Am Schlüsse der Beschreibung der von mir beobachteten Schwimmpolypen angelängt, wird
es gerechtfertigt erscheinen, noch einige allgemeine Betrachtungen anzuknüpfen, um spwohl atjif das
bisher in diesem Gebiete Geleistete Rücksicht zu nehmen, als auch die vorliegenden Tbatsachpn zu
allgemeinen Schlüssen zu vprwerthen.
Die genauere Kenntniss der Schwimmpolypen ist eine Frucht der letzten Jahrzehnte, denn
wenn auch Forskal (Descript. animal, etc., quae in itinere Orient, collggit. Bavniae 1773) für die damalige
Zeit sehr gute Beschreibungen dreier Physophcjriden und der Gattungen P o rp ila und V e le lla
(H o lo th u ria d en u d a ta und Spira n s Forsh.j uns überliefert hat, sö war demselben doch der eigentliche
Bau dieser Thiere ganz verborgen; und dasselbe gilt auch von allen andern gleichzeitigen und
noch altern Beobachtern. Das 19. Jahrhundert begann mit den ausgezeichneten Leistungen von Peron
und besueur (Voyage aux terres australes. Arm. du Museum Tom’XIV, Joum. phys. 1 8 tlj. und ist-
namentlich hervorzuheben die leider nur in wenige Hände gekommene Abbildung eines vollständigen
Exemplars der prächtigen S te p h a n om ia u v a r ia Les. (A p o lem ia u v a r ia Lesson) durch besueur
und die an die Beschreibung geknüpfte Vermuthung, dass diese Thiere-Thierstöcke oder Kolonien,
die Physalien, Velellen und Porpiten dagegen nur einfache Thiere seien. Die zahlreichen Entdeckungsreisen
fürderten nun, nachdem einmal die Aufmerksamkeit auf diese Thiere, welche .anch,;Ctwier als
A c a lep h e s h y d r o s ta tiq u e s in das System aufnahm, hingelenkt war, deren Kenntniss immer mehr
und erschienen in den ersten 3 Decennien neben andern minder wichtigen Arbeiten die von Tilesius
über P h y s a lia (Naturh. Früchte der Erdumsegelung von Krusenstern. Petersb. 1813), v. Chamisso
und Eysenhardt über P h y sa lia , R h izo p h y sa , D ip h y es (Nova Acta 1821 Tom.X), von Eschscholtz
über A galma (Isis 1825) und die-ganze Familie der Schwimmpolypen,(System der Acaiephen. Berlin
1829), von D. Chiaje über verschiedene Schwimmpolypen (Memorie 1823— 29), bessou (Voyage
de la Coquille. Paris 1827 — 38), Quoy et Gaymqrd (Annal. des sc. natur. 1827 and Voyage de l’Astro-
labe. Part. zool. Tom. IV. Paris 1833), Olfers (Abh. .d. Berl. Akad, 1831)'} Meyen (Nov. Act. 1834.
Vol. XVI. Suppl.) und Brandt (Prodzromus Descript. anim. ab H. Mertensio observ. Petrop. 1835).-: Die
bei weitem wichtigsten Schriften unter diesen sind die von Quoy.und Gaymard und Eschscholtz, die
beide eine grosse Zahl von neuen Typen und Arten in. die Wissenschaft einführten, während die von
Eschscholtz noch ausserdem in allgemeiner Beziehung von dem grössten Werthe war. Die zerstreuten
Beobachtungen der früheren Autoren erscheinen bei ihm ünm , ersten Male vollständig zusammenge-
gestellt und in ein System gebracht, welches bis auf die neuesten Zeiten fast allgemeiner Anerkennung
sich erfreute, zumal auch mit Bezug auf den Bau und die Lebenserscheinungen der fraglichen Thiere,
die den Namen S ip h o n o p h o re n oder R ö h r e n q u a lle n erhielten, sehr glückliche Ansichten vorgebracht
werden. Eschscholtz ist der erste, der die in dieser Schrift als Polypen bezeichneten Theile
unter dem Namen von Saugröhren bei allen Gattungen als nahrunganfnehmende Theile-anfgestellt und
überhaupt die so verschiedenartigen Organe der Schwimmpolypen in gewisse Gruppen geordnet und
mit passenden Namen versehen hat. Wenn derselbe mit Bezug auf die Geschlechtsverhältnisse und
den feineren Bau dieser Thiere grösstentheils • im Dunkel blieb, so ist ihm, dies bei der damaligen
Richtung der Forschung und bei den Umständen, unter denen er seine Untersuchungen anstellen
musste, nicht zu verargen, eher dass er die glückliche Andeutung von Lesueur, dass die Schwimmpolypen
Thierkolonien seien, nicht weiter beachtete und an Her allgemeinen Anschauung von der
einfachen Natur derselben festhing, welche namentlich durch Eysenhardt’s Vergleichung der Saugrö
h ren 'd e r’ Schwimmpolypen mit den üahrungaufnehmendeltOeffnungen der, Rhizostomen eine
wesentliche^ Unterstützung gefunden hatte und auch durch D. Chiaje’s Annahmen, der, an Lesueur sich
anschliessend, die Saugröhren »Ascidien« nennt, nicht in den Hintergrund gedrängt worden war.
