Wir wollen zunächst einmal untersuchen, welche Umstilnde für und welche gegen eine Vereinigung von
Chorda mit den Laviinaricen sprechen.
F ü r die Vereinigung sprechen offenbar die zwei Umstände a, Cdss, Chorda lediglich uniloculäre Sporangien
besitzt; b. dass diese Sporangien, an Gestalt denen von Laminaria gleich, gemeinsam mit assimiiirenden Schläuchen,
und mit diesen untermischt, den Rindenzellen entspringen; dies geschieht auch bei den LaminarieeiC).
Dagegen bestehen folgende Verschiedenheiten;
a) Bei Chorda besitzt der r a d i ä r g e b a u t e Thallus Avährend des Wachsthums intercalare Zelltheilung
nahezu gleichförmig über den ganzen Thallus vertheilt, während die s t e t s b ila t e r a l g e b a u te n
Lamtnariaceen. wenn Avir von den Keimpflanzen absehen, durchweg einen localisirten, wenn gleich ausgedehnten
Vegetationspunkt erkennen lassen.
b) Bei Chorda bedeckt die Sporangialschicht gleichförmig den ganzen Thallus mit Ausnahme des Fusses;
bei den Lanmiariaceen bilden die Sporangien circumscripte Sori.
c) Der in den verschiedenen Gattungen hervortretende Typus der Laminariaceen entfernt sich beträchtlich
durch seine morphologische Differenzirung von Chorda.
Man wird mir vielleicht einwenden, dass, wenn ich in den Pimctarieen, Asperococceen und Scytosiphoneen
radiäre und bilaterale hormen unbeanstandet beisammen stehen lasse, ich dies auch bezüglicli der Laminariaceen
thun sollte. Dagegen ist zu erinnern, dass in der Systematik das gleiche Merkmal in verschiedenen Gmppen nicht
immer den gleichen Werth besitzt, und es kommt sehr darauf an, wie es durch anderweite Merkmale unterstützt
wird.
Was die Beziehungen von Chorda zu Scytosiphon anlangt, so ist der einzige wesentliche Unterschied' darin
gegeben, dass Chorda nur uniloculäre, Scytosiphon nur pluriloculäre Sporangien trägt. Aber die pluriloculären
Sporangien entspringen bei Scytosiphon ebenso aus den Rindenzellen, wie bei Chorda, sie sind bei Scytosiphon mit
ganz ähnlichen, einzelligen Schläuchen gemengt, wie bei Chorda, sie sind gleichförmig über den Thallus verbreitet,
dessen Waclisthum das gleiche ist, wie bei Chorda. Würde Chorda ausser den bekannten uniloculären Sporangien
auch mit solchen pluriloculären Sporangien Vorkommen, wie sie Scytosiphon trägt, ich würde kein Bedenken tragen,
beide in eine Gruppe zusammenzustellen. Auch das neuerdings von K j e l l m a n ^ entdeckte aber noch wenig bekannte
Genus Physeinatoplea, welches Scytosiphon nahe steht, aber ausser Individuen mit pluriloculären auch
solche mit uniloculären Sjjorangien producirt, scheint mir für die Verwandschaft von Chorda und Scytosiphon
zu sprechen.
Ich bleibe darum vorläufig bei meiner Ansicht stehen, dass Chorda einen selbstständigen Typus {Chordeae')
repräsentirt, der sich zunächst an die Scytosiphoneae anschliesst, vermuthlich mit diesen einer gemeinsamen Wurzel
entsprungen ist. Ich leugne aber auch keineswegs, dass die I.aininariaceae unter allen Phäosjioreen zu den
Chordeae und den Scytostphoncae die nächsten Beziehungen haben und vielleicht mit diesen eine gemeinsame,
untergegangene Wurzel besitzen.
\ orläufig fehlt es aber leider an jeder Handhabe, hierüber etwas Bestimmtes zu ermitteln, und speculative
Betrachtungen führen, wenn es sich um phylogenetische Beziehungen handelt, selten zu einem befriedigenden Resultate.
Das zeigt sich schon, wenn man versucht, auf dem Wege der Vergleichung Anhaltsjmnlcte dafür zu gewinnen,
ob Chorda totnentosa sich aus Ch. Filum abgezweigt habe, oder umgekehrt, oder ob beide von einer
dritten, untergegangenen Art abstammen. Einige kurze Bemerkungen mögen darüber noch gestattet sein.
