
durch kleinere ebenfalls unbearbeitete Steine ausgefüllt sind. Hie und da ist auch wohl ein grösser natürlicher
Felsblock des Bodens in der Mauerlinie stehen geblieben und so benutzt. Der innere Raum der
Mauer zwischen diesen zwei Steinschichtungen ist mit einem unregelmässigen Gemische grösser und kleiner
Steine ausgeschüttet. Diese ganze Konstruktionsart ist bekanntlich bei altgriechischen Städtemauern
mehrfach beobachtet worden )). Der andere südlich liegende Mauerschenkel ist in geringem Stücken als
jener nördliche erhalten, erscheint auch als ein Aufbau yon yieleckigen roh gelassenen Steinen, steht aber
nicht als eine freie Mauer da, sondern ist mit seiner einen Seite an den Bergabhang, der hier einen steileren
Abfall bietet, angelehnt, auch das ein nicht vereinzelt stehendes Verfahren. Der Raum innerhalb
dieser Mauerschenkel besteht in seinem höheren Theile aus dem erdigen Schrägabhange des Festungsgipfels,
der untere Theil immittelbar über dem Abhange nach dem Flusse zu bildet ein flacheres mit zahlreichen
Felsblöcken bedecktes Plateau. Nirgends konnte ich hier Spuren alter Bauanlagen bemerken; eine
kleine Kirche der h. Marina ist auf dem Plane angegeben. Die Gesammtgestalt des hier befestigten Platzes
wiederholt sich im Wesentlichen gleichartig an altgriechischen Städten mehrfach in der Art, dass von
einem festen Berggipfel hinunter- und auseinander etwa zur Küste laufende Schenkelmauern einen nahezu
dreieckigen Raum auf einem Bergabhange einschliessen. Unverkennbar trägt die Befestigung des Paläoka-
stron von Kalloni grade in der Unvollkommenheit bei der doch stellenweise aufgewandten gewaltigen Mühe
den Charakter eines hohen Alterthumes. Ueberall ist nur der natürlichfesten Gestalt des Bodens nachgeholfen.
An dem gar nicht unersteigbaren Abhange über dem Flüsschen hat gewiss nie eine Mauer
gestanden, sehr möglich, dass auch der nach aussen steil abfallende Berggipfel, wo unter dem mittelalterlichen
Gemäuer kein älterer Rest zu sehen ist, nie eine künstliche Befestigung hattet). Auch im Süden
hatte, wie wir eben sahen, man sich begnügt, nur den schon von Natur eine Art von Abschluss des
Stadtplatzes bildenden Abhang durch die angelehnte Mauer ein wenig steiler zu machen. Allein im Norden
war kein natürlicher Abschluss; einzelne hervorstehende Steine wurden aueh hier noch benutzt, sonst
musste zu einem wirklichen Mauerbaue geschritten werden und das geschah in der unförmlichsten aber,
bezeichnend auch sonst für die ältesten Bauwerke auf griechischem Boden, nach dem Kolossalen strebenden
Weise. Auch die Lage der Stadt im innersten Winkel der Ebene ist grade wie die der ältesten
Grieehenstädte; so lagen das macedonisehe Aigai, so Krissa, so das argolische Mykenai (¡lO'/jp "Apyeos
hncoßifcoio). Dieser Anschein sehr alten Ursprungs, den die Ruinen tragen, vereinigt sich aber ferner
völlig mit dem, was die Ueberlieferung uns sonst bietet. Es kann nämlich diese Befestigung nur einer
Stadt angehören, die schon zu Herodots Zeit nicht mehr selbstständig existirte, also auch keine Mauern
mehr baute. Herodot 3) sagt, dass es auf Lesbos fünf Städte gebe, eine sechste Arisba sei von den
Methymnäem vernichtet; diese fünf Städte sind offenbarMytilene, Methymna, Antissa, Eresos und Pyrrha,
da sie alle, wenn auch Pyrrha sehr geschädigt, noch bis zur Römerzeit hin als Städte existirten 4). Von
ihnen haben wir die Lage von vieren bereits feststehend gefunden, Pyrrha kann aber hier schon deshalb
nicht gelegen haben, weil es am Meere lag 5). Ich glaube nun aber, wir dürfen es als höchst wahrscheinlich
annehmen, dass das Palaiokastron von Kalloni der Ueberrest der Stadt Arisba 6) ist. Dafür
1) u. A. am sog. D4ma in Attika s. G e ll Probestücke von Städtemauern Taf. 34, der wenigstens die Konstruktionsweise der
Mauer richtig angiebt.
