
In den einzelnen Felsenschluchten, die den
obern Circus der Grube mannichfaltiger machen,
deren fünf sind , findet man den ganzen Sommer
hindurch meist Schnee , welcher sich zu
hieinen Gletschern verhärtet, und der Küchel
das Wasser giebt. Die Mühe, bis in die einzelnen
Schluchten über die Einstürze hinauf zu Klettern,
wird reichlich belohnt durch den nähern
prächtigen Anblick der wunderbar gestalteten
Granitmassen. Wer behutsam ohne Schwindel
klettern kann , der wird den Weg durch die
gröfste mittlere Schlucht in die Schneegrube hinunter
und hinauf allen ändern Wegen vorziehen.
Ich wählte diesen Weg meist, wegen des erhabenen
Eindrucks, den er verursacht.
Das Knieholz , wrelches die Höhen des
Riesengebirges, wo keine Fichte mehr wegen
der drückenden Schnee - und Eislasten gedeiht,
überall bewaldet, ist eine Kiefernart, die nie
zum Baume sich b ildet, wenn sie auch in Gärten
verpflanzt wird. Diese Strauch art kriecht
schlangenförmig auf dem Boden oder Steinen
hin 30— 50 Fufs weit, schlägt da, wo sie Boden
findet, neue Wurzeln und treibt dichte Aeste
und Zweige über Mannshöhe hinan.
Die Nadeln sind, wde bei der Kiefer1, nur
etwas kürzer und dichter, in Büschel zusammen
gedrängt, lebhaft und heller grün, als die Nadeln
der Tanne und Fichte. Die Frucht ist wie
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ein kleiner Kieferapfel. Das Holz ist nicht hart,
und wegen seiner Windungen sehr elastisch, daher
es sehr schwer und mühsam is t , sich durch
einen Knieholzwald einen Weg zu bahnen 5 man
geräth, selbst bei der geschicktesten Gewandtheit
des Körpers, auf jedem Tritte in Gefahr zu
fallen.
Die stärksten Stämme werden ohngefähr
s ch en k e ld ic k . Die Schneelerche und das Schneehuhn
befinden sich nebst Rehen und Hirschen
ruhig darin.
Wer die erhabnen Felsenmassen in der gros-
sen Schneegrube besehen h a t, dem wird die
ausgebreitete, oft uribegränzte Aussicht auf dem
Gipfel des grofsen Rades, einen ganz neuen
Genufs gewähren. Statt, dafs man in der
Tiefe der Schneegrube von den ungeheuren
Felsenwänden wie in den erhabensten Tempel
eingeschlossen war, und nichts als das Grofse der
Gegenstände nebst seiner eignen Kleinheit und
Beschränktheit empfand, fühlt man auf der Höhe
des grofsen Rades sein ganzes Wesen so erweitert
und ausgedehnt, dafs es wohl Zeit und
Mühe lohnend ist, sich diese so verschiedenen
Gefühle, die man an wenig Orten so vollkommen
und so nahe beisammen findet, in der
Wirklichkeit zu verschaffen, und seine ästhetischen
Betrachtungen darüber anzustellen.