seinem „neueren Algensysteme" angenommen werden, d e r wegen der Entwicklungsgesc.hichte
des Laubes aus der Scheitelzelle Dictyota geradezu mit den Fuceen vereinigt und die Hautbn-
ifüclite als ebene, nicht vertiefte Fueus-conceptacula betrachtet. Hiornacb konnte auch das
Vorkommen von Antheridien bei Dictyota niclit überraschen; wohl aber erwartete ich ein
Ausschwärmen clor Samcukorper mit Hülfe von Oilien, wie sie in so eigentliüiiilicher Anordnung
sich bei allen Fucaceen vorgefunden haben. Allerdings ist der Bau der Antheri-
dieii von Dictyota ganz verschieden von denen der Fucaceen, wo die zoosporenähnlichen
Samenkorper sich bekanntlich in grösserer Anzahl in den Antlieridiciimutterzelien entwickeln,
während bei Dictyota sich stets in jed e r Samenzelle nur e i n Samenkörper erzeugt. Dagegen
findet sieh diese Entwicklungsweise bei den von T h u r e t entdeckten Antheridien von Cut-
leria, einer Alge, die gewöhnlich in die nächste Xähe von Dictyota gesetzt wird; hier stellen
die Antheridien cylindrische Schläuche dar, welche nach den Zeichnungen zu urtheilen, aus
16 über einander liegenden Reihen von j e 4 oder 16 Zellen bestehen und deren Inhalt sich
zu je einem Samenkörper ausbildet; das wäre der Entwicklung der einzelnen Antheridien-
mutterzollen von Dictyota analog.
Bei Cutloria durchbrechen die Samenkorper schliesslich ihre Samenzellen, und
schwärmen mit Hülfe von 2 Cilien nach Ai't von Zoosporen umher. Um so mehr
musste ich daher erwarten, dass auch bei Dictyota dio Samenkörper nach dem Austreten
ins Wasser eine eigenthümliehe Bewegung zeigen würden, obwohl ich an ihnen die bei
den Zoospermien von Cutleria und Fucus charakteristiscbeu röthlichen (Augen) P u n k te
vermisste. A b e r e s i s t m i r t r o t z a l l e r B e m ü h u n g e n n i e g e l u n g e n , a u c h n u r
d i e g e r i n g s t e B e w e g u n g a u d i e s e n K ö r p e r n z u b e o b a c h t e n . Weil ich vermutliete,
d<ass n ur sehr k räftig vegetirende Exemplare, wie sie im Zimmer in stets mehr oder minder
verdorbenen Seewasser kaum zu finden sein möchten, die Bewegung der Samenkörper zeigen,
so habe ich einzelne, zu diesem Zweck ausschliesslich gesammelte, männliche Pflanzen in
grösseren Eimern mit frischem Seewasser heimgebracht, frisch untersucht oder eine Zeit laug
erhalten; aber obwohl die Pflanzen ganz gesund schienen, und die Samenkörpcv massenhaft
aus den Antheridien austraten, ist doch nie von mir eine B eivegung an ihnen beobachtet worden.
Wenn mir in dieser Beziehung noch irgqud ein Skrujiel zurückblieb, so ist dieser bei
der Vergleichung der T h u r e t ’schen Arbeit ü b e r Dictyota zerstreut worden. Denn auch
dieser gewissenhafte und glückliche Beobachter, der die Bewegung der Zoosporen und Zoo-
spermicn in zahlreichen, vor ihm unbekannten Fällen entdeckte, hat die Samenkörper d e r
Dictyota, die er bereits im Jah re 1855 kannte, niemals bewegt gesehen („Recherckes sur
les anthéridies des Algues“ seconde partie, Ann. des Sciences nat. 4 scr. Bot. Tom 3). Ich
kan n hiernach nicht zweifeln, dass diese letzteren zwar, gleich den echten Zoospcrmien,^
membranlose Zellinhalte (Primordialzellen) sind, aber der Bewegungsorgane, und in Folge-
dessen auch der eigenen Bewegung ermangeln.
