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Z u r Zeit, wenn der Egypten ernährende Strom aus feinen Ufern tritt und nun nach allen Seiten hin das
befruchtende Element sich erçiefst, dann erfüllen die Uberfluthenden Gewäffer bis hin zum öftlichen und weftlichen Gebirge
auch die weite thebaïfche Ebene. Den Blick nach Süden gewendet, bemerken wir dort, in der Richtung nach Medinet-Habu
zu, zwei hochragende mächtige Statuen.. — .Schama und Tama werden diese beiden Steinbilder von den heutigen Arabern
genannt, von ihnen alfo wohl als zwei böfe Geifter angefehen, da in der Glaubenslehre Mohammeds mit diesen beiden
Namen eine Art höllifchen Feuers bezeichnet wird. Losgelöft von dem in Gegenwart gänzlich verfchwundenen Tempel. |
an den lie ehedem wohl zu beiden Seiten des Portals fich anlehnten, liehen fie, das Antlitz der au^ehcnden
zugekehrt, als die beiden einzigen an diefer Stelle übrig gebliebenen Monumente heute einfam ir.
zur Zeit der Ueberfchwemmung das Anfehen eines grofsen Sees hat, aus welchem als Infein, h
dort von Palmen und Mimofen umkränzte Ortfchaften in lieblicher Abwcchfelung emportauchen, -j
r To effectvolleil - Doppelbeleuchtung u
genden B
er ein grünendes Feld,
t Diefe beiden Koloffe
i Mondlicht und Feuerfcliein Carl Werner auf dem vorlie* I
r. Anfchauung bringt. Von ihnen ift der nördliche derjenige, an welchen fich in griechifch-römifcher
a fchöncn Memnon knüpfte, der an jedem Morgen beim Aufgang der Sonne mit klagendem Gefange
feine Mutter Aurora begrüßte, während fie, in Trauer Uber den frühen Heldentod ihres geliebten Sohnes, die fteinemen
Wangen deffelben mit ihren Thauthränen benetzte. In Wahrheit aber hat diefe Statue nichts zu thun mit dem Homerifchen
Helden Memnon, .dem jugendlichen Sohne der rofigen Eos und desTithon, anSchönheit felbft den Eurypylos Ubcrftrahlend,
der mit feinen äthiopifchen Völkern in den trojanifchen Krieg zog, und von Achilles Händen den Tod fand; deflen Grab
alljährlich von einer Schaar äthiopifcher Vögel durch einen luftigen Wettkampf geehrt wurde, um deflen frühverwelkte
Schönheit die Mutter Eos noch immer mit ihren Thauthränen die Erde netzt und deflen kälte Bildfäule, vom Morgenkuß |
der göttlichen Mutter berührt, von wonnige* Schmerze durchfchauert, dem aulfteigenden Licht cnigcgentönt..
Memnonsfage ift durchaus hellenifch, unfere Statue aber eine ächt egyprifche, fie flammt aus eben jener Zeit,
is welcher .
der gegenüberliegende Tempel von Luqfor herrührt, und denfelben Herrfcher, der diefes herrliche Heiligthum dem Amon
zu Ehren auflUhren ließ, ftellt fie dar. Sie ift, wie aus den an der Rückenfeite eingemeißeften altegyptifchen Infchriften
hervorgeht, das Steinbild eines Eönigs, der im fünfzehnten Jahrhundert vor unferer Zeitrechnung rühm- und glanzvoll Uber
Egypten regierte, des Königs Amenophis III.
