
is t sie ganz ebenso, und mit R e ch t, in F ig . 1. auf T a t. I . von K a d i ’s und B n oN s ’s Monographie verzeiclinet. Diese
F ig u r stimmt daria mit nnscrcm kleineren Exemplar iiliercin, dass die dritte Alveole der vierten beträchtlich nälicr steht,
als der zweiten. Auf der oberen S e ite bildet der Zwischenkiefer nm die quer oliionge, kurz licrzferinige Miiudnng der
Nase einen verdickten, gewölbten R a n d , der je iiielit nach h in ten , um so dicker und liöher wird. W o beide IVölstc
in der M ittellinie liintcr der Nascnniönduiig ziisainmenslossen, da bilden sie einen Höcker, von dem ein jähe r Absturz znm
Nasenloch hinahtüln-t. Dieser Höcker verflacht sich naeh hinten nnd gehl in eine lange Spitze ü b e r, welche ans den
liintcren E nden beider Zwiscbcnkicfcr be steh t, die sich hier zwischen die Obcrkicferkiiochcii liincinschlcbcn. Bei dem
grösseren Exemplar is t dieser F o rtsa tz über 3 " lan g ; hci dem kleineren belrägt die grösste Breite des crwcilerlon
Schnantzcncndcs 1 " 7 " ', am grossen lä sst sie sich nicht scharf messen; die angezogene F ig u r von K a u i lial 2 " 1 '
Bre ite . Ehcndiesclbo zeigt in der Milte der Längsnaht am Zwisclicnkiefor nntcn eine hcmcrkbaic L ü c k e , gleichsam
e inen hiatus in d s im s , die ich dcslialb an nnscrem Exemplar niclit mit Sicherheit IcslslcUen k a n n , weil dasselbe der
L änge nach gespalten ist (T a f . IX .) . Indessen scheint gerade das änsserte Ende von dem Rande stä rk e r zn klaifen,
als die Gegend weiter z u rü ck , was nir die Anwesenheit einer solchen Lilckc sprcclicn dürfte. D e r l e b e n d e G a v i a l
hat niicli einen schwachen Mal,a in dsicus an derselben SleUo (T a f . IV .) , e r weicht aber vom B o i l e r G a v i a l darin
sein- a b , dass hci ihm die ganze erweiterte Eläohc der Sclinautze zum Zwisclicnkicter g eh ö rt, nnd ein älmlichcr spitzer
F o rts a tz desselben, wie auf der Oberseite, zwischen die Oberkiefer nacli liintcn sich hcgfcht. A u d i träg t sein Rand
f ü n f Alveolen oder Z ä lm e , deren S te llung eine ganz andere ist.
D ie jungen T h ic r c , B n o sw ’s F ehgc saurus, verhalten sicli zn den alten ganz ähnlicli, wie die Jungen und
Alten des Icliciidcii Gavials. E s is t die cnvcitcrlc Spitze bei dem Jungen viel sclimäler und die Wölbung de r Kn|i|ic
älicr dem Nascnlocli ungleich geringer. Ganz junge Tliicrc werden noch g a r keine erweiterte Spitze, sondern mir einen
leiclilcii Ansschiiitt am Seilcnrnndc h ahcn, nnd in dem Mansse, wie sie älter werden, iimss die Erwcitornng in die
B r e ite , wie in die Dicke zimolimcn. Unser E x em p la r, freilich am Schnanlzcnrandc etwas bcscliädigt, lässt das niclit
verkeimen. B iio .x s ’s F ig u r 2. T a t. H I . gehört cinciii etwas älteren Iiidividunm a n , als tinsor junges T liie r , und dalicr
crsclieint auch die Erwcitoning schon viel hcstimmtcr; viel ä lte r , aber doch etwas jü n g e r, als unser grosses Exemplar,
war das auf T a t. I I . F ig . 2. a und T a f. I I . r t ahgcliiidete T liie r, welches Bnon-x nicht mclir zn P dagosamus, sondern
ZU Myslriosaurus reclmct.
A n m e r k u n g . Die Verschiedenheit, welche in d e r Gaumenfliichc des Zwischcnkicfcrs d ieser untergegangenen
Gallimg und dev lebenden sich a u ssp rich t, is t von grösser Bedeutung, u nd deshalb wUnschenswerlh, das Verhältniss
der ithrigcn fossilen Genera da rau f kennen zu le rn en . Bei Teleosaurus finden sich ebenfalls 4 Ztihnc im Zwischcn-
») 1I.T diu bczpicliiicndcii Buchstabeu auf allen Tafelu n
Tafeln, wo jeder Kiioelieu vorkoniml, für übsiHüssig.
I und denselben Knochen aiizeigen, so hallen wir die ErwÜhnuug der
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