II. 8pe c ie l le r Theil.
S y s t e m .
.A l l e bisherigen systematischen Arbeiten über die Diatomeen leiden an einem Cardinalfehler. Die
Hauptgruppen sind nämlich in denselben auf Merkmale gegründet, welche bisweilen so veränderlich sind,
dass sie kaum zur Feststellung der einzelnen Arten benutzt werden können. Dahin gehört z. B. die
Anwesenheit oder Abwesenheit der formlosen Schteimhülle bei den Frustullen, der Stiele oder des
Fussea b:*i den Gattungen Gomphonema, Podosphenia, Podosira, Tessella; ferner das Vorkommen
im Einzelnen, oder die Verbindung mehrerer Individuen zu einem zusammengesetztem Körper. Alle
diese Erscheinungen sind mehr oder weniger veränderlich und können nur in einzelnen Fällen zur Gründung
von Uiiterabtheilungeu oder Gattungen dienen. Wichtiger dagegen sind die Structurverhältnisse,
welche die Kieselschalen darhieten. Sie treten so bestimmt, so sicher auf, dass sie nicht nur bei allen
lebenden, sondern auch bei den todten und fossilen Formen erkannt werden können und geben für das
System der Diatomeen eben so genaue Criterien ab, als das Knochenskelett für das System der Rück-
gratthiere.
Diese Structurverhältnisse habe ich bei der speciellen Bearbeitung überall zu Grunde gelegt und
ich habe mich ihrer um so entschiedener bedient, als ich dabei noeh gefunden hahe, dass mit Ihnen auch
die Form- und Entwickelungsverhältnisse der weichen organischen Theile in enger Beziehung stehen.
Die verschiedenen Entwickelungsstadien sind in folgender Uebersicht 7,usammengestellt. 5Vir
unterscheideu im Allgemeinen ausser dem S ta tu s Uber (ln welchem die Individuen nicht aiigewachseu
sind, sondern frei leben) und dem S ta tu s a f fi x u s oder a d n a tu s (in welchem die Individuen angewach-
sen und mit einem deutlichen oder undeutlichen, längern oder kürzem Fa sse versehen s in d ) :
I. Den Status sin gula ris 1. solitariu s. (Die Individuen vereinzelt, nur Avährend der Theilung zu zweien
verbunden, Navicula, Taf. 3. XLVIH).
H. Den sta tus congregationis. (Die Individuen siud und bleiben AA'ährend der liebeii.sdauer in ipehr-
facher Anzahl vereinigt).
Als Unterablheilungen desselben sind zu bemerken:
I ) der Status congr. a. tabellaris, (die Individuen sind mit ihren ganzen Nebenseiten zu Tafeln
vereinigt, Tabularia Taf. 15. X .);
b. fasciaeformi.s, (die Individuen sind mit ihren ganzen Nebenseiten zu Bändern
vereinigt, Fragilaria, Taf. 16. IV.) ;
C. tiliformis, (d ie [runden] liidividiien sind mit ihren ganzen Nebenseilen zu
Glieder-Fadeu A'ereinigt, hlelo.sira, ’I’af, 3. .X. XI.);
3 ) der status congr. concateiiatus, (die IndiA'iduen (rennen sich jmeli der 'riieilung nur an
den abAA'ecliselnden Enden und bleiben mit dem ändern
durch einen Aveicheii, oft sehr kleinen und kaum bemerkbaren
Stiel verbunden, Diatoma, Taf. 1 7 .);
3 ) der status congr. flabelliformia, (die Individuen trennen sich nach der Theilung nur an
dem obern Ende und bleiben mit dem untern zu fächerförmigen
Gestalten vereinigt, Licmophora, Taf. 13. J. —
Synedra, Taf. 14. X L );
4 ) der status congr. radiatus, (die Individuen gruppiren sich nach dev Theilung zu strahligen
Bildungen, Synedra, Taf. 14. Fig . II. und VII.)
III. Dcji Status involncratus. (Mehrere Individuen sind in eine Aveiche gelinarlige Substanz eingeliüllt,
AA'elche AA’ieder in verschiedenen Entwickelungsstadien auftritt und danach
sind wieder zu unterscheiden):
I ) der Status involucr. amorplius, (Aveun die einhüllende Sub.stanz äussorlich formlos erscheint,
Frustulia, Syncyclia, Taf. S3. I I . ) ;
3 ) der status involucr. filiformis, (wenn die einhüllende Substanz eine fadenförmige Röhre
odereinen Schlauch darslellt, Schizonema, Taf. 33. II. HL);
3 ) der status involucr. frondosus, (wenn die einhüllende Substanz nicht nur aus einem äussern
Schlauch, sondern auch aus innern Röhren besteht.
Micromega, Taf. 3 8 . I. II. II I.);
4 ) der status involucr. foliaceus, (wenn die einhüllende Substanz eine blattartig ausgebreitete
Haut bildet, Diekieia).
» l A T O I I E A E .
(Diatoineae et Diatomaceae .4 y. Naviculacea Ehrenbg. Bacillarien und Stabthierchen der Autoren).
Vegetabilìa cryjutogamìca e x regno Algarum, cla sse Isocarpearum; e cellulis sillceis vel solitariis
vel (divisione imperfecta) varie conjunctis, nunc liberis, nunc affixìs, nunc substantia gelinea inclusis
constituía. Fructus: spermatia globosa, solitaria e cellulis siliceis oriunda.
Die Diatomeen bilden bei den isocarpischen Algen eine besondere Abtheilung, die allen übrigen
dieser Gruppe durch die kieselschaligen Zellen scharf entgegengesetzt ist. Ich stelle sie an den Anfang,
w ie A g a r d h auch schon in seinem Systema Algarum gethan. Lire zusammengesetztem Formen
gehen zum Theil denen der übrigen Algen parallel, sind aber meist eigenthtimlich.
J e naclidem die Kieselschalen meist bloss mit Qucrstreifen ohne Längsstriemen, — oder selien mit
Querstreifen, immer aber mit I.ängsstriemen, — oder selten mit Querstreifen und Längsstriemen, dagegen aber
mit eigenthümlichen, bald punklirten, bald zellenarligen Zeichnungen oder Poren versehen sind, zerfallen
die Diatomeen in folgende Hauptgruppen: 1 ) gestreif te , 3 ) str iemige und 3 ) zeit ige Dia tomeen. Die
Gruppen sind natürlicli, aber es macht Schwierigkeiten, einen scharfen, durchgreifenden, mit einem Wo ite
zu bezeichnenden Cliaracter für sie aufzuliiulen. Daher auch die geAvählten Benennungen vielleicht
durch bessere ersetzt Averden können.
Die erste Gruppe unterscheidet sich von den übrigen überhaupt nur durch negative Merkmale;
es soll und kann daher mit der Benennung „Striatae“ kein allgemeiner positiver Cliaracter ausgedrückt
werden, sondern sie soll nur als Triv’ialname für die Gruppe dienen. jVeliiilich verhält es sich bei den
ändern beiden Gruppen.
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