Ich habe viele Stein-Seeigel in hölzernen und porzellanenen Gefäfsen mit See-
wasser angefüllt in meiner Wohnung aufbewahrt, um ihre Lebensäufserungen zu beobachten.
Das was ich an diesen Thieren beobachtet habe, will ich hier mittheilen.
Die Seeigel richteten nach einiger Zeit, nachdem sie in die Gefäfse gelegt waren,
die Stacheln auf, und zwischen diesen traten die Füfschen hervor, welche sie sehr
lebhaft bewegten. Die Thiere giengen oder bewegten sich auf dem Grunde der Gefäfse
fort, mit dem Munde nach unten gerichtet. Mittelst der Füfschen betasteten
sie die Umgebungen und sondirten den Weg, den sieeinschlagen wollten. Hierauf
saugten sie sich mit einem Theil -der Saugnäpfchen der ausgestreckten Füfschen fest,
und die übrigen Füfschen zogen sie an, um sie ebenfalls vorwärts zu bewegen und
anzusaugen. Durch -das abwechselnde Ausstrecken und Ansaugen, und durch das
Anziehen und Wiederausstrecken der Füfschen erfolgte die Bewegung -des Körpers
sehr schnell. Die Thiere schritten nicht allein auf ebenen Flächen fort, sondern sie
bewegten sich auch auf schiefen und perpendikulären Flächen, denn sie krochen an
Steinen herauf, welche ich in die Gefäfse gelegt hatte. Auch selbst an den Wänden
der Gefäfse konnten sie herauf kriechen. Mittelst der Saugwärzchen der Füfschen
saugten sie sich so fest an den Steinen und an den Wänden der Gefäfse an, dafs
ich einige Gewalt anwenden mufste, um die Thiere loszureifsen. Der Stacheln bedienten
sich die Thiere bei diesen Bewegungen durchaus nicht, sondern diese blieben
aufgerichtet und ausgestreckt.
Wenn ich Seeigel auf den oberen Theil der Schale legte, so dafs (Ke Mundöffnung
nach oben gerichtet war, so blieben sie nicht lange in-dieser Lage, sondern,
sie bewegten die Stacheln stark gegen den Boden des Gefäfses, um mittelst derselben
den Körper wie durch Hebel aufzurichten und umzulegen ■ *. Bei diesen Bemühungen
streckten die Thiere auch die Füfschen aus und suchten dieselben an benachbarte
Gegenstände anzusaugen, um den Körper auf einer Seite aufzurichten nnd
gegen die untere Fläche umzulegen. Sobald sie wieder in ihrer gewöhnlichen Lage
waren, bewegten sie sich auf die zuvor beschriebene A rt fort. Mehrmals habe
ich Seeigel zwischen Steine-gelegt, auch hier bedienten sie sich immer der Stacheln,
um sich eine Lage zu geben, in der sie mittelst der Füfschen .fortschreiten konnten.
Demnach sind die Stacheln nicht als die eigentlichen Bewegungsorgane, sondern als
blose Hilfsorgane zur Bewegung zu betrachten. Die wahren Bewegungsorgane sind
die Füfschen oder Tentakeln 5 6. Wenn ich Seeigel aus dem Wasser herausnahm und
5 Wie auch schon P. BeHonius a. a. ~0 . p. 386 angegeben hat: Echinas minor est reliquis omnibus v iv idior:
Nam s i -supinum ponas, mox snas spinas deprimit, et-6e in pronam partem convertit Plures habet
quam alii proboscides : idcirco citius repit, firmiusque haeret.
6 Aristoteles Hist Animal. Lib. 4 Gap..5 . Motu maxime et agili et frequenti .moventor esculenti ^E d rinQ :
cujus rei argumentum praebent, quod aliquid semper spinis sublatum gérant
— .Spinis antem .ntitur quasi pedibus, his enim inhixus et movetur et mutât locum.
Gandolphe hat richtig bemerkt, dafs die Seeigel nicht mittèlst* der Stacheln, sondern mittelst der
eben "beschriebenen Tentakëln oder Füfschen 'gehen. Siehe die Histoire de PAcad. des Sciences Année
1709 p. 33. Les Naturalistes croyent, que les Epines dont les -Oursins sont herisés, leur tiennent
lieu de Jambes, et qu’ils s’en servent pour marcher. Mais M. Gandolphe ayant observé à Marseille ces
animaux, qui marchoient asséz vite au fond de la mer, a découvert que ce ne sont point leurs Epines
qui exécutent ce mouvement, mais des Jambes disposées autour de leur bouche, qui est toûjonrs
tonrnée contre Je fond de la mer, ces Jambes disparaissent entièrement, des que les Oursins sont tirés
du fond de léau, et delà est venue. Terreur commune. On a sû qu’ils marchoient et on n’a point y û
auf eine Schüfsel legte, in der sich kein Wasser befand, so blieben sie unbeweglich
mit eingezogenen Füfschen liegen. Gofs ich das Wasser aus den Gefäfsen, an deleurs
Jambes, parce qu’on ne les a point vûs.marcher dans la mer. Elles ressemblent à celles d’un Insecte
plat, nommé Etoile de mer, que M. Gandolphe a étudié à Dunquerque.
