B a r b ir l a d en in A c h m Im.
A l s äußeres Zeichen männlicher Würde gilt .bei den Morgenländern der Bart. Der Schwur »bei meinem
Barte!« iil gleichbedeutend mit »bei meiner Seele;« die Betheuerung »beim Barte des Propheten« fchliefst in (ich die volle
Hochachtung und Verehrung, welche jeder Gläubige dem Gottgefandten tollt. Leichtfertig lebt der Türke oder Araber,
bis ihm der Bart wächft, leichtfertig, die Gcfetze Allahs und des Propheten wenig beachtend, oft noch der Mann, deflen
Oberlippe der forgfam gepflegte Schnurrbart kräufelt; von dem »Gegohrenen,« dem rolhen Weine aus Frankiftän, dem
gebrannten, aus dem Weingeifte der Dattel bereitetem Waffer, trinkt er lachend und fcherzend fogar in Gegenwart des
Kliadi, welchem das Amt obliegt, die Gebote Mohammeds aufrecht zu erhalten; im tollen Lcbensraufche fucht er, trotz
feines wohlbcftcllten Harem, bereits auf Erden nach Huris, und mißbilligend fchllttclt das ernfte Alter fein Haupt: plötzlich
aber läßt ftch der Sündige feinen Bart wachfen und erwiedert, wenn einer der lockeren Gefeiten der früheren Bekanntfchaft
verführerifch zu ihm reden folltc, emften Blickes nur das eine Wort: »Tobe,« was fo viel als Reue, Buße, Umkehr bedeutet.
Die Zeit, in welcher der weife Salomo die Worte fprach »alles ift eitel,« ift gekommen für den Lebemann: fein Bart ift
gewachfen und darf nicht gefchändet werden.
Ehrbarer, gaftfreier Küfchef von Ambukol, dein Bild ift cs, welches in unterer Erinnerung lebendig wird. Dir
deine GaiUichkeit zu entgelten, hatten wir dich geladen an den Bord des Schilfleins, welches uns dem Lande der Schwarzen
entgegentrug. Und du kamft gern und willig, brachte!) auch deinen Schreiber mit, wie alle Schreiber, einen Chriften und
Ungläubigen, auf deflen Haupt du gelegentlich die Fülle deines gerechten Zornes cntludeft. Und ihr beiden trankt von
den gebrannten Wäffem mehr als euch dienlich war; denn ihr ftürztet beim Verlaffen des Bootes in den heiligen Nil.
Und wenn du, o Käfchef, auch behaupteten, der verdammte Chriftenhund habe dich mit (ich geriffen: wir glaubten dir
doch nicht; denn du hatteft des Guten entfehieden zu viel gethan und gefUndigt vor Allah und feinem Propheten. Als
wir aber zwei Jahre fpäter wiederum dich luden und dir von Araki fprachen, wie köftlicher ihn die Dattel niemals gegeben,
da ftrichft du criillon Antlitzes würdevoll durch deinen inzwifchen gewachfenen Vollbart und fagteft bedeutungsvoll bloß
das eine Wort: »Tobel« Und du ließe!) dich nicht verlocken, würdiger Käfchef: cs würde »Schande für deinen Bart«
gewefen fein, hätteft du wiederum gefündiget.
Es ift erklärlich, daß die hohe Achtung, in welcher der Bart fteht, eine ganz befonderc Pflege deffelben zur
Folge hat. Hierzu kommt noch ein anderer Umftand. Der Morgenländer vom alten Schrot und Korne läßt (ich nur den
Bart nicht aber auch das Haupthaar wachfen, feheert diefes vielmehr bis auf eine Scheitellocke ebenfo kahl ab wie die
Wange, welche ihm noch nicht würdig genug dünkt, vom Vollbarte befchattet zu werden. Kein Wunder daher, daß der
Barbir des Morgenlandes zu den am mciften befchäftigten Gewcrbtreibendcn zählt und ftlr den Mufelmann vollkommen
unentbehrlich ift. Das Bewußtfein feiner Wichtigkeit drückt lieh denn auch deutlich genug in dem Geflehte des Mannes aus
und verleiht feinem Auftreten etwas unbefchreiblich Würdevolles. Unter der Gefchwäaigkeit des deutfehen Barbirs hat
man bei ihm niemals zu leiden; er verrichtet fein Amt mit der Würde, welche es «fordert.
Der Gläubige oder Ungläubige, welch« den Gefchäftsladen eines morgenländifchen Bartfcheerers betritt, wird von'
diefem ehrfurchtsvoll bewillkommt, zum Sitzen aufgefordert und fodann zunächft mit ein« Pfeife erquickt, welche der würdige
Gefchäftsinhab« fclbft geftopft, angezlindet und in landesüblicher Weife angeraucht hat. Den hierzu erford«lichen Tabak
«bittet « fielt aus dem Beutel des Gaftes, um gegen den Gefchmäck deffelben nicht zu verftofsen. Während die erden
Wolken das zu fcheerende Haupt umwallen, breitet unter Mann Leintuch« Uber Bruft und Schultern des Gaftes, ftreicht
hierauf fein Meffer auf einem breiten, ihm vom Gürtel herabhängenden Riemen ebenfo ficher als bedächtig, bis es den
höchften Anforderungen zu genügen fcheint, und beginnt nunmehr das Einfeifen. Hierzu bedient er fielt eines Beckens
mit halbrundem Ausfchmlt, welcher d« Rundung des Halfes entfpricht, hält es dem Bartgafte unt« das Kinn und feift
das Geficht auf das allerforgfältigfte ein. Jetzt feheert er Wangen und Kinn, foweit fie vom Barte befreit fein teilen, mit
dem Striche der Haare, prüft wohlgefällig das halbgethane Werk und fehreitet zur Vollendung deffelben. Er Hemmt den
rechten Fufs auf den Stuhl des Gaftes, breitet ein Leintuch über den Oberfchenkel, legt jenes Kopf darauf, fpannt die
Gefichtshaut anund geht auf Vernichtung jedes etwa noch vorftehenden Haarftummels aus, indem er gegen den Strich
arbeitet. Nicht allein die bisher behandelten Thcilc des Geflehtes werden nunmehr vollends geglättet, fondern auch Stirn
und Schläfe, NafenrUckcn und Ohrmufcheln der genaueften Berichtigung unterzogen und von jedem noch erfichtlichen
Härchen befreit. Soll der Kopf gefchoren werden, fo hängt der Barbir einen Wafchkeflel mit engmündigem Hahne Ob«
dem Haupte des Bartgaftcs auf, feift tüchtig ein, und feheert mit groß« Gewandtheit alle Haare bis auf die Scheitellocke
weg. Hierauf wird der Kopf nochmals mit Seife eingerieben, diefc mit weißen, weichen Dattel lafem zu Schaum gefchlagen
und jeder Tltcil mit Sorgfalt gewafchen. Dalielbe gefchieht, wenn der Vollbart bereits Wangen und Kinn befchattet; nur
daß unter diefen Umftänden noch eine befonderc Haarpflege hinzukommt. Der Künftler kämmt zunächft die wenigen
Haare der Stirnlockc glatt und flicht aus ihnen einen zi«lichen Zopf zufammen, reibt diefe mit wohlriechenden Wäffem
ein und ftülpt SchweifsmUtzdien und Fez oder erfteres und den Turban auf das gereinigte Haupt, geht fodann zum Bart
Uber, flutzt zunächft die Haare des Schnurrbartes, welche die Ob«lippe decken, bis zu den Mundwinkeln hin, wie es für
Türken und Araber, von denen man nichts Arges denken teil, crterd«lich und nothwendig ift, kämmt hierauf den Vollbart
und befchneidet ihn mit ein« Gefchicklichkeit, um welche ihn jed« curopäifche Haarkräusler beneiden könnte, bis auch
nicht ein Härchen Uber die wohldurchdachte Rundung des Ganzen hervorragt. Hierauf folgt eine neue Salbung mit
wohlriechendem Oele, die Abnahme der Leintücher, das Stopfen und Anzünden ein« frifehen Pfeife und die höflichen
Worte: »Gott fegne Dich mein Herr!« womit das wichtige Gefchäft beendet wird.
Von dem Luxus ein« europäifchen ßarbirftube und ihren Geräthfchaften, als da find Armfeflel und Spiegel,
Schränke mit wohlriechenden Seifen und dergleichen, Brenneifen etc., zeigt das Innere des morgenländifchen Barbirladens
nichts. Ein Diwan od« Sitzpolft« und ein einfach« Feuerherd, um das Walter zu wärmen, find die Geräthe, mehrere
Barbirbecken und Kcffel, einige Scheermefler, Scheeren und Handfpiegel die Werkzeuge des Künftlers. Doch dürfte auch
der verwöhntefte Europäer kaum etwas vermißen, da « forgfältiger und beiter bedient wird als in (einem Vaterlande.
Galt und Bartfcheerer geben (ich Zeit, und einer wartet geduldig auf den anderen. Dah« gibt es denn auch kein zerkratztes
oder gefehundenes Gefleht, keine Klage des Gaftes während des Scheerens felbft; jed« Handgriff des Barbirs ift ebenfo
gefchickt als fanft, jeder Strich feines Melters leicht und fleh«.
ln den kleineren Städten Egyptens ift die Ausrüftung ein« Barbirftube «klärlicherweife noch einfacher als in
Kairo, der hi« hantirende Barbir aber nicht minder gefchickt ab fein ßerußgenoffe in d« Mahherüfa. Denn d« nubifche
Stutzer ift durchaus nicht wenig« anfpruchsvoll ab der Türke oder Araber, verlangt im Gegenthefle wo möglich eine
noch forgiältigere - Behandlung fein« fammtigen Haut und, wenn er das volle Haupthaar trägt, einen äußer!) kunftvollen
Aufputz deffelben, teil er fleh feiner wenigen Para freundlichen Blickes und ohne Betheuerung vollft« Mißbilligung entäußem.
In feiner Heimath freilich geht es einfacher her. Hier ift Jedermann Barbir, ab« Niemand Bartkünftl«. Der Eine dient
dem Anderen wechfelfeitig. Aus d« Tafche nimmt er das fchartige Meffer, die Sandale benutzt « ab Streichriemen,
einfaches Waffer ohne Seife zur Erweichung der groben Haare, und kratzend und fchabend beginnt und beendet « fein
Gefchäft. In Egypten aber verlangt man das Hüchfte, will man die Wolluft der allerforglamften Haarpflege genießen,
und ob auch Andere deshalb warten und eine Pfeife nach d« anderen rauchen müßten, wie die würdigen Männer vor
dem Barbirladen zu Achmim, welche Werners Pinfel vorführt, geduldig des braunen Gecken halb« warten müden.
A . E. Brehm.