
Feinde derselben lange fortführte. Von einer so günstigen Lage der Stadt wie bei Mytilene kann hier
nicht die Rede sein, aber der Stadtplatz ist hoch und so schon von Natur fest in einer Weise, wie wir
das bei keiner von den übrigen lesbischen Städten finden. Was also fast überall im alten Griechenland
so sehr deutlich hervortritt, der Einfluss der Lage, der Bodengestaltung einer Stadt auf die Rolle, welche
sie in der Geschichte zu spielen vermochte, liegt auch hier wieder recht klar vor Augen. Die Festigkeit
Methymnas zeigte sich bei verschiedenen Kriegsangriffen im Alterthume, so als die Mytilenäer zur Zeit
der Belagerung ihrer Häfen durch die Athener den Zug gegen Methymna vergebens machten. Bei der
Eroberung durch Kallikrates war nach Diodors Berichte Verrath im Spiele *). Auch die Türken wurden
vor der völligen Eroberung der Insel zwei Mal bei Angriffen auf Methymna zurückgeschlagen 2).
Südlich unter dem Stadtberge von Molivos dehnt sich an flachem Strande eine weite Gartenebene 3)
aus, durch die wir früh am 6. August unsere Reise fortsetzten. Wo eine steinige bis ans Meer vorspringende
Höhe im Süden diese Ebene begrenzt, bemerkte ich eine nach Molivos zu laufende trocken liegende
unterirdische Wasserleitung, die aber höchstens dem Mittelalter angehören kann. Dann steigt der Weg in
die grünende Ebene von Petra hinab, zu der sich hier dünnbewaldet die Ausläufer der Géliaberge herablassen.
Nahe vor der flachen Küste liegt ein kleines Inselchen 4). In der Mitte der Ebene liegt das Dorf
rings um einen hohen Felsen mit einer Kirche obenauf, der sich merkwürdig schroff und steil aus den
sonst weichen Formen des Bodens losreisst, ein willkommner Zufluchtsort in den Zeiten der Unsicherheit
des Meeres. Er gab dem Orte den Namen. Schönheit der Weiber und Güte des. Weins rühmt A n a g n o s tis
von Petra, so dass also hier im Gebiete Methymnas der alte Ruf sieh noch bewährt:
Non eadem arboribus pendet vindemia nostris
Quam Methymnaeo carpit de palmite Lesbos.
Vergil. Georg. H, 89 f.
Unser weiterer der Richtung der Küste folgender Weg bot nichts eben Merkwürdiges; kleinere Ebenen,
nicht grade bebaut wie sie wohl sein könnten, wechseln mit trockenen felsigen Bergausläufern. . Anpflanzungen
gehen besonders hoch hinauf in einem Thale vAva|o, in dem ein wasserreicher Bach von einem
üppigen Dickicht voller Oleanderblüthen herunterkommt. Das erste Dorf, das wir erreichten, war Ka-
lochori 5) ; es liegt etwa eine Stunde von der Küste entfernt. Ich hatte einen Brief von Niketas in Molivos
an einen Konsolos, wie sie ihn nannten, da er irgend ein solches Amt einmal bekleidet hatte. Er war
nicht im Orte, sondern unten am Meere in seinem Garten, wo ich ihn aufsuchte. Ich musste erst sein
Gast bei einem tüchtigen Topfe voll Erebinthen sein und dann die Nacht in seinem Kul£, wie man hier
türkisch die thurmartigen Landhäuser nennt, zubringen. Mit Tagesgrauen war hier alles auf den Beinen;
wir gingen wieder nach Kalochori hinauf, machten einen Abstecher nach einer Ruinenstelle in der Nähe,
wo sich aber nur Trümmer eines Dorfes 6) fanden und dann trat ich die Weiterreise nach Sigri an, ritt
aber zunächst ganz bis an die Küste hinunter, um das etwa westnordwestlich von Kalochori auf einer
Landzunge gelegene Palaeokastro oder Ewriokastro näher anzusehen. Es ist eine Anlage ganz wie das
1) So auch in der von Parthenios Erot. t. 21 bearbeiteten Belagerung durch Achilleus.
2) S. P l e h n a. a. 0 . S. 84. 85.
3) Lag hier Nape? Strabo p. 426: Naît?] èv x<p Mïjftùfxvrjç ireSiip. S. andere Stellen bei P l e h n a. a. 0 . S. 21.
4) B o u t a n hat dasselbe besucht und die Gerüchte von Kuinen dort ganz unbestätigt gefunden.
5) Nach meiner Meinung auf der englischen Karte zu weit nach Osten angesetzt.
6) Merkwürdig ist und muss von späteren Reisenden weiter untersucht werden, wo B o u t a n a. a. 0 . S. 327 f. über eine
Apesa genannte Gegend nicht weit von Kalochori zwischen diesem und dem Dorfe Phyla, nach dem Innern der Insel zu, wenn man
nach Kalloni geht, berichtet, dass dort eine Nekropolis sich finde, die er der römischen Zeit zuschreibt. Es sollen da zerbrochene
Sarkophage, viele Grabsteine ohne Inschriften, ferner Grabsäulen (colonnes funéraires), von denen vier noch aufrecht ständen, sich
finden. „Ges quatre colonnes ont un diamètre de 30 centimètres; elles ne sont pas cannelées, leur position'indique qu’elles entouraient
un monument plus grand que.les autres.“ In ihrer Nähe seien ferner die Fundamente und die Thür eines kleinen Tempels,
7,60 Meter lang und 4,00 M. b reit noch zu sehen.
