VOBWOET.
- iiber das eigentliche Studium der Menscliheit ist der Mensch.
GfflTIIE,
Und der Meiiscli ist v. A. sein Gehirn.
Das Menschunhira, das grösste Wunder der ganzen Schöpfung, verdient gewiss mehr als jedes andero Ding
der belebten und unbelebten Natur eine in die feinsten Details eindringende Untersuchung und Darstellung.
Das Organ der icenschlichen Seele ist auch seit Alters her ein Lieblingsstudiura der Anatomen gewesen,
und sogar Philosophen ersten Ranges, wie Dbscaetes, haben es zu\veilen nicht als »unter ihrer Würde» erachtet,
sich durch eigene Untersuchungen eifrig zu bemühen, die Geheimnisse der Oi-ganisation dieses wundci-vollen
Organsystems dem Blick zu erschliessen.
So lange das Mikroskop und die mikroskopische Technik noch nicht zu den Errungenschaften der mensclilichen
Cultur gehörten, muaste die Thür der »geheimnissvollen Gemächer der Seelenwohnung» der Forschung
verschlossen sein. Man versuclite aber, durch immer eingehendere Untersuchungen der Oberfläche und der Höhlen
des Gehii-ns die allgemeine Gestaltimg des Organs und der dasselbe zusammensetzenden, makroskopisch eruirbaren
Theile zu erforschen. Eine Menge Beschreibungen und Benennungen der einzelnen Theile des Gehirns, v. Ä. derjenigen
der Basalregion und der Hühlen, stammen aus alter Zeit her.
Was die Furchen und die Windungen anbelangt, so gelang es aber erst den Anatomen der Mitte unseres
Jahrhunderts, den Faden in den scheinbar so verworrenen Irr^ángen zu finden. Nachdem v. A. GnATiOLEX das
erlösende \^'ort ausgesprochen und den Grund zu der Erforschung dieses Problems gelegt hatte, ist man auf diesem
Gebiete immer weiter fortgeschritten, so dass nunmehr die dasselbe betreffende Litteratur einen recht ansehnlichen
Umfang erhalten iiat.
Nachdem aber das Mikroskop nicht nur erfunden, sondern immer mehr vervollkommnet worden war, und
die mikroskopische Technik die Sch\\'iei-igkeiten, die sich sowohl der Härtung der Organe und der Geivebe
als der Deutlichmachung der Gewebsei eme n t e entgegenstellen, mittelst ausgezeichneter Färbungsmetoden immer
siegreicher zu bewältigen vermochte, ist die Erforschung der Structur des centralen Nervensystems in seinen
feinsten Einzelnheiten eines der höchsten Ziele der modernen Histologie geworden.
Golgi's und Ehuucü's iveittragende Erfindungen von Färbungsmethoden, durch welche specielle Elemente
des Nervensystems in ihrer Lage, Gestalt und Ausbreitung dcmonstrírt werden können, haben schon durch die
wundervollen Entdeckungen von Golgi selbst, v. A. aber durch diejenigen von Ramón y Cajal und den Forschern,
welchc sich ilim bald anschlössen, von Küllikek, von Lenhossek, van Gehuchten, Dogiel u. A. — eine
Revolution in der Lehre vom feineren Bau des centralen Ner\'ensystems und der Sinnesorgane durchgeführt.
Icli selbst habe mich schon früh der Schaar dieser Pioniere angeschlossen und áas Problem sowohl mit der
EuuLicn'schcn, wie mit der GoLGi'schen Methode im Reichc der Wirbelthiere und der Wirbellosen von mehreren
Seiten angegriffen. In dieser Weise bin ich dazu gekommen, mich noch einmal — nach einer Frist von zehn
Jahren — mit einem eingehenden Studium des MenschenJiirns zu befassen.
Dabei fand ich — es wur im Jahre 1887 —, dass auch unsere Kenntniss von dem makroskopischen Bau
des Menschenhirns, soivohl des sich entwicMnden, als des ertoachsenen, trotz der vielen, bis dahin ausgeführten Untersuclmngcn
noch recht lücken- und mangelhaft ^v•ar. Mit Studien über die feinere Structur der Oberflache des
Gehirns, v. A. der Basali-egion und der Ventrikel beschäftigt, überzeugte ich mich auch, dass es für eine genauere
Bestimmung der zu untersuchenden Localitiiten, an mehreren Stellen des Gehirns nothwendig war, diese