
höherer Berge für sehr reizend: Man schwebt
im Gefühle über die Tiefe des Thals hinüber zu
den von der Zwischenluft so sanft blau tingirten
Bergen 5 verweilt, wie der Schmetterling auf seinen
Blumen , auf den Gegenständen, die das
Auge vorzüglich anziehen, und würde, hätte man
den schweren langsamen Körper nicht, lieber
wirklich gleich von einem Berge zum ändern
hinschweben. Aber die Erdennothwendigkeit
zupft uns in einer solchen Träumerei am Ende
beim Ermel, um uns zu erinnern, dafs wir eben
darum den langsamen Körper haben, um uns
durch ihn um so gewissere Sinnenüberzeugungen
und den Zusammenhang von Kenntnissen
zu verschaffen, weil wir sonst vielleicht nur
Bruchstücke, wie einzelne Lichtfunken eines
Genies, erhaschen würden, wenn wir zu schnell
bei den Gegenständen vorbeischlüpften.
Ich führe meine Leser vom Hochsteine hinab
, und lasse sie die gebahnte Strafse im Schreibershauer
Thale zur Linken abgehen, um die
mehr anziehenden höhern Theile des Gebirges
zuerst zu besuchen.
Wir nehmen unsern Weg queer durch den
obern Theil von Schreibershau gegen die Westseite
des R e i f trägers , steigen wieder bergan,
und stehen nach ein Paar Stunden an einem Abgrunde
, wo die Felsen gegen 60 Fllen tief senkrecht
zerspalten sind} steigen auf einer Leiter,
welche 26 Sprossen hat, hinabffn den Abgrund,
durch welchen das Wasser schäumt , winden
uns dann an der rechten Felsen wand auf hölzernen
Stegen in der engen Schlucht südwärts
hinauf zu einem grofsen offnen Wasserkessel,
welcher von einem hohen Felsenamphitheater
rund eingeschlossen, mit Bäumen, Sträucherü
und Kräutern vorzüglich schön und üppig an
seiner Abendseite bekleidet ist. In diesen 120
Fufs tiefen Kessel stürzt der Zackenfall in drei
Absätzen herab. *)
Der Anblick ist grofs und feierlich. In seinem
schönsten Reize erscheint dieser Wasserfall
in den ersten Nachmittagsstunden, wo die
Sonne über ihm steht. Man mufs, wenn man
diefs grofse Schauspiel der Natur besehen hat,
die Leiter wieder hinaufsteigen, weil diefs der
einzige Weg hier ist. Oben giebt es, ein wenig
südwärts über der Leiter, noch einen Punct am
Felsenabhange, wo man den ganzen Wasserfall
bis in seine Tiefe hinab mit einem vollen Blicke
fassen kann.
D er Weg führt dann O immer höher ,' dem
nördlichen Fufse des R e if träger s näher , zur
neuen schlesischen Baude , wo man das erste
Gebirgs-Nachtquartier auf dem Heuboden hält.
*) Man sehe No. III. der Schlesischen Ansichten etc. Der
Zackenfall bei Schreibershau.