
Stadt? gehört der Stein ursprünglich hierher? er könnte sogar vom gegenüberliegenden Festlande hergebracht
sein. Von Ueberresten einer Stadt in dieser Küstengegend konnte ich Nichts in Erfahrung bringen,
suchte mich aber auch selbst durch einen kleinen Streifzug zu überzeugen. Gleich unterhalb der
Stephanoskapelle an einer kleinen Küstenbucht liegt die Gegend Moptaxpi oder MuptavSpi, wie andere es
umdeuten; hier sind Pflanzungen um einen kleinen Wasserlauf. Von Myriatri gegen Norden der Küste
folgend kam ich in eine zweite Niederung am Meere auch mit einem kleinen Wasserlaufe und mit Anpflanzungen.
’Avoixtoc heisst die Stelle. Hier sah ich Ueberreste eines Ortes verstreut, viele Steine, Ueber-
bleibsel von Kirchen, Brückentrümmer, aber nichts Altes war zu finden. Endlich wieder weiter kam ich
bis zum Palaio-Limani, wo ein Magasi und einige andere Häuser liegen. Es ist hier nämlich ein Ueber-
fahrtsplatz nach den Muskonisia und eigentlich die Skala von Mandamados. Jetzt soll sich der Verkehr
allerdings mehr nach dem auch auf meiner Karte angegebenen Jeni-Limani hinziehen. Vom Palaio-
Limani aus sah man ein paar Schiffe, die Oel einnehmen wollten in einer kleinen Hafenbucht der grösse-
sten der Kumakia - Inseln liegen. Auf dem Rückwege nach Mandamadas passirten wir noch die wüsten
Stellen mehrer früherer Dörfer. Alle Bewohnung ist, wie schon gesagt, in den Schreckenszeiten des Seeraubes
landeinwärts gescheucht, hier zunächst nach Mandamados. So viel war mir auf meinem Ritte heute
klar geworden, dass an einer oder an mehren dieser kleinen Küstenbuchten, die im Alterthume wie heute
Ueberfahrtsplätze nach den Hekatonnesoi, besonders nach Pordoselene, nach Herakleia boten, damals auch
Ansiedlungen gelegen haben müssen. Aber von einer Stadt, die auf der Inschrift genannt wird, ist weder
eine Nachricht noch eine Spur erhalten, da die Trümmer von Aniktös neueren Ursprunges sind. Ich bleibe
deshalb dabei, dass die Inschrift im Agios Stephanos nicht an ihrem ursprünglichen Orte mehr ist, vielmehr
wahrscheinlich vom Festlande oder etwa aus den Ruinen von Pordoselene herstammt, und will dafür
als bestimmten Grund noch geltend machen, dass wir nach unsern Nachrichten, namentlich auch nach den
Erwähnungen der Gebietsgrenzen von Mytilene und Methymna, entschieden leugnen müssen, dass zur römischen
Zeit, in die die Inschrift gehört, eine Stadt, wie sie doch in der Inschrift genannt wird, in dieser
Küstengegend gelegen haben , könne.
Von Mandamados erwähne ich noch als eine Thatsache, die für die an griechische Vasenkunde sich
knüpfenden Fragen vielleicht einmal Beachtung verdienen kann, dass im Orte sehr viel Thongeschirr
gemacht wird. Auch bei dem Perama am Golfe von Jera wird Töpferei getrieben. Eines Töpfers Sohn
von Mitilini, Barbarossa, war einst der Schrecken des Mittelmeeres.
Bei der übrigen Dürftigkeit an archäologischer Ausbeute freute ich mich in Mandamados einen merkwürdigen
Amuletstein (Taf. X, 4 a—4 d) 1) erwerben zu können. Der Mann, der ihn mir verkaufte, sagte, er
sei in der Anatoli gefunden. Der Stein ist schwarz, auf beiden Seiten flach mit abgeschrägtem Rande.
Auf der kleinen Fläche (4 b) befindet sich ziemlich roh geschnitten ein Amor, geflügelt, mit dem Köcher
auf dem Rücken und Pfeil und Bogen wie zum Schüsse ansetzend in den Händen. Unten vor ihm sieht
man eine aufrecht brennende Fackel. Die Umschrift ist mir unverständlich, dagegen steht auf der ändern
grösseren Flachseite (4C) offenbar als ein Gebet an den Amor gedacht; Äo?. <l/uy/]v sptpl tto cpopouvxt
SexoüvBOajc, mache mir dem Träger des Steines die Secundilla geneigt! Zur Verstärkung des Zaubers,
der ohne Zweifel dem Steine zugetraut wurde, laufen gewiss absichtlich unverständlich gebildete Schriftzeichen
um den Rand herum (4 a).
Mit Sonnenaufgang verliess ich am 3. August das gastliche Dorf. Der Weg nach Molivos führte gleich
bergan, das Türkendorf Kukumido blieb rechter Hand, dann durchritten wir Karpi oder Kapi 2), wie ich
*) Die Seitenansicht 4 d giebt die Grösse des Originals, das in der übrigen Abbildung etwas vergrössert ist. Der Stein ist
jetzt im Besitze des Herrn Professor Otto Ja h n in Bonn.