2) so war es bei der Befestigung von Samothrake.
3) I, 151: ol 86 xa; vfjoou; s^ouaai 7t£vte p.6v ttBXie; tt)V Aloßov vep,ovxai (xijv yap Exttjv ¿v xfj A£aß<p oixeojiivrjv ’Apicßav
•/jvBpaTtooiaav MT)8u(xvaiot, ¿ovxa; 6p.aip.ou;).
4) Z a n d e r a. a. O. S. 16 f.
5) Plin. n. h. V, 139: P y rra hausta est mari. Nicht nothwendig wäre es nach Strabo C. 618: lyzi Xtpiva.
6) Diese Ansicht führen schon A n a g n o s t i s (a. a. 0 . S. 50. 160) und B o u t a n (a. a. 0 . S. 314), letzterer zweifelnd, an.
Beiden fehlte allerdings die Hauptsache, nämlich der Beweis aus den Ruinen, dass hier überhaupt eine alte Stadt lag ; sie erklären
nämlich die Ruinen für nur mittelalterlich. Im Wesentlichen richtig beschreibt und beurtheilt dagegen P r o k e s c h -O s t e n (Denk-
würd. HI, S. 352 ff.) die Rainen, freilich bis auf den Namen, den er ihnen giebt: Colonna.
spricht allerdings nur jene Nachricht bei Herodot, dass die stammverwandten Einwohner von Arisba von
den Methymnäern in die Sklaverei verkauft seien. Die Methymnäer besassen auch nach Strabo x) das Gebiet
von Arisba. Nun liegt aber kein nachweislicher Stadtplatz Methymna so nahe, wie der des fraglichen
Paläökastron. Die Uebersiedelung des Erzbischofs von Methymna nach Kalloni zeigt zum Mindesten die stets
nahe Beziehung beider Plätze zu einander, die in der alten Zeit mit Nothwendigkeit dahin fuhren musste,
dass wenn Methymna überhaupt sich ausdehnen wollte, es zunächst auf diese Stadt hier stossen musste.
Am Vormittage hatte ich das Palaiokastro von Kalloni, wahrscheinlich also die Ruinen der alten Arisba,
besucht; Nachmittags machte ich mich auf den Weg nach dem zweiten Platze mit hellenischen Ruinen, der von
Argenna in südwestlicher Richtung eine gute Stunde entfernt liegt. Man nennt ihn das Xerokastrini (auch
(isoaa etc IIoTafxia Sspoxacrcpfvi hörte ich sagen). Ich habe die Lage auf der Karte angegeben und auf
Taf. II. eine Planskizze des höchsten Gipfels mit den Ruinen gezeichnet. Die Lage der Ruinen ist eine
in nicht grade für hellenische Städte gewöhnlicher Weise sehr hohe. Den unten allmälig ansteigenden
Berg krönt oben der Länge nach von NNW nach OSO gestreckt ein oblonges Felsplateau, etwa 60,00 Meter
durchschnittlich breit, während seine Länge etwa das Vierfache der Breite betragen mag. Auf drei Seiten
fällt dieses Plateau jäh ab, ganz besonders sind die Felswände im NNO und WNW steil und thurmhoch.
Den einzigen bequemen Zugang bietet diese Höhe auf der OSO-Seite und nur hier finden sich deshalb
die Befestigungen, welche den östlichen ein wenig niedrigeren, auch nicht ganz so steil abfallenden Theil
des Plateaus,; so wie sie jetzt sind, nicht mit einschliessen, obgleich da wo der auch jetzt gangbarste Fuss-
steig von Süden zuerst diesen niedrigem Theil der Höhe erreicht, erst alte Fundamente zu beiden Seiten des
Pfades, dann am Rande der Höhe deutliche Ueberreste eines hellenischen Thorbaus sich noch finden. Auf
dem Rande des höchsten Theiles des Gipfels gegen die etwas niedrigere Ostseite hin ist die hellenische
Befestigung noch in ihrer ganzen Länge erhalten, eine einfache Mauer mit einem viereckigen Thurme (Ostseite
desselben 8,80 M., Südseite 7,30) nahe bei der Stelle, wo jetzt durch einen Durchbruch der Fusspfad
hinaufgeht und wo gewiss das alte Thor war. Von der Mauer liegen nur noch die unteren Steinschichten,
auf welchen in späterer Zeit einmal ein erneuter Mauerbau aus kleinen mit Mörtel verbundenen Steinen
aufgeführt ist. Der Thurm ist aus polygonen wenig bearbeiteten Steinen gebaut, nur an den Ecken liegen
Quadern, welche die gewöhnliche Eckausschärfung zeigen. Auf der höchsten Höhe liegt noch ein kleines
Kirchlein, ein i^coxXfjOt -ojv nava^a?; in demselben und um dasselbe herum liegen allerlei Quadern vom altgriechischen
Bau. Diese kleinen Kirchen werden so viel in die Ruinen der Heidenzeit gesetzt, wie man
auf die alten Bildsteine wohl das Kreuz einhaut; sie sollen den bösen Geistern der Vergangenheit ihre
Macht brechen. Besonders beachtenswerth für die Möglichkeit der Ansiedelung auf diesem hohen Gipfel
ist ein gutes Quellwasser, welches unter dem NNO-Abhange hervorkommt und das ganze Jahr über dauert.
Wie nannten die Alten das Xerokastrini? Man könnte an Agamede denken, welches Plinius unter den
untergegangenen Städten von Lesbos, Stephanos von Byzanz als einen 'toiro? irspl Iluppav Tvjc Aeoßou nennt 2).
Da der ganze Meerbusen nach Pyrrha hiess, so könnte auch die Stelle von Xerokastrini, obwohl von dem
gegenüberliegenden Pyrrha entfernter wenn auch von dort sichtbar, als -icspl Iluppav bezeichnet worden sein 3).
. ; J ) C. 590: TjV 86 xal ¿v Alaßip tc6Xi; ’ Apiaßa, rj; x^v ^u>pav l^ouai Mij&ufxvaioi.
2) P l e h n a. a. 0 . S. 22. Z a n d e r a. a. 0 . S. 18. Plin. n. li. V, 140: e t Agamede obiit et Hiera. Steph. Byz. aus Nicol.
Damascenus: * Aygcp-t^Byj, t6tco; irepl Iluppav xrj; Aiaßou, airo ’ Aya(j.^87];, ttJ ; x a l Ilöppa; lirixX^civ. eaxt xal xprjvr] ’ AYaix^Bt], tu;
Ntx6Xao; i. Das könnte dann die erwähnte Quelle sein.
3) B o u t a n , der a. a. 0 . S. 315 ff. das Xerokastrini nicht ganz genau beschreibt, h ält es für das alte Aigeiros, indem er
zunächst behauptet, die Umwohner nennten den Platz noch Axyeipo;, dann hinzugefügt: „le tex t seul de Strabon suffirait pour faire
disparäitre toute incertitude ä cet dgard.“ Das Letztere ist auch meine Meinung und deshalb überhebe ich mich einer Widerlegung
der hier auf jeden Schritt fehlgehenden Auseinandersetzungen meines französischen Vorgängers. Der Strabonische T ex t ist oben,
wo wir die Lage von Aigeiros nachwiesen, angeführt. A n a g n o s t i s a. a. O. S. 162, Anm. * scheint, aber nur nach Hörensagen,
von. dem Xerokastrini zu sprechen. Ob P r o k e s c h -O s t e n a. a. 0 . S. 355 mit der „Ruine von Egina“, die er aus dem Peuster des
Erzbischofs in Acheruna sah, das Xerokastrini meint, weiss ich nicht.