Ewriokastro auf der Ostküste von Lirnnos 1 und ebensowenig wie dieses aus altgriechischer Zeit, aber weit
besser erhalten. Der Platz der Festung besteht aus einer inselartigen Anhöhe, die durch einen flachen
Isthmos mit der Küste verbunden ist. Eine Mauer mit einem breiten Graben nach der Landseite hin
durchschneidet vom den Isthmos, eine andere Mauer auf der Seite nach dem Isthmus zu mit Vorsprungen
versehen umgiebt hinter jener den äussersten hohen Theil der Landzunge ringsum. Es können nur die eben
erwähnten Mauervorsprünge sein, welche Boutan 2) aufführt, als „les mines de cinq tours helléniques
d’une assez bonne époque./ Ces tours ont été réparées au moyen âge et se sont en partie écroulées depuis.
Auch in der Aussenmauer will B ou tan alte Baustücke, gesehen haben und halt nach alle Diesem den
Platz für einen befestigten Vorposten von Antissa oder von Methymna. Ich muss diesen Beobachtungen
bestimmt widersprechen, am bestimmtesten was. jene sogenannten fünf hellenischen Thurme betafft. Spatem
Reisende mögen entscheiden. Nicht lange nachdem wir weitergeritten waren, bot sich an einem beschatteten
Flüsschen ein Ruheplatz, wo uns ein benachbart wohnender Türke aus seinem häuslichen Vorrathe
mit einem Inbiss bewirthete. Dann hob sich der Weg die Küstennahe verlassend aufwärts m trockenes
unfruchtbares Gebirge; die. Korkeichen (ßeWöia), welche von Kalochon an bis m die Ebene unterhalb
des Dorfes Telonia in Menge zu sehen waren, hören auf, ebenso die Kornfelder, die m diesem Jahre hier
übrigens von den Heuschrecken rein abgefressen waren, haben ein Ende. Linkerhand wurde bald das
hohe Johanneskloster 3) sichtbar; es nimmt die . höchste Bergspitze im Westen der Insel ein welche man
für den Ordymnos der Alten zu halten pflegt, ohne dass indessen, wie'auch P le h n hervorhebt, irgend ein
Grand vorläge, grade diesen von den überliefertem lesbischen Bergnamen mit grade diesem Johannisberge
zusammenzubringen. Der Namen sollte deshalb auf unsern Karten besser fortgelassen werden. Das Roth
der untergegangenen Sonne leuchtete noch über der glatten Meeresbucht von Sign, als wir deren flachen
Strand erreichten. Am Wege waren noch einige Türkenkinder, die, wie ich vorüberritt, mit Steinen nach
dem Giaur warfen. Im Orte mussten wir in der Kaffeeschenke unser Unterkommen für die Nacht suchen.
Es wohnen, in Sigri nur Türken;, einige Mann von ihnen liegen auch in dem Kastell, das wohl noch weniger
zu bedeuten hat, als das von Molivos. . Seine Kanonen soll es auch im Krimkriege haben abgeben
müssen. Es ist-der abgelegenste Theil der ganzen Insel, stiller erscheint er auch wohl durch die tar-
kische Bevölkerung, die weniger Leben macht, als Griechen thun würden. Im Hafen sah ich kern Schi ;
man sagte aber, dass im Winter oft eine grosse Menge in der geschützten Bucht Zuflucht sucht. ^ Diese
Bucht wird gebildet durch eine lang gestreckte gegen Nordwesten vorliegende Insel und durch die im Sud
weit vorspringende kahle Spitze, das Vorgebirge Sigrion «) der Alten, dessen Namen geblieben und auf
Stadtrand Bucht mit übergegangen ist, während Antissa die im Alterthume hier gelegene; Stadt war.
Es galt hauptsächlich zu bestimmen, wo genauer an der langen Küste der Bucht der alte Stadtplatz
anzusetzen sei,, zugleich hatte ich aber eine Untersuchung der langen vor der Bucht liegenden Insel,
welche nach Stephanos von Byzanz s,,v. Nr,™^ hiess, ins Auge gefasst, namentlich seit mir am Abend
die Türken in Sigri von einer Inschrift dort gesprochen hatten. _
Vor Sonnenaufgang war ich in einer Barke und liess mich nach der Insel hinubersetzen,^ ging ann
so weit auf ihr entlang, dass ich sie ziemlich übersehen konnte, ohne indessen auch das Geringste mehr
zu finden, als nackten rauhen Felsboden; keine Spur von Bewohnung. Die Inschrift erwies sich als der
Grabstein eines fremden Seemannes aus dem Jahre 1815. Nach Erlangung dieses negativen Resultates 5)
1) Heise auf den Inseln des thrakischen Meeres S. 119 f.
2) a. a. 0 . S. 325 ff.
' 3) Tj, 6 [nmoxfjpt. B o u t a n hat es besucht und rühmt die weite Aussicht.
1) Anstatt auf die westlichste Spitze der Insel setzt S t r a b o Sigrion irrig einmal nach Methymna (p. 617), gleich darauf
(p. 618) zählt er es ganz richtig zwischen Eresos und Antissa auf.
•5) B o u t a n hat dasselbe gewonnen. ^