2) Es lieg t nicht der geringste Grund vor, bei Kapi das alte Nape anzusetzen, wie B o u t a n es thut. P l e h n s Karte nach
C h o i s e u l-G o u f f i e r setzt es nur ungefähr in diese Gegend. Wir wissen aber über die Lage dieses Ortes Nichts, - als dass er zum
es sprechen hörte. Nun zieht sieh der schlechte und steinige Weg aufwärts an dem Hauptstocke der
(ielia’oerge '), dem Lepetymnos 2) der Alten, hinauf. Je mehr wir die Felshöhen hinan stiegen, wo nur
Farren und andere kleine Kräuter fortkommen, desto mehr entwickelte sich die Aussicht herrlich und weit
nach Osten zurück; um die zahlreichen Inselchen der Muskonisia schwebten die Morgennebel, daneben
breitete sich glatt der 'Meeresarm, blitzerte von der Morgensonne diesseits in den Buchten und um die
Vorgebirge von Mitilini, jenseit begränzt durch die' Bergreihen Kleinasiens von da, wo sie auf der einen
Seite sich weit in die Tiefe des Golfs von Adramytti zurückziehen, bis da, wo es am ändern Ende nach
Smyrna geht. Sobald wir hinüber auf die Abdachung des Gebirges nach Norden hin kamen, trat an die
Stelle dieses reichen Bildes die einfache Küstenstrecke des südlichen Troas. Unten liegt das Dorf Skammä
mit einem kleinen Hafen, einer Ueberfahrtsstelle nach Bechram, dem alten Assos. Erst als wir um eine
Bergecke bogen, übersah man die Küste von Troas ganz bis zum Kap Baba (Aextov) ; im Meere drüber
erschien Tenedos. als schmaler niedriger Streifen mit der kleinen Eliaskuppe rechts, darüber hin Imbros
mit höheren Bergen und wieder weit darüber aufsteigend mit einigen weissen Wölkchen umgeben der
Bergrücken von Samothraki. Im offenen Meere liegt die niedrige Limnos mit dem Athos dahinter. Das
Alles überstandene Freuden und Leiden für mich. Weiter blieb rechts unten das Türkendorf Chalka liegen
und dann erreichten wir Argina, das an den Berghängen von reichen Gärten mit Fruchtbäumen,
besonders auch Kastanien umkränzt liegt.: Ein buntes Bild boten unten am Brunnen unter der helUaubi-
gen Plantane die waschenden Frauen. Das Gebirge steht hier., mit besonders steilen Wänden. Bald wurden
die Umgebungen des Weges dann wieder trocken und steinig,’-'das Kastell von Molivos erschien und
um Mittag, mit Abrechnung der Aufenthalte nach einem Bitte von ungefähr sechs Stunden erreichten wir
den Ort. Am Wege sahen wir an einer kleinen Wasserleitung arbeiten.
Die Berghöhe, auf welcher Molivos 'liegt, bildet eine Nordwestspitze von Lesbos, am nächsten dem
Vorgebirge Lekton gegenübertretend. Das ältere Quartier des, Städtchens liegt hinter dem Kastelle, welches
den Gipfel der Anhöhe einnimmt, versteckt gegen das Meer; die Stadt sah also damals aus, wie so
viele in den Seeräuberzeiten,, als man die Ansiedlubgen so wenig wie möglich dem Meere nahe brachte.
Jetzt dehnt sich der Ort sorgloser weit um das Kastell herum aus, noch hoch am Berge aber, so dass
man von günstig gelegenen Häusern herab das Meer übersieht und die weitere Nordwestküste der Insel.
Erfrischend weht der Seewind in das hohe Städtchen hinein. Von dem Platze des heutigen Ortes zieht sich
ein hakenförmiger Vorsprung, nach Süden zu besonders steil abfallend, als letzter Auslauf des Landes in
das Meer hinaus; er schützt die Bucht von Molivos vor den Nordwinden. Auf seiner jetzt beackerten
Oberfläche lässt sich in: Steinbrocken und Scherben über die Felder! hin die Spur der alten Methymna verfol-
gen, ohne dass irgend ein Bau, auch nicht die Stadtmauer, noch zu erkennen wäre. Nur eine tiefe Zisterne
hat man gefunden. Wasser zu sammeln war hier besonders wichtig, da, es dem Stadtplatze an Quellen
fehlt, ein Mangel, an dem Molivos in den letzten Jahren wieder gelitten hat, seit eine kleine Wasserleitung,
mit deren Ausbesserung man längs des von Mandamados kommenden Weges eben bei meiner Anwesenheit
beschäftigt war, verfallen lag. Man musste das Wasser auf Thieren in die Stadt holen. Nahe der westGehiete
von Methymna gehörte; Strabos Worte (S. 426) iv t«5 iteSüp gehen genau genommen au f die Ebene dicht
unter Molivos.
*) Entstellt aus Agios Ilias. . \ • • ' ■ ' 1 ' .
, 2)„ Diese Ansetzung des Lepetymnos ist in der T h a t unzweifelhaft richtig, wie namentlich aus der mehrfach erwähnten Lage
in der Nahe von Methymna (Molivos) hervorgeht s. die Stellen Sei P l e h n a. a. O. S. 9. Z a n d e r a. a. 0 . S. S. Auch die Vermählung
der Methymna m it dem Lepetymnos in der Sage gehört dahin s. bei P l e b n a. a. 0 . S. 26. Der böebste Berg der Insel
is t er nicht, wie. die englischen Messungen auf unserer Karte zeigen. B o u t a n (s. a. a. O. S. 334 f.) hat den Gipfel erstiegen und
nur die Ruinen einer Kapelle oben -gefunden, während die Alten von einem Apollotempel, von einem Palamedesheiligthum und
einem Heroon des Lepetymnos sprechen, hei welchem letztem sich nach der Angabe des Methymnäers Myrsilos hei Antig. Crnyst.
c. 17 zwei Baben aufhielten. Nach A n a g n o s t i s nennen die Sehiffer den Berg je tz t Korakas.