
Die Inschrift auf A lautet:
Oi OiaoTxat ’AoxXYjTriaSYjv MeXiöiopoo lepmxeooavxa xaXafc xal a£6»<; ¿v x<p xsxapxtp xal &ß8op,7)xoox<p xal
¿xaxooxip exei ¿oxecpavtooav Tfl xe ox^Xtq xal oxscpavtp avöivip piexa xaivta? 8ia ßtoo.
Z. 2. Das u> in leptoxeöaaVTa ist auf dem Steine unzweifelhaft deutlich.
Zuoberst auf dem Steine ist, jetzt ziemlich verwischt, der in der Inschrift erwähnte Ehrenkranz
¡j.Exa xaivia? abgebildet. Blumen erkennt man nicht. Das Reliefbild zeigt zur Rechten einen stehenden
Gott, dessen scheinbar unbärtiges Gesicht verwischt ist, bekleidet mit einem Chiton und Himation; mit
der Rechten stützt er sich auf das Skeptron, in der Linken hält er eine Schale über seinem Altäre. Gewiss
ist es Zeus J). Auf dem Baume, der, wie das im Alterthume so häufig der Fall war 2), hinter dem Altäre
steht, sitzt der Adler des Gottes. Dem Altäre nahen sich von Links her, als Sterbliche in kleineren Verhältnissen
dargestellt, Opfernde, voran ein Knabe in kurzem Gewände, das Opferthier, ein Schaf, führend,
dann ein halbwachsenes Mädchen mit den Opfergeräthen; es trägt auf dem Kopfe eine Wanne und in der
linken Hand zum Spenden einen Prochus. Am Ende dieser Seite des Bildes steht ein Mann, der aus dem
Himation heraus die rechte Hand wie zu einer anbetenden Bewegung vorstreckt; man sieht auf den Rücken
der Hand. Dieser Mann ist ohne Zweifel Niemand anders als der in der Inschrift als durch die Errichtung
der ganzen Stele geehrt genannte Asklepiades, des Melidoros Sohn, dargestellt in seiner priesterlichen
Amtshandlung, welche er nach der Inschrift für die Genossenschaft der Thiasitai zu deren Zufriedenheit
versehen hat.
Mehr mit Schrift und Bild bedeckt ist die zweite Stele (B). Ihre Inschrift lautet:
01 öiaatxai x a l fiiaalxiöe? [¿]axecpava>aav Xtpaxovixrjv Msvex[pax]ou isptoxeuaaoav Iv xto vj x a l o x a l p [e]xei
p-Tjxpl KoßsXf) x a l ’AmSXXam axscpa[v]cp Ypairxtp ev ox^XXtq x a l x-qpoxxtp ouv xai[vi]oi x a l aXXtp oxscpavcp xr,poxxip obv
xai [vi ]a I v x^j xoo Albs oova'yco'yfl _________ .
Z. 3. Ispioxeösaöav. Das io is t hier auf B nicht ganz so deutlich wie auf A, mir aber doch den Zügen nach wahrscheinlich,
so wie auch M o r d tm a n n und P o s t o l a k k a s es gehen. In einer Abschrift einer Inschrift aus Aphrodisias (C. J . gr. 2771)
findet sich ebenfalls die Form UptoteuoavTa, wo B o e c k h in das gewöhnliche a ändert. — iepu>fte6ca<iav mit ft ist ein Fehler in
M o r d tm a n n s Abschrift. Auch die Jahrszahl ist dort unrichtig abgeschrieben, so wie auch in Zeile 2, 3, 5, 6 sich Versehen finden.