Mit der - Göttin Eos Hand diefer in gar keiner Beziehung, und was das myfteriöfe Klingen betrifft, das bald mit
dem Klageruf eines Menfchen, bald mit dem Tone der Salpinx oder dem Schwingen einer Saite verglichen wird, fo ift
von den alten Egyptern diefes wunderbare Phänomen fidierlich noch nicht beobachtet ivorden. Ihren Weltruf hat fich
unfere Statue erft in griechifch-römifcher Zeit erworben, zur Zeit der alten Egypter war fie nicht bekannter, als irgend
einer von den vielen Königskoloffen, wie folche, den Erbauer des betreffenden Heiligthums darftellend, gewöhnlich paarweife
am Portale des Tempels oder auch in einem der Innenräume ihren Platz hauen. Die alten Egypter Kabenalfo- weder
mit dem Sohne der Eos unfere Statue in Beziehung gefetzt, noch von dem wunderbaren Klange derfelben etwas gewußt,
und ebenfowenig dürfte heute Jemand das Glück haben, den Klageruf des Memnon dafelbft zu vernehmen; dafs aber
nichts defto weniger das feltfame Tönen des Steinbildes eine geraume Zeit wirklich ftaugehabt und vielfach beobachtet
worden, kann nach den in griechifcher und lateinifcher Sprache abgefafsten Infchriften, die wir an der Außenfeite des
Koloffes lefen, nicht wohl in Abrede gefteUt werden. Mehr denn hundert Perfonen, die die Stimme des Goues gehört
halten wollen, haben an der Statue ihre Namen eingcfchrieben; hohe Würdenträger, mehrere Nomarchen und Procuratoren;
acht Stadthalter, ja der Kaifer Hadrian und feine Gemahlin. Sabina befinden fich aarunter. Uebrigcns feheint es, als ob-
das Wunderbild des Memnon nicht an jedem Morgen und nicht Jedem, der dorthin gepilgert, feinen Gefang z|
gegeben habe. Wie auf luftigen Bergesgipfel angekommen, nun
n Wanderer noch keineswegs das herrliche Scliaufpiel
eines fchönen Sonnenaufganges immer gefichert ift, fo feheint auc
für die in griechich-römifcher Zeit Egypten bereifenden
Fremden der Sonnenaufgang bei der Mcmnonsftatue nicht ftets <
n glücklicher geweferi zu fein; wenn einzelne vornehme
Römerinnen verfichern, dafs fie gewürdigt worden, die Stimme
s Gottes mehrere Male zu vernehmen, fo fcheirien
wiederum andere das Unglück gehabt zu haben, fie
hören. - Die erfte und gewiß zuverläflige Nachricht
von dem' Klingen der Statue bringt uns Strabo, d
bei den Monumenten von ‘Theben wir etwa in
bedeutungsvollen- Erdbeben fetzen dürfen. Aus de
geht hervor, dafs man damaß diefem Umftande
r wenige Jahre vor Chijfti Geburt Egypten bereifte, und deflen Befuch
das dritte: Jahr nach dem dafelbft flaugehabten, für unfere Statue
n- Berichte, den uns der nüchterne und fcharffinnige Beobachter giebt,
• befondere Wichtigkeit beilegte, und daß die Memnonsfage
fich damals, noch gar nicht an jenes Klingen des Steinbildes knüpfte. Diefer Mythus bildete fich erft nach und nach aus.
die Nachrichten werden nun immer zahlreicher und beftimmter, und in der dem Wunderglauben Io geneigten Zeit
Hadrians erlangt die Memnonsftatue ihre höchfte Berühmheit. Nachdem fie Uber zoo Jahre getönt, fchweigt nun auf
einmal, und zwar um niemaß wieder gehört zu werden, des Memnons klagender Morgengruß. welches Verdummen wohl
mit der wahrfdieinlich unter Septimus Severus 193—211 nach Chr. vorgenommenen Reftaurarion der Statue zufammenhängt.
Unter den mancherlei Vcrmuthungcn, die man, das wunderbare Tönen des Steines zu erklären, aufgeftellt hat,
find alle diejenigen, welche das feltfame Klingen auf irgend einen Betrug der cgyptifchen Priefter zurückführen wollen,
unbedingt zu verwerfen, denn bei den alten Egyptern hatte die Statue ihres Königs Amenophis mit dem homerifchen
■ Helden Memnon nichts zu thun, und ebenfo wenig wußten fie etwas von dem klagenden Gelange diefes Steinbildes.
