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A ls einen Ersatz für die im Ganzen sehr geringe auf Lesbos mir zu Theil gewordene Ausbeute an
Werken der bildenden Kunst füge ich meinem Reiseberichte anhangsweise auf Tafel XVIII und XIX die
Abbildung zweier Steine mit Relief und Inschrift hinzu, welche sich gegenwärtig auf der Bibliothek zu
Athen *) befinden. Dieselben wurden von einem Herrn A n to n io s S id e r id is dorthin geschenkt und zwar
zusammen mit einem angeblich apolloähnlichen Kopfe, den ich nicht gesehen habe und einer merkwürdigen
kleinen weiblichen Marmorfigur, die mit dem linken Fusse auf einen Stierschädel tritt; es ist dieses
eine Darstellung, welche einmal im Zusammenhänge mit einer ganzen Reihe von ähnlich mit dem einen
Fusse auf ein Thier oder einen ändern Gegenstand tretenden meist weiblichen, aber auch männlichen
Figuren behandelt werden muss. Als Fundort dieser vier von S id e r id is geschenkten Stücke giebt Po-
s to la k k a s in der athenischen Zeitung Atoiv, 23. Mapxioo 1859 die Umgegend von Nikaia in Kleinasien
(sopslbjaav xaxa t/)v irepicpepsiav X7)<; Nixaia? iv IXaoaovi ’Aata) an. Der Schenker wohnt in Gallipoli. Jedenfalls
ist es die eine der zwei Reliefstelen (Taf. XIX), welche nach einer Mittheilung N ew to n s als in
Gallipoli befindlich in G e rh a rd s archäologischem Anzeiger 1854, S. 513 f. beschrieben wurde, das heisst
nur ihr Bildwerk; von der Inschrift ist dort auffallender Weise gar nicht die Rede. Dagegen sind die
Inschriften beider Steine, aber ohne nähere Angabe des Bildschmuckes, nach nicht ganz genauen Abschriften
Mo rd tman n s in Kursivschrift von Chr. P e te r s e n zum Verzeichnisse der Vorlesungen, welche am
Hamburgischen akademischen und Realgymnasium von Ostern 1862 bis Ostern 1863 gehalten werden sollen
(Hamburg, 1862) auf S. 45 f. herausgegeben. Es ist dort ausdrücklich bemerkt, dass die Originale
sich im Hause des Herrn A. S id e r id is zu Gallipoli befanden. Als die Steine in die Bibliothek zu Athen
gelangten, lies P o s to la k k a s die Inschriften in Kursivschrift nebst kurzer Beschreibung des bildlichen
Theiles im Äimv a. a. 0 . abdrucken. Ich selbst habe die Originale in Athen im Jahre 1860 genau untersucht,
mir beschrieben und abgeschrieben. Später erhielt ich durch die unermüdlich freundliche Vermittlung
des genannten Herrn Münz-Konservator P o s to la k k a s Zeichnungen von der Hand des Herrn N. G is is ,
nach welchen die Lithographieen auf Tafel XVIII und XIX ausgeführt sind. Für die Wiedergabe der Inschriften
konnte ich ausser meinen Abschriften auch noch Papierabdrücke, die ich wiederum Herrn P o s to la k kas
verdanke, benutzen. Der auf Tafel XVHI abgebildete Stein (A) misst in der Höhe 84—85 Centimeter,
in der untern Breite 48, in der obem 4 3 !/2, in der Dicke 8 ll2 Centimeter, der auf TafelXIX mitgetheilte
(B) misst in der Höhe 83, in der untern Breite 39!/2, in der obem 39 und in der Dicke 7 Centimeter,
Alles nach P o s to la k k a s Messungen.
1) Auf der Bibliothek zu Athen habe ich, ganz abgesehen von der Münzsammlung und den m it ih r zusammen aufbewahrten
kleineren Gegenständen, an alten K unstwerken ausser diesen Steinen noch die hübsche und in einer für G riechenland so seltenen Weise
g u t erhaltene Knabenstatue aus Lilaia (Annali dell’ inst, di corr. arch. 1859, tav. d’agg. A) und ein Relieffragment aus Abdera, vielleicht
von einem Grabsteine, gesehen. Das letztere verdient um seines noch in den Formen strengen Styles und um des Fundortes
willen, der sonst noch nicht unter den Fundorten von Kunstwerken genannt ist, Beachtung.