Z. 7. Die Aenderung Aioo bei P e t e r s e n ist gewiss unzulässig. — Zweifelhaft bleibt mir der Schluss. Am besten scheint
zu lesen ©[i]X[a]Ya9'iqcaa[av., was K. K e i l mir auf meine Anfrage brieflich vorschlägt. Auf dem Steine steht jedoch kein t zwischen
tp und X, auch glaube ich nicht, dass hinter dem letzten o noch Buchstaben folgten. Ich bemerke noch zu der Lithographie, dass
das zweite scheinbare A in OAA niedriger ist als das erste, dass an dem A in TA0 der zweite Schenkel im Papierabdrucke deutlich
länger zu sehen ist und dass die angegebene Form der übrigen Buchstaben durchaus nicht zweifelhaft ist. Unmöglich sind
daher die Lesungen aveftijaav bei M o rd tm a n n und P e t e r s e n s aveftTjxccv ebenso wie fieXftnoa bei P o s t o l a k k a s .
Der in der Inschrift als iv oxTjXf) erwähnte erste Kranz ist auf dem Steine nicht vorhanden,
kann dem vorhandenen Platze nach auch schwerlich etwa aufgemalt gewesen sein. Die beiden Kränze
können nach einander zu verschiedenen Zeiten verliehen sein; über die Verleihung des ersten kann bereits
eine andere Urkunde auf einer Stele mit Darstellung des Kranzes existirt haben, als nach Verleihung des
zweiten die vorliegende Stele gearbeitet und in ihrer Inschrift die ältere Ehre wieder mit aufgeführt wurde.
Das Bildwerk zerfällt in zwei Theile; in dem oberen ist Stratonike, des Menekrates Tochter, in
ihrer priesterlichen Thätigkeit beim Opfer dargestellt, in dem unteren ist die Genossenschaft bei ihrer
Hauptbeschäftigung, bei der Mahlzeit, abgebildet.
Die Opferscene oben zeigt zur Rechten die Kybele in gewohnter Gestalt, sitzend, im gegürteten
Chiton, ein Obergewand über den Schooss geworfen, den Modius auf dem Haupte, die linke Hand auf das
Tympanon gestützt, in der rechten Hand eine Schale. Das Thier zu ihrer rechten Seite soll jedenfalls ein
sitzender Löwe sein. Neben Kybele, wie beide in der Inschrift ja auch ausdrücklich als die Götter,
1) Das selten vorkommende Untergewand auch an dem Zeus aus Solus s. M ü l l e r -W i e s e l e r Denkm. d. a. Kunst II,
Taf. I I , n. 15.
2) Beispiele namentlich gesammelt b e i .B o e t t i c h e r der Baumkultus der Hellenen.
denen Stratonike zu opfern hatte, zusammen genannt werden, steht Apollon als Kitharoede in der langen
pytischen Stola. Sein Haar scheint auf der Höhe des Kopfes zu einem Knaufe aufgebunden und fällt auf
einer Seite noch kenntlich in langer Locke auf die Schultern herab. In der rechten Hand hält er wieder,
wie Kybele neben ihm und wie Zeus auf A die Schale, die hier recht deutlich als Attribut der opferempfangenden
Gottheiten erscheint ; er hält sie über den Altar, der wie auf A auch hier wieder im Freien
unter einem Baume steht. Dem Altäre naht Stratonike als Opfernde 1) ; sie bewegt aus dem über den
Kopf gezogenen Gewände mit gleicher Bewegung wie Asklepiades auf A die Hand zur Adoration hervor.
Vor ihr führt ein kurzbekleideter Knabe wie auf A das Opferschaf, während hinter dem Altäre ein Mädchen
— so scheint es dem Haare nach — zur gewöhnlichen Opfermusik die Doppelflöte bläst. Auch hier
wie auf A der Zeus, sind die Götter durch grössere Gestalt ausgezeichnet, ausserdem ist Kybele sitzend
fast ebenso hoch an Gestalt wie der stehende Apollon.