Reaumur bat die Tentakeln oder Füfschen sehr gut beschrieben und abgebildet in den Mém. de l’Acad.
des Scienc. Année 1 7 12 . Er tadelt mit Unrecht Gandolphe und nimmt an, dafs die Seeigel mittelst
der Stacheln gehen, p. 136. Les Naturalistes néanmoins ont eu raison de croire que les oursins se servent
de leurs épines, au lieu des jambes. Je les ai v û marcher avec ces mêmes épines, dans des circonstances
oii il n’étoit pas possible de s’y méprendre. Nob seulement je les ai vû se mouvoir par leur
moyen, les ayant mis dans des vases ou l’eau de la mer les couvroit peu, et ou il étoit 'par conséquent
très facile de les observer; mais ayant mis même ces animaux sur ma main, jè leur ai vû exécuter
leur mouvement progressif avec leurs seuls épines. — Ce fait est donc certain, qdelque contraire
qu’il- so it aux observations de M. Gandolphe.
P. 13 7. Les jambes ressemblent à la vérité par leur figure aux jambes des Eto ile s , o u , pour en
donner une idéè plus claire, -à ceux qui ne connoissent par ces jambes, elles ressemblent aux cornes
des Limaçons. Aussi ne leur donnerons-nous plus que le nom de Cornes. Leur usage est bien diffèrent
de celui que. M. Gandolphe leur a attribué, loin de servir à mouvoir les Hérissons, elles servent à
les fixer. Le Hérisson les employé aussi pendant qu’il est en mouvement pour reconnoître le terrain,
qu’il environne, comme les Limaçons se servent des leurs, ou comme un aveugle tâte avec un bâton
les corps qui se trouvent sur sa route. Pour cela il allonge et raccourcit alternativement les unes ou
les autres pendant sa marche.
D’A rgenville hat die Tentakeln beschrieben und abgebildet in s,. Conchyliologie Paris 17 5 7 . 4. P. 2.
p. 62» Planche 7. fig. A.
Baster hat die Tentakeln oder Füfschen von Echinus cidaris sehr gut beschrieben nnd abgebildet in
den Opusc. subsec. p. 1 1 4 . Er sagt p. 1 13 : Aculeorum eorundem et proboscidum ope e loco in locum
Echini se movent, utrisque eundem in finem utentes : posteriorihns tarnen potissimum, ut se loco cuidam
affigant, quod si fuerint, v i eos avulsurus harum proboscidum aliquot plerumque rumpat.
Janus Plancus (Bianchi) hat die Tent'acula des Seeigels in s. Epistola de incessu marinorum Echi-
norum ac de rebus quibusdam aliis marinis ad Ferdinandum Bassium beschrieben in d. Comment. Instit.
Bononiens. T . 5. P. I . Opusc. p. 236« Er hat es aufser allen Zweifel gesetzt, dafs sich die Seeigel
mittelst der Tentakeln oder Füfschen und nicht mittelst der Stacheln fortbewegen. Er sagt: p. 237.
Ut progrediantur vero Ecbini, in aqua, ita se. componunt, nam extra aquam non progrediuntur unquam,
ut dixi, ut innumera cornua emittant per foraminula, quae jacent inter spinas. Haec cornua tertio sal-
tem longiora sunt spinis ipsis. Cornibus igitur ipsis istis veluti cruribus progrediuntur, et tune immobiles,
et radiatim extensos gérant aculeos. Istis cornibus non tantum progrediuntur, sed haerent quo-
que, si lubet, lo co , cui insunt, ut observavi; nam Echini per catinum fictile fäventino vitro prope ob-
ductum, et lateribus ad horizontem parum inclinatis, et fere perpendicularibus ascendebant et catino ita
haerebant interdum, ut non facile ab eo divellerentur. Extra aquam vero Echini statim intra porpus
cornua sua recondunt et non amplius incedunt spinas tantum, seu aculeos tune motitant, quibus si la-
teraliter siut locati, pronos supinosve, ut d ix i, se componunt. In catino plano et in discis etiam progrediuntur,
et haerent suis cornibus Echini, si aqua tertiam saltem partem eorum corporis operiat, at
si aqua omnino detrahatur, immobiles statim subdüctis cornibus fiant, et a vase decidunt sponte, si
vas inclinetur, quod non ita accidit, si vas sit aqua refertum, cornibus suis fundo, v el lateri vasi arcte
insistunt et haerent. Quare apparet, male eos sensisse, qui asseruerunt, Echinos spinis incedere ; nam
spinis ascendere nunquam possent, si vas latera habeat laevigata et fere perpendicularia, ut habebat catinum
illud vitriatum et lebes aeneus, in quibus Echinos v ivos collocavi et ascendere observavi, ut
extra ea vasa egrederentur, nisi ■ operiantur. Corpora enim acuta et dura, ut sunt Echinoram aculei
corporibus duris et laevigatis nunquam haerere possunt, praesertim si latera sint perpendicularia vel ad
horizontem parum inclinata.
Spallanzani hat ebenfalls die Tentakeln oder Füfschen und die Bewegungen der Seeigel beschrieben
Lettre de M’ l’Abbé Spallanzani à M. Charles Bonnet, sur diverses productions marines in Rozier Observations
sur la Physique etc. T . 28* Ann. 1786. P* 252. Mouvement progressiv des oursins de mer.
Spallanzani hat g ezeigt, dafs die Tentakeln die eigentlichen Organe der Ortsbewegung sind, und dafs
die Stacheln nur wenig zur Bewegung beitragen.
Al. Monro hält irrig die Stacheln der Echinus esculentus für Füfs'e, in s. Vergleichung des Baues u. der Physiologie
der Fische aus d. Engl, übers, v . J. G. Schneider p. 88- Die Schale des Seeigels ist mit einer Haut