Wo- waren überhaupt Thebens Tempel und deren Priefterfchaft, aß Memnons Klagerul zu tönen begann? Strabo, der aß
der Erfte uns von dem Klingen des Steines Kunde giebt, wandelte bereits zwifchen Ruinen; fchon zu feiner Zeit lagen
Thebens herrliche Tempelpafäfte zum großen Theilc in Trümmern; fchon damaß ftanden die beiden ihres Heiligthums
beraubten Amenophß-Statuen, ifolirt in der weiten thebäffchen Ebene, die nördliche von ihnen, die fpäter in das Bild des
. Memnon umgewandelte, bereits ein durch Erdbebengewalt gefpaltener Koloß. Ich würde diefer Deutung des Phänomens,
die eine gänzliche Unkennthiß des egyptifchen .Alterthums bekundet, gar nicht erft gedenken, wenn nicht diefelbe
wunderbarer Weife auch nodi heute Sin lind wieder ihre Vertreter fände. Die allein richtige Erklärung ttr das myfteriöfe
Klingen jenes Steinbildes feheint mir diejenige zu fein, welche meines Wiffens zuerft Lettonne in feiner .Statue vocale de
Memnon« betitelten Abhandlung gegeben hat. Nachdem er dort das fpäte Entliehen der Memnonsfage nachgewiefen,
fpricht er dann im weiteren Verlaufe der.Arbeit die Anficht aus, daß das Klingen der Statue wohl möchte hervorgerofen worden
fein durch die glühenden Sonnenftrahlen, welche unmittelbar nach der Nachtkälte des Moigens auf jl'
n Stein gefallen;
das Tönen fei fo lange vernommen worden, aß der Koloß auseinander geborilen. was durch
n Erdbeben im Jahre 27
vor Chr., deflen auch Strabo gedenkt, bewirkt worden. Seit Septimus Severus, unter den
man die beiden Theilc
n das Klingen nicht mehr gehört worden. Es hat diefe einfache Erklärung fchon a|
wieder zufam menge fügt, fei d „ „---
Grunde viel lür lieh, weil man in Egypten unter ähnlichen Verhältniffen diefelbe Wahrnehmung vom Zerfpringen u:
Klingen der Steine machen kann und auch vielfach gemacht hat- Ich gehöre zwar nicht zu den Glücklichen, welche lür
das Tönen der Memnoißftatue Zeugniß ablegen können, kann aber beftädgen. daß während meines mehrjährigen
Verweileris'bei den Monumenten im Nilthale auch von mir zu wiederholten Malen des Morgens das Springen und em
damit verbundenes, fehr vernehmbares Klingen an einzelnen Steinen beobachtet worden. Lepfius, der mit Ruffegger.
Parthey. Brugfch und anderen der Anficht Letronne’s beitritt, fagt in Bezug hierauf Pag. 283 feiner .Briefe aus Egypten«:
.der Mythos von der klingenden Statue des Memnon bildete
eigenthümliche Phänomen des hellen zitternden Tones, welcher b------
durch das Zerfpringen kleiner Teilchen emftand. erft damaß, aß die fchon vorher zerklüftete Statue durch em im
Jahre 27 vor Chr. erfolgtes Erdbeben zum Theil in hch felbft zufammehgeftümt war, auffallender hervortrat. Die
Erfcheiriung der fpringenden und klingenden Steine in der Wüfte und auf großen Ruinenfeldern .11 mEgypten nicht
feiten, ganz befondera neigt dazu aber die Natur des harten Kiefeleonglomerats, aus dem die Statue belleht, wie auc
die unzähligen großen und kleinen Sprünge beweifen, welche felbft die in griechifcher Zeit befchnebenen und folglich
damaß noch unverfehrten Theile der Statue jetzt in allen Richtungen durchfurchen.. Auch
s auffallend, v
Immer mehrere von den äbgefpältcnen und nur lofe hängenden Stücken metallhell klingen, wenn n man mai
darauf fchlägl,
während andere daneben vöüig dumpf und tonlos bleiben, je nachdem fie durch ihre gegenfcjtige Lage m
T weniger
gedämpft werden. Die zahlreichen griechifchen und römifchen Infchnften, VU H
: eingegraben find, und