Die Darstellung der Mahlzeit in dem unteren Relief ist etwas verwischt, doch scheinen die zehn
beim Mahle liegenden Gestalten, wie auch P o s t o la k k a s annahm, sämmtlich Männer, die ôiaotxtosç also
nicht mit dargestellt zu sein. Sie stützen sich alle nach gewohnter Weise im Liegen mit dem linken Arm
auf das Kissen. Der lange Streifen vor ihnen könnte ein gemeinsamer Tisch sein. Im Vordergründe ist
die Musik und die Dienerschaft nicht vergessen. Ganz rechts lehnen zwei Stäbe mit jedesmal acht aufgereihten
runden Gegenständen, gewiss Bratspiesse mit irgend einer Esswaare. Dann folgen zwei grosse
Krateres, von deren einem ein nackter Diener grade den Deckel hebt um den Trank auszufüllen. Bei
einem dritten etwas höherem und verschieden geformten Krater scheint ein anderer Diener, auch nackt
und von kleinerer Gestalt als die Schmausenden, wie ja die Schenken Knaben zu sein pflegten, in gleicher
Weise beschäftigt zu sein. Dann kommt eine laufende Gestalt mit gehobener Hand, ich wage bei dem
Zustande des Steines an dieser Stelle nicht mit Gewissheit zu sagen, ob es ein hurtiger Aufwärter oder
ein Tänzer sein soll. Am Ende links sitzen zwei Flötenspieler; die Instrumente in ihren Händen, eine
einfache und eine Doppelflöte sind noch deutlich zu erkennen.
Die Errichtung der beiden Steine geschah durch eine jener im späteren Griechenland so sehr verbreiteten
Gesellschaften 2), welche sich ähnlich wie z. B. die Kalandsbrüder im Mittelalter unter religiösen
Formen verbanden, als Hauptzweck aber häufig geselligen Genuss, bei dem die Tafelfreuden eine Hauptrolle
spielten, verfolgten. Opfer und Opfermahlzeiten boten sich ihnen ja wie sie der Stein B zusammenstellt,
in besonders bequemer Verbindung und dass der Gottesdienst nur den Vorwand dazu abgab, dass
sich die Brüderschaften selbst gehörig Etwas zu Gute thun konnten, wird in der Nikomachischen Ethik
(VIII, 9, 5) ausdrücklich gesagt. Polybius (XX, 6) schildert, wie sehr diese Vereinigungen zu einem
schädlichen Uebermasse führten, wie sie Vermächtnisse namentlich von kinderlosen Leuten erhielten, die
statt wie sonst den Familien ihre Verlassenschaft zuzuwenden, jetzt ihr meistes Hab und Gut diesen Tafel-
brüdem vermachten, wodurch deren Mittel oft so wuchsen, dass der Monat für Manchen in Böotien, wie
Polybius sagt, mehr freie Mahlzeiten als Tage zählte. Auch in Kleinasien war in hellenistischer und in
römischer Zeit dieses und ähnliches Vereinswesen sehr verbreitet 3).
An Werth gewinnen beide Inschriftsteine für uns dadurch, dass sie datirt sind, der eine aus dem
Jahre 174, der andere aus dem Jahre 178. Es fragt sich nur, nach welcher Aera dabei gerechnet ist.
P e te r s e n nimmt an, es sei eine Aera der jährlich wechselnden Priester der Genossenschaft, womit uns
eine Berechnung der Zeit unmöglich würde. P e te r sen kannte die Herkunft der Steine nicht, seit wir
1) Die ganze Darstellung erinnert hier sehr an das Belief bei G la r ac' musée de sc. pl. 214, 256 (Bo e t ich e r Baumkultus
der Hellenen Fig. 13. M ü l l e r -W i e s e l e r Denkm. d. a. Kunst II, Taf. LXIII, n. 815), wo die am Baume aufgehängten Becken
auch auf die Kybele hinweisen.
2) K. F. H e rm a n n Lehrbuch der griech. Antiq. II. (2. Aufl. von S t a r k ) , §. 7, 6. S c h o em a n n griech. Alterth. II, 480 ff.
3) u. A. C. J . gr. 3480.