ifl Mit Neapel und Tarent war es eine der drei einzigen grossen Schwesterstädte, welche bis zur späteren
Machtenfaltung Roms, als Wahrzeichen der sonst überall erloschenen, griechischen Kultur, erübrigten,
tfl Mächtige Könige und strenge Gesetzgeber hat es erzeugt oder beherbergt, wie Anaxilas—dessen eiserner
Macht auch Messina Ruhm und Kraft und den flüchtigen Pythagoräern wohlwollende Gesetze zu verdanken
hat—Sieger beim Wagenrennen in Athen, und wie Charondas—dessen Name und Gesetze in Grossgriechenland
im hohen Ansehen standen-der nach Reggio aus dem nahen Catania flüchtige.
t | Auch Bildhauer hatte es, deren grosse Werke, in den ersten Anfängen griechischer Kunst, die Tempel,
die Stadien und die heiligen Städte Griechenlands bevölkerten.
Klearchos, aus dessen Bronzeschmelzöfen, wie die Lakedemonier sagten, die uralte Statue des Zeus Chal-
kiochos hervorging; und Pythagoras, der von Reggio aus, noch vor Phydias, die ganze griechische Welt mit
Statuen von Göttern und Siegern versah, so den Faustkämpfer Euthymos in Olympia, den Kitharisten Kleon
in Theben, Apollo, die Schlange Python mit dem Blitze zerschmetternd, in Delphi, den Helden Philoktetes
in Syracus, den Raub der Europa in Tarent.
fjj Es sandte nach Griechenland zu den Weltspielen Musiker und Sänger wie Aristón, Eunomos und Ibykos —
deren Schicksale, Iahrhunderte lang, der Menschen Mideid erweckten — und in den ersten Anfängen der
Geschichte Griechenlands, als dieses noch gegen die Macht Xerxes kämpfte, Hippys den ältesten Geschichtschreiber.
Aber von Ibykos, von Hippys, von Pythagoras von Anaxilas, von Aristón erübrigt nur ein Vers,
eine Legende, ein Name, manch schöne Münze, manch lieblich fantastische Erzählung, aber sonst nichts mehr.
í¡ Auf dem grossen Grabe verblieb, nach dem Unglücke, nur ein kleines Gebäude, gegen den Etna und die
untergehende Sonne gewendet, worin man die spärlichen Reliquien solcher Vergangenheit ordnete, damit in
den kleinen Sälen, wo am heissen Mittag die frische, würzige Seebrise eindringt, sie mit kurzen Worten erzählen,
wie wenig dem Tode entging.
€| In einem Winkel des Museums befand sich z. B. der jetzt zerstörte Abdruck einer nach London ausgewanderten
Marmorplatte, welche mit den Namen der Unterhändler, den einfachen und ernsten Text eines
im Iahre 433 zwischen Reggio und Athen geschlossenen Vertrages, eingegraben trägt: «Treue, Gerechtigkeit
und Redlichkeit sollen in allen Angelegenheiten zwischen Athener, Reggianer und ihren Verbündeten walten;
wir werden treue, gerechte und starke Vertheidiger, den Verträgen gemäss, sein.... »
i | Ein wichtiger Traktat, weil Athen kurz nachher, als es gegen Syracus zog, das treue Reggio in zwei
unglücklichen Kriegen zur Seite hatte, seine schönen Schiffe in dessen Hafen bergen, und bei dem Tempel
der Arthemis Phakelitis die gewaltigen Stimmen eines Alkibiades, eines Nikias und eines Demosthenes ertönen
lassen konnte.
C| Und neben dem kleinen Abdruck befanden sich zwei Inschriften aus dem Dianatempel, in Form von
Tempelchen mit allen Symbolen Dianas und Apollos, wie Dreifuss, Bogen und Halbmond; Inschriften, welche
der höchsten Richter und Priester Regglos gedenken, bevor und nachdem Reggio den hässlichen aulischen
Namen Regium Iulium angenommen. Und es gab dort auch populäre Marmorplatten mit halb griechischen
und halb lateinischen Inschriften, manchmal sogar mit lateinischen Inscriften in griechischen Lettern und mit
griechischen Inschriften in lateinischen Lettern; ferner Marmorbildwerke bei welchen man, zwischen den kleinen
mittelalterlichen Kapitalen, die rudimentäre zweideutige Gruppe einer sitzenden Iungfrau mit dem Kinde sah,
den Kopf verschleiert und eine Fackel in der Rechten, genau so wie in den griechischen Terracotten Aphrodite
Persephone mit Heros dargestellt wurde; eine nicht mehr heidnische und noch nicht christliche Iungfrau.
tj Aber bei weitem wichtiger war und ist zum grössten Theile noch, die Sammlung der Terracotten und der
Götterbilder, in Stilo, Locri, Messina, Tauriana und Reggio selbst gesammelt, schöne Exemplare der merkwürdigen
ersten Darstellungen der Gottheiten: eine aus Ton, flach wie eine Tischplatte, bedeutete einen
Hermaphroditen; andere aus Terracotta, wie in einer Hülse steckend, xoana genannt, und dazu bestimmt,
manchmal grosse Bildwerke, manchmal bescheidene Bilder der Gottheit für den Handel der Gläubigen im
Kleinen zu reproduzieren; andere feierlich sitzende Gottheiten, Nachahmungen aus fernen asiatischen Tempeln,