im Fallenmonat Ramadtahn, für welchen Mahammcd; der Prophet und Gcfandte Allahs, Enthaltung von Speile und Trank
verordnet hat, fo lange die Sonne ani Himmel fleht, und der Gläubige deshalb genöthigt ¡(1, die Nacht zum Tage zu
machen, geht es lebhaft her in allen Kaffeehäufem Noch ehe die Sonne zum Niedergange Geh neigt, hat der erfahrene
' Wirth, deflei). Haus während des; Tages verödet war, tun helles Feuer entzündet, Waffer zum Sieden gebracht, Kaflee-
gcfchirr, Waflcrkühlgcfäfsc und Pfeifen zurecht gelteilt und Alles zum würdigen Empfange feiner Gälte bereitet. Und bald
auch nahen Ge Geh. die hungrigen" und noch weit mehr dürftigen Männer, fchleppenden Ganges, in fchlaflVr Haltung, das
Haupt gebeugt von der Lall des gottfeligen Werkt»; jetzt nur mit dem einen Gedanken, mit dee einzigen ÄbGcht, die
lechzende Zunge zu crfrifchcn. Gefchäftig eflt der Wirth hin und her. um fchon im Voraus die Befriedigung aller Wünfehe
vorzubereiten. Neben den Sitz: des einen Gaftes Hellt er das Kühlgefäfs, gelullt mit geklärtem Wader des Niles, dem
Dürftigen köftlicluir dünkend, als irgend ein anderes der Erde, vor dem zweiten pftanzt er die Waflerpfeife auf, des
Augenblicks harrend, welcher , ihm erlaubt, den wphlgéfUllten Kopf mit glühenden Kohlen zu belegen und damit dem Galle
den Gcnufs des Rauchens zu. ¿möglichen. Aller Augen richten Geh auf das fchlanke Minarci der nächflen Meskie.
Einige, ‘welche im BeGtz von Ljhren Gnd und diefe forgfähig hach der Sonne gerichtet haben, verfolgen fehnfUchtig den
langfamen Lauf des Zeigers. ¿Noch nicht?« ift die' feufzende Frage; »noch nicht!« die (löhnende Antwort Da rollt ein
Kanonenfchufs Uber die Stadt; an der Spitze des Minaret's lleigt eine rothe Fahne empor, und von dem höchften Umgange
heraB klingt der Gefang des Miieddin: .Es giebt nur einen Gott, und Mahammcd ili fein Prophet. Ein aus tielller Brüll
hervorgellofsenes, dankbares .Allah, der zungenverdorrten Männer ¡(1 Alles, was man vernimmt. Eine Minute fpäter ift
jeder im BeGtz einer Tafle mit dem .edlen Getränk, brennt jedes Tfchibuk oder'Waflerpfeife, und giebt Geh Jeder mit
unPigltchem Behagen dem Hochgenuffe 'der Erquickung hin, . Der Eine dürftete mehr nach Taback, der Andere mehr nach
Wafler; Alle aber lechzen gleichmäßig nach dem braunen Tranke. .Noch eine Schale, o Wirth!* ' ..Dir'zu Befehl mein
Herr, hier ili fie. V» .Mir ebenfalls» «>Wohl, mein Herr.** Andere Worte werden jetzt nicht vernommen.
Getränkt und hochbefrtefligt erheben Geh nach geraumer Weile die Gälle, um in ihren Häufem das kaum weniger
fehnlUchdg erwartete Mahl zu ■ geniefsen. Bald aber füllt Geh das Kaffeehaus wieder, und: nunmehr beginnt auch in diefem
das eigentümliche Leben der Nächte des Ramadtahn. In " den Bazaren öffnen Geh die Verkaußlädcn, in den Regierungsgebäuden
die Gefchällszimmer, Und Jeder beginnt die Arbejt, welche der unter quälendem Fallen verbrachte Tag ihm zu
leiden verwehrte. Im Kaflecliatile aber Gnden Geh Sänger, Tänzerinnen und Märchenerzähler ein, um.die vom Glaubenswerk
Ermüdeten auch geillig zu erquicken. Auf der liegenden Harfe, dcnj..Soht*, entlockt der Sänger zwar- eintönige,
aber» doch nicht unangenehme Melodiccn und begleitet diefclben mit lauten, -farbenreichen Liedern von Liebe und Liebcsluit,
von Itemhelien Nächten und denen, welche den Namen Leïla, 'die flemhelle Nacht, * tragen, den liebreizenden Töchtern
der unvergleichlichen Hauptftadt und Mutter der Welt, von Blumen .und Blumendüften, tieflinnige, begeifterungsglühende
bud.heitgg. j&e&jjmymd^ed» aneinander reihend. .Phantaftifch gekleidet tritt die^zartgebaute Tänzerin auf, aie kleinen
Hände Und Füfse gefchmückt- mit Glbernen und, goldenen Spangen, das in hunderte von Zöpfen zertheilte Haar
verziert'mit eingeflochtenen leichten GoldftüCkcn, den,untadeihaft geformten Bufen, durch ein'gazeartig gewebtes, feidenes
Iiemd mehr hervorhebend als yerbetgend, die Weichen mit dcmfelben Hemde ebenfalls iriür leicht verdeckend,-und beginnt nun
einen der Tänze des Landes, bei denen es hauptlächlich darauf ankommt, daß Ge, oKM wefentlich den Platz zu verändern,
durch die anmuthigllen Stellungen und Bewegungen des Oberkörpers und der Arme die volle Zierlichkeit und Gelenkigkeit
ihres fchönen Leibes zur Geltung bringe. Die von ihr felbfl gerührten Kaftagnetten und die von Blinden gcfpiclte landesübliche,
zweifeitige Geige fowie die thöneme Trommel begleiten den Tanz, welcher|$|venn er den Anfprüchen. der kunfl-
Gnnigen Zufchauer wirklich entfpricht, reichen Beifall und reichen Lohn* zu ernten pflegt. Doch die Lieder verklingen, die
Tänzerin entfchwebt, um don Würdigftén Platz zu machen.. In fpâtçr Nachtftunde, Veinés aufmerkfamen HörerkreifeS gewiss,
Hellt Geh der Meddah oder Märchenerzähler im Kafleehaufe ein, nimmt, lall ehrfurchtsvoll gegrüfst von Allen, Platz an
hervorragender Stelle, erquickt- leinen fterblichcn Leib mit Kaffee, feine unfterbliche Séelc mit dem Rauche des köftlichen
Krautes Djebeli und entrollt niiA* in blumenreicher Rede Bilder und Sagen aus vergangenen Zeiten, das Herz der Hörer
belebend und erfrifchend, zum Glauben an Allah und feinen Propheten mahnend, Hcläenthatcn dahