
von kleinen Steinen. UnSer weiterer Weg führte uns noch ein Mal an den Nordstrand des Busens von Jera
hinunter; hier tritt wieder besonders hoch über den Bergen sichtbar der Iliasgipfel hervor; auf der Ostküste
des Golfs mehr nach Süden hinunter sieht man einige Landhäuser, die Mitilinäern gehören, (xevtpov) *), liegen.
Wir kamen an den heissen Bädern vorbei, zu deren Benutzung einige Gebäude vorhanden sind, bei denen
aber Reste aus dem Alterthume, so weit ich sehen und erfragen konnte, nicht vorhanden sind. Wir
waren nun wieder auf der direkten Strasse von der Chora nach Agiässo; zahlreiche Festgäste, sehr
geputzte Frauen rittlings auf Maulthieren, die Männer, wie das hier Sitte ist, seitwärts auf ihren Thieren
sitzend wie bei uns die Damen, begegneten uns. Es war der letzte Tag vor dem Feste. Diese belebtere
Strasse verliessen wir aber wiederum, indem wir statt auf Mitilini, auf das Dorf Morea zuritten, bei dem
das ansehnlichste Stück der grossen Wasserleitung2) noch erhalten ist. Südwestlich vom Dorfe Morea
verläuft dasselbe in seiner Längsrichtung ziemlich von NW nach SO, also auf Mytilene zu. Nehmen wir
jene schon beschriebenen Stücke hinzu, so sehen wir, dass das Wasser aus dem nördlich den quellenreichen
Stock des Iliasberges umgebenden Gebirge hergeleitet war. Auf der bergigen Strecke, welche die Leitung
durchläuft, war ein Hochbau nur da angewandt, wo ein Thal zu überschreiten war, so wieder hier bei
Morea. Die Thalsenkung ist hier ziemlich breit und deshalb wurde die Errichtung einer grösseren Anzahl
von besonders hohen Pfeilern und zwei Bogenreihen über einander nöthig. Ich zählte ihrer sechzehn 3),
von denen drei ganz zusammengestürzt sind. Der mittlere Pfeilerzwischenraum ist 5,80 Meter weit und
durch einen Thorbogen vor den übrigen ausgezeichnet; wie noch heute unter diesem Bogen der Weg von
Morea nach dem Meerbusen von Jera, so ging auch im Alterthume eine Strasse hindurch. Noch ein
Quaderbogen ist seitwärts zwischen zwei Pfeilern erhalten, füllt aber nur die Hälfte der Pfeilerzwischen-
weite und reicht mit seiner obern Rundung nicht höher, als das Sims des mittleren Thorbogens. Die
Pfeiler messen unten in der Frontseite 2,30 Meter, in der Tiefe 3,65. Die Steine, aus denen sie gebaut
sind, sind wie an jenen Stücken in den Bergen, nur mit dem ersten Meissei ohne Glättung an den Kanten
zu regelmässigen Quadern zugehauen, die mittlere Fläche ist ganz im Rohen stehen geblieben. Die Grösse
der Blöcke ist ganz ungleich (ich mass einen von 2,30 M. Länge), nur bei der Schichtung ist der regelmässige
Wechsel immer einer hohen und einer niedrigen Lage durchgeführt. Etwas mehr Sorgfalt auf
die Form ist aber sichtlich bei diesem mehr am Wege gelegenen Stücke der Wasserleitung, als bei jenen
in den abgelegenen Bergthälern aufgewandt worden. Den Sockel der Pfeiler umgiebt zunächst* an den
mittleren Pfeilern an drei Mannshöhen über dem jetzigen Erdboden, ein starkes Kämpfergesims einfachster
Art aus Platte und schräger Schmiege bestehend; darüber erhebt sich höher das folgende etwas verjüngte
Pfeilerstück, oben abgeschlossen wieder durch dasselbe einfache Gesims, auf dem aus einer Steinlage
bestehende frei Quaderbögen Pfeiler mit Pfeiler verbindend aufsetzen; von diesen Bögen sind noch acht
erhalten. Bedeutend höher und stärker verjüngt folgt darauf der dritte Schoss der Pfeiler, über dessen
wiederum gleich dem untern gebildeten Gesimse eine Quaderlage als Ansatz der obersten aus Ziegeln
zugewölbten Bogen 4) dient. Von diesen Ziegelbögen stehen nur noch vier. Sie tragen ein Füllwerk von
kleinen Steinen, über die hier einst die eigentliche Wasserrinne lief. So stehen die hohen Bogenreihen
über das schweigende Thal hin, die Stadt überdauernd, der sie sonst dienten, ein Bau von starker Faust
in grossen Zügen hingestellt, ein rechtes Römerwerk.
