V O R W O R T .
D i e Arabifche Wüfte im- Often, die Libyfche im Weiten, den an Nubiens Grönze
donnernden Katarakt von Syene im Süden und die Küfte des Mittclmeeres im Norden,
breitet fich zu beiden Seiten des Nilftromes das Land Egypten äus. Jenes Wunderbare
Thal, welches als eines der gefegnetften Länder der Erde, mit feinen Palmen und Syköri'
morcnwäldern, feinen Olivenhainen und Akazienbüfchen, mit feinen von Jasmin-.und Rofen-
duft durchwdrzten Hecken, feinen Baumwollen-, Zuckerrohr- und ¿Getreidefeldern wie ein
üppig fprolfender Garten- uns erfcheint, es nimmt neben feiner lahdfchaftüchen Schönheit
auch noch dadurch unfer befohderes Intereffe in Anfpruch, als einp-'ununterbrochene Denkmälerreihe
es als den Punkt bezeichnet, wo zuerft auf der E rde e i||||)h ere Kultur Wurzel
gcfchlagen. — Im Lande der Pharaonen an den Ufern des Niles, hier haben wir den Schauplatz
des älteften gefehichtlichen Lebens; hier wurden ausgeführt die erften grofsen Eroberungen
des Menfchengefchlechts |n'-Bezug auf Kultur und Sitte; hier“ ift der Boden, auf
welchem nachweislich die älteften Menfchenwerke, die älteften Schöpfungen der Kunft
lins begegnen, und zwar wunderbarer Weife einer Kunft, die keineswegs als eine noch
in den erften Entwicklungsftadien begriffene fich uns darftellt, fondern bereits fo manches
Werk uns bietetj welches, in Stein, Holz oder Metall ausgeführt, uns deutlich schon erkennen
läfst die fichere Hand eines ächten Meisters. Von dem Riefengrabe des Cheops
am Rande der Wüfte bei Gifeh bis hin zu den Tempelpaläften au f der.-pSmenumkränzten
Ifisinfel Philae find uns in reicher Fülle auf egyptifchem Boden jene Denkmäler erhalten
geblieben, welbhe als die h’errlichften Schöpfungen eines, den älteften Zeiten der Mcnfchen-
gefchichte angehörenden künftlerifchen Wirkens fich ausweifen, und mit ihrem heute uns
Verftändlichen Bilder- und 'Inschriftenschmuck ein fo beredtes Zeugnifs ablegcn von der
grofsen Vergangenheit diefes Landes. In einer Zeit, welche fchon dem klaffifchen Alterthum
als eine in nebelhafter Feme hinter ihm -liegende Vorzeit galt, Jahrtaufende vorher, ehe
Rom und Griechenland, auch lange vorher noch ehe Meder und Perfer, ehe Israel und
Phönizien, Affyrien und Babylon ihre Million in der Weltgeschichte antraten, da leiftete
hier ein in Künften und;WÎffenfchaften hochgebildetes Volk bereits fo Hervorragendes,
dafs felbft die Gegenwart noch mit staunender Bewunderung diefe Schöpfungen betrachtet
und. fich dabei fagen mufs, dafs unter den Werken der alten Egypter fich folche finden,
die in de/ That noch heute unübertroffen daftehen.
Ein Land,, in welchem fich der Forfchung nach den verfchiedenen Richtungen
hin ein fo ergiebiges Feld aufthat, zumal feitdem es ihr gelungen, die Sprache der fteinemen
Urkunden Egyptens ¿¿entziffern, ein Land, in welchem fich dem ausfchauenden Blicke
eine Fernficht bis an den. äufserften Horizont der Menfchengefchichte eröffnete, wie fic fonft
'nirgends das fpähende A u g e vor fich hat, ein Land, welches des Intereffanten und Lehrreichen
fo vieles bot und noch bietet, ein solches Land musste zu allen Zeiten eine grofsc
Anziehungskraft ausüben. Em Zug der Wahlvérwandtfchaft führte fchon die Weifeften
unter den Weifen des Altérthums, führte felbft den feingebildeten Hellenen nach Egypten,