ist es nicht zu verwundern, dass Gebirne, ^^'elche wahrscheinlich von ungefähr demselben Alter gind, eine
verschiedene Entivicklungsstufe zeigen können. Bald findet man also milnnliche, bald weibliche Gehirne von
ungeffl.hr dem gleichen Alter, die eine weiter vorgeschrittene Ausbildung der Furchen und Windungen darbieten.
Ks kann dies natflrlicherweise von ¡nehreren Ursachen herrühren, v. A. aber von besserein Ernährungszustand,
von der Gesundheit der Mutter u. s. \v. Wenn man aber dazu bedenkt, wie selten es gelingt, eine sichere
Altersbestimmung eines Foetus zu erlangen, und dass unsere gewöhnliche Bestimmung des Alters nach der Länge
recht betrügerisch ist, so lilsst es sich leicht einsehen, vne sch^ver es sein wird, in Betreff von sexuellen
Verschiedenheiten jn der foetalen Ent%vicklung des Gebims zu sicheren Ergebnissen zu gelangen. Dazu braucht
man jedenfalls ein ausserordentlich grosses Material und präcisere Altersdata, als es uns bis jetzt möglich war,
zusammenzubringen. IL
ZUR MORPHOLOGIE DES ENTWICKELTEN GEHIRNS.
I. Die Hirnventrikel und ihre Umgebungen.
Indem ich jetzt zur Darstellung meiner Beitrage zur Morjjhologie des entmckelten Gebirng obergehe, fange
ich bei dem hinteren Theile an, um zuerst die StammtheCe zu besprechen. Dabei werde ich nach Möglichkeit
die von Hrs und der Nomenclatur-Commission "vorgeschlagenen Bezeichnungen benutzen. Indessen sehe ich mich
veranlasst, hier und da. neue Namen einzuführen. Es giebt nllmlich am menschlichen Gehirne, wie ich bei
meinen Untersuchungen gefunden habe, einige Partien, welche bisher zu summarisch, ja sogar oberflächlich und
schematisch behandelt worden sind. Ein so überaus wichtiges Organ wie das Menschcnhirn verdient doch auch
in den feineren Details seiner Morphologie genau eruirt und beschrieben zu \verden, v. A. ^venn sich diese Details
als constante Vorkommnisse erweisen. Aber auch die Kenntniss der wesentlichen Variationen solcher Theile
ist für die Mor])ho]ogie eines derartigen Organs von Interesse. Ich habe mich nun bemfibt, v. A. solche Partien
des erwachsenen Gehirns, die mir zu wenig berücksichtigt erschienen, genauer, und z^var nicht nur mit blossem
Auge, sondern auch mit der Loupe zu erforschen. Dagegen liegt es nicht im Plane dieser Arbeit, die mikroskopischen
Verhältnisse zu besprechen, weshalb ich diesmal vollständig davon abstelle.
1. Das Rautenhirn (Rhombencephalon).
Das Rautenhirn umfasst nach der Auffassung von His und der Nomenclatur-Commission die Medulla oblongata,
den Pons, das Cerebellum und den Isthmus. Hinsichtlich ihrer gröberen morphologischen Ent\\'icklung sind diese
Partien durch die Forschungen mehrerer Anatomen, v. A. durch die von VON KÖLLIKER und His, so ^veit eruirt
worden, dass ich auf sie nicht einzugehen brauche, sondern, an die Darstellungen dieser Forscher anknüpfend,
hauptsächlich die Verhflltnisse des entwickelten Rautenhirns besprechen will. Ich kann indessen nicht umhin,
auf einige meiner Tafeln (Taf. I, II, IV etc.) hinzuweisen, wo manche Figuren zur Erläuterung der fraglichen
Entwicklung dienen können.
Ich gehe hiermit zur Darstellung des vierten Ventrihels fiber. Seine hintere Begrenzung bilden bekanntlich
die beiden Clavit der Fasciculi graciles, welche am foetiilen Gehirn (Taf. XXXV, Fig. 1—5; Taf. XL, Fig. 1)
als rundlich-ovnle, unter einander sturk dii-ergii-ende Höcker erscheinen und nach aussen-hinten von den ebenfalls
liöckerigen Tubercula der Fasciculi cuneati begrenzt sind, an welche hinten-aussen wieder die Tubercula der
Fa.sciculi Rolandi stossen. Die Decke des vierten Ventrikels, deren erste Entwicklung v. A. von KOLLMA.VN,
V. KÖLLIKER und His in eingehender Weise eruirt worden ist, bleibt im ausgebildeten Zustande bekanntlich zum
grossen Theil ependymatös. Au iiir entstehen schon früh, im 4., ja zuweilen sogar schon im 3. Monate Durchbrüche,
Löcher, und zwar ein mediales, das von MAGKXDIE entdeckte, nach ihm benannte Foramen Magendii, und
z^vei laterale, welche zuerst LUSCHKA besclirieben hat und die deshalb oft als »Foramina Luschkas bezeichnet