Hierdurch werden wir von selbst au f eine andere^ Ab theilung der Algen hingclonkt,
die allerdings au f den ersten Blick durchaus keine Vei-wandschaft mit Dictyota zu haben
scheint, a u f d ie F l o r i d e e n . Die Antheridien der Florideen sind zwar bekanntlich sehr
verschiedenartig gebaut; gemeinschaftlich aber ist allen die Zusammensetzung aus kleinen
Samenzellen, aus denen je ein unbeweglicher, farbloser, aller Bewegungsorgane ermangelnder
Samenkörper austritt. Denn dass die Samenkörper der Florideen wenigstens unter den
gewöhnlichen Verhältnissen wirklich mibeweglich sin d , kann, wenn auch negative Beobachtungen
keine positive Thatsache erhärten, doch nach den in ihren negativen Resultaten ü b ereinstimmenden
Ergebnissen so vieler verschiedener Beobachter, wie T h u r e t , P r in g s l i e im ,
A. B r a u n und ich selbst, wohl nicht mehr bezweifelt werden. Dieselben Gründe, wek-he allé
Forscher dazu bestimmt haben, die Antheridien der Florideen trotz der bewegungslosen
Samenkor])er für die männlichen Organe derselben zu halten, werden auch kaum Zweifel
darüber gestatten, dass den gleichartigen Gebilden bei Dictyota dieselbe Bedeutung zukonimt,
obwohl wir in beiden Fällen durchaus nicht anzugeben vermögen, in welcher Weise sie ilire
befruchtende Einwirkung ausüben möchten. Nicht geringer aber wie in den Antheridien
ist die Uebereinstimraimg zwischen Dictyota und den Florideen auch in der e ig e n t l i c h e n
b r u e h t b i l d u n g . W ir finden bei Dictyota wie bei den Florideen zwei verscliiedene Klassen
von keimfähigen Sporen. Dass die einen, die Tetrasporen, in Entstehung und Entwicklung
den gleichnamigen Organen der Florideen analog sind, wird aus meiner Darstellung sich
ergeben haben. Ab er auch die Haufenfrüclite gehören offenbar zu jen e r Fruchtforni, welche
bei den Florideen als Kapsolfrueht, Cystocarpie, bezeichnet wird. Sie entsprechen zunächst
den Favellen der Ceramicen, indem sie gleich diesen aus zahlreichen Sporen bestehen, welche
von der Placenta geti'agen und n ur von der g allertartig aufgeschwollenen Cuticula umschlossen
sind. Die grösste Analogie zeigt diejenige Modification der Favellen, welche die Gattungen
Wrangelia Ag., Bornetia Thuret, Spermotharanion Areschong, Pringsheim, (Herpothamnion
Xaegeli) ch arak terisirt, und deren Charakter in den einzeln au f der vielzelligen Placenta
aufsitzendeu Sporenmutterzellen beruht. X a e g e l i hat diese Fruclitform K o i i n k ö p f c h e n
genannt (Beiträge zu r Morphologie u n d Systematik der Ceramiaceae. Berichte d. Münchener
Akademie d. Wissenschaften. 12. Decbr. 1861). P r i n g s h e im in seiner am 9. Ja n u a r 1862
in der Berliner Akademie gelesenen Abhandlung über Morphologie und Systematik der
Meeresalgen hat dafür den Namen Gymnocarpiiim eingeführt. Die Haufenfrüchte von Dic-
tyota sind echte Keimköpfchen oder Gymnocarpien, die sich in keinem wesentlichen Punkte-
von den Früchten der oben bezeichneten Florideen unterscheiden.
' Hieraus folgert sich aber mit Xothwendigkeit die systematische Stellung von Dictyota.
Die braune F a rb e des Laube.s, wie der Sporen ist allerdings ein Charakter, der Dictyota'
unter die Melanospermeae H arv ey , resp. die Phaeosporeae T h u r e t zu verweisen scheint;
au f den ersten Blick scheint unsere A rt die gi-össte Verwandtschaft mit zahlreichen
Phaeosporeae, namentlich mit Cutleria, Dictyosiphon, Striaria, Punctaria, Asperococcus u. s. w.
zu besitzen, mit denen sie sogar gewöhnlich in eine und dieselbe Familie vereint \vird,
während sie zu den rotheu Florideen anscheinend g a r keine Beziehung gewährt. Aber die
Fruchtbildung von Dictyota bietet zu den geschlechtslosen, durch Zoosporen, die sich zahlreich
in meist eiförmigen Sporangien entwickeln, sich fortpflanzcnden Phaeosporeen nieht die geringste
A nalogie; wir finden in ihr eine t r i o e c i s e h e P f l a n z e m i t d e r d r e i f a c h e n F r u c t i f i -
k a t i o n d e r F l o r i d e e n . T h u r e t selbst betrachtet Dictyota und ihre Verwandten als eine
Mittelgruppe zwischen Fucaceen und Florideen. So lange wir aber die Fortpflanzungscharaktere
als die alleinige Grundlage der systematischen Anordnung für die Pflanzen gelten
lassen, hinter denen die vegetativen Merkmale ganz zurücktreten, werden wir auch nicht
l i a b o u h o r s t , BeitrHgo, 2. lie ft. 4