Was zunächst die geographische Verbreitung anlangt, so ist das Vorkommen von Ch. tomentosa ein viel
beschränkteres, als das von Ch. Fihtm. Die letztere Art findet sich zerstreut durch das ganze nördliche Eismeer
(mit Ausnahme der pflanzenarmen Sibirischen See), tritt dann in grösster Menge auf an den atlantischen Küsten
Skandinaviens, Dänemarks, Deutschlands. Englands, Frankreichs (bei Brest noch gemein), geht auch tief in die
salzarme östliche Ostsee hinein. Gemein ist sie auch an der atlantischen Küste von Nordamerika. Chorda tomentosa
hingegen überschreitet von der Skandinavischen Küste nach Norden kaum den Polarkreis, sie ist dann stellenweise
häufig an den West-Skandinavischen Küsten, ebenso auf Helgoland, findet sich noch im saizreichsten Theile
der westlichen Ostsee und wird selten an den englischen und französischen Küsten, in Nordamerika fehlt sie. Sie
ist viel weniger verbreitet, weniger eurytherm und weniger euryhalin als Ch. Filum.
Hieraus könnte man scliliessen, dass Ch. tomentosa erst später und local sich aus Ck. Filum entwickelt
und noch nicht die Verbreitung der letzteren Art erreicht habe. Man kann aber auch umgekehrt schliessen:
') Vgl. T h u re t, Recherches sur les zoospores Ann. d. sciences aat, 3 Série. Tome 14 Tal, 30. Vgi, nainenllicli auch den Text S. 3 1.
— In dieser Abhandlung (185 1) stellt ThüRET, offenbar wegen der Fructification, Chorda ebenfalls zu den Laminar,een. eine Auffassung, die er
später geändert hat, da sein System der Algen in L e J o l is Liste aus dem Jahre 1863 d.ntirt,
*) Handbok S. 60.
Ch. tomentosa ist die ältere, aber im Aussterben begriffene Form, weil die jüngere Ch. Filum besser den Lebensbedinsungen
der Jetztzeit angepasst ist. Und nichts kann uns hindern, anzunehmen: Es existirte eine Cx-Chorda,
diese spaltete sich gleichzeitig in Ch. tomentosa und Filum, wovon die letztere sich vermöge ihrer dafür geeigneteren
Organisation ein grösseres Verbreitungsgebiet eroberte. u, •
Berücksichtigt man die morphologischen Charactere beider Arten, so sind wiederum die drei Möglichkeiten
Vorhände^ ist die ursprüngliche Art, weil sie die gewölmlidien, farblosen Phäos])oreenhaare trägt. Sie
entwickelte ihre, dem Zweck vorzüglich angepassten Assimilationsschläuche in Ermangelung anderer
Assimilationsorgane. Ch. tomentosa bildete sich aus Ch. Filum heraus, indem die Zellen der Haare sich
dicht mit assimiiirenden Chromatophoren erfüllten, in Wechselbeziehung damit die Assimilationsschläuche
verkümmerten, weil sie überflüssig wurden.
b) Ch. tomentosa ist die ursprüngliche Art, denn die zwischen den Sporangien stehenden Schläuche sind
nach Form und Inhalt von den gewöhnlichen Rindenzellen der Phäosporeen wenig verschieden. Der
Typus hatte sich aber, aus Bedürfniss, einen besonderen Assimilations-Apparat erAvorben in den chromatophorenhaltigen
1-Iaaren. Hieraus entwickelte sich Ch. Filum durch Ausbildung der Schläuche zu
Assimilationsorganen, jetzt Avurden die Chromatophoren in den Haaren entbehrlich, es trat eine regressive
Metamorphose, ein Rückschlag ein zu den gewöhnlichen farblosen Phäosporenhaaren, deren
Function hauptsächlich wohl derjenigen der Wurzelhaare der Phanerogamen entspricht.
c) Die Cx-Chorda hatte Aveder assimilirende Haare noch Assimilationsschläuche, es entstanden aus ihr beide
Formen, und da sie den Lebensbedingungen besser angepasst waren, als der UTtypus, so ging dieser
zu Grunde.
Es ist Sache des subjectiven Gefühls, sich für eine dieser Eventualitäten zu entscheiden, und ich meinerseits
gebe dem Falle c den Vorzug, l'ls ist meines Pirachtens aber ziemlich überflüssig und von wissenschaftlich
geringem Werthe, über Verhältnisse zu grübeln, die man voraussichtlich niemals völlig Avird aufhellen können.
Die Systematik hat in der Definition und Classifizirung der Typen eine so Avichtige und dankbare Aufgabe zu erfüllen,
die geAviss keinen geringeren AufAvand an geistiger Arbeit erfordert, als irgend eine sonstige botanische
Untersuchung, dass sie sich gerne an dieser Aufgabe sollte genügen lassen.