Trotz dieser und noch anderer Ausstellungen, die an Eschscholtzs Arbeit sich.machen lassen, muss
doch jeder Unparteiische s*öin Werk als I ein classisches und Epoche machendes erkennen und
datirt in der That erst von ihm die Zeit, von der man sagen kann, dass sie richtigere Anschauungen
von den Schwimmpolypen hatte. Immerhin dauerte es noch lange, bis die Ansichten vollkommen
sich klärten und sich endlich sagen Hess, es sei die Organisation dieser Thiere in den Hauptzügen
begriffen, woran vor allem das- seltenere Vorkommen' derselben an den von den Naturforschern
gewöhnlich besuchten Küsten und der hierdurch herbeigeführte Mangel an directen Anschauungen
Schuld war, dem durch die in der Regel kurzen Beschreibungen der Autoren und die meist mittel-
mässigen Abbildungen nicht abgeholfen werden konnte. — So geschah in der 2. Hälfte der 30er
Jahre zur weitern Aufklärung dieser Thiergruppe sehr wenig und war es ein wahres Ereigniss, als
im Jahr 1840 der ausgezeichnete französische vergleichende Anatom Milne Edwards die von vortrefflichen
Abbildungen begleitete ausführliche Beschreibung der S tep h a n om ia c o n to r ta und pro -
life ra ans Licht treten Hess, eine Abhandlung, in welcher auch zum ersten Male der männlichen
Geschlechtsorgane der Schwimmpolypen Erwähnung geschieht. Seit dieser so glücklichen Wiederaufnahme
der Arbeiten über diese Thiere mehren sich nun die Beobachtungen über dieselben immer
mehr und verdanken wir namentlich den Untersuchungen von Philippi über P h y so p h o ra (Müll. Arch.
1843), Will über die D ip h y id e n (Horae tergestinae 1844), Sars über A g a lm o p s is und Diphyes
(Fauna litt. Nörvegiae. I. 1846), Krohn über die V e l e l l id e n (Wiegm. Arch. 1848), Huxley über
D ip h y id e n und P h y s o p h o r id e n (Müll. Arch. 18£y und Philos. Traus. 1850), Leuchart über P h y s
a lie n (Zeitschr. f. w. Zool. 1851), Busch über D ip h y id e n (Müll. Arch. 1850 und Beobacht, über
wirbell. Seethiere. 1851) und C. Vogt über S c hw im m p o ly p e n im A llg em e in e n (Zeitschr. f. wiss.
Zool. 1852) eine reiche Fülle von Thatsachen. In specieller Beziehung sind von diesen Arbeiten besonders
wichtig die von Will, Sars, Busch, Huxley und Vogt, vor allem die genaue Beschreibung der schönen
Physöphoride A g a lm o p s is durch Sars und der Gattung E u d o x ia durch Busch, dann die Darstellungen
über die Geschlechtsorgane der Schwimmpolypen von Huxley und die, wenn auch kurzen, doch
offenbar auf vielfache Untersuchungen basirten Angaben von C. Vogt. Sehr bedeutungsvoll waren
auch in allgemeiner Beziehung die Arbeiten von Vogt, Huxley und Leuckart, welche alle drei die alte
Lesueur’sehe Vermuthung, der dann auch D. Chiaje und z. Th. Milne Edwards sich angeschlossen
hatten, dass die Schwimmpolypen mit Ausnahme der Velelliden keine Einzelthiere, sondern Kolonien
seien, trotz der Einsprache von Philippi wieder aufnahmen und zugleich sich dahin aussprachen,
dass diese Thiere zu den Polypen und zwar in die Nähe der Hydroiden zu stellen und wie diese in
directe Beziehung zu den Scheibenquallen zu setzen seien.
KSUiker, Schwimmpolypen. ' 9