Meine Rundreise durch die Insel war beendet; noch ein Nachtquartier in Morea und in aller Frühe
1) S. Seite 52, Anm. 1.
2) Diese bedeutendste Ruine au f der Insel haben fast alle Reisenden gesehen, Keiner, so viel ich sehe, sie genau beschrieben.
Eine Abbildung giebt schon P o c o c k e (III, Taf. 40), in sehr primitiver Holzschnittmanier ist sie auch bei A n a g n o s t i s
(a. a. 0 . S. 127) dargestellt.
3) Nach seiner Abbildung hat P o c o c k e die Ruine noch weit besser erhalten gesehen.
4) Hier is t P o c o c k e ’s Abbildung unrichtig.
am 27. August ritt ich nach Mitilini hinüber, wo mich Bargiglys gastliches Haus zu meinem grossen Be-
hagen aufnahm.
Die kleine Halbinsel, welche sich bergig zwischen dem Busen von Jera und dem Aussenmeere südlich
von Mitilini hinzieht, habe ich nicht besucht. Von Ueberresten aus dem Alterthume dort konnte ich
bei allen Erkundigungen nichts in Erfahrung bringen, als dass man mir am Perama von Jera einmal
sagte, es würden in der Nähe des Dorfes Lutrö an einem Platze IlaXaiopTpo Kirchensteine (¿xxXtjoloirsTpai?)
gefunden, das heisst, weil man dergleichen zum Kirchenbau gebraucht, in der Sprache der Leute Marmorüberreste
alter Bauten. Geblieben aus dem Alterthume ist auf jener Halbinsel noch der Name des Gebirges,
welches man heute Amali in unverkennbarer leiser Veränderung des alten Malea, wie das äusserte
Vorgebirge bei den Alten hiess, nennt. Erst ganz kurz vor meiner Abfahrt sprachen mir zwei junge Leute,
die ich in Mitilini kennen lernte, von Inschriften in jener Gegend; es war zu spät, um danach zu gehen1).
Am Nachmittage des 28. August warf das Dampfschiff der französischen Messageries vor dem Südhafen
von Mitilini Anker, am Abende ging ich an Bord und als ich am ändern Morgen erwacht war und auf
das Verdeck kam, fand ich mich im schiffreichen Hafen von Smyrna.
1) Als wir uns später in Syra wieder trafen, brachten sie mir Abschriften jener Inschriften, die sie aber glaube ich nicht
selbst gemacht haben wollten. Zwei davon waren seltsamer Weise bekannte Fourmontsche Inschriften (C-. i. gr. I, n. 50 und 54),
wie mir schien, sogar treu nach einer der Publikationen kopirt, aber mit der Ortsangabe versehen: ei; Eva itoxap-öv rijc Bapta;
TcXwiiov ei; xoi>; TrpöiroSa; evö; X6cpou. Auch eine dritte mit der Angabe: p.exa£b Kacavoü xäl Bapta; si; Eva vxoußapt zeigte den
Fourmontschen Tempel (C. 1. gr. 56), aber hier n i c h t ‘mit einer Inschrift oben, sondern auf der obersten Stufe m it den Worten
6 8ap.o; versehen. Unverdächtig dagegen war die auch von A n a g n o s t i s a. a. 0 . S. 121 mitgetheilte Grabschrift bei der Irenenkirche
nahe der Hauptstadt:
'0 8a,uo; im Kranze.
Zu>o{p.-r] TEPOHOT xp-rjorr) Xa ^Pe- . ■ ' ,
Darunter: 1
A . B . T . A . E . Z . H . 0 . 1 .K . A .M .N . S . O . n . P . S . T . T .O . X j j j Q.
Vergl. R o s s inscr. gr. ined. n. 127. Endlich erhielt ich noch folgende Inschrift: '0 Srjpo? ßactXEa nxoXep.aTov ßaaiXeto; To6ßa utov
ßactXEtus IIxoXep.aiou exfovov ¿ p e rE v e x e v xal eövoia; xf'; eauxou. Diese Inschrift mit der Ortsangabe eis evcc Tttfaot xaxa xa
Kauapo68ia ttXt)<j(ov eis x^v Adpiocov (Oertlichkeit auf jener südlich von der Hauptstadt und östlich vom Busen von J e ra gelegenen
Halbinsel) stützt sich allein auf die bedenkliche Autorität meiner beiden genannten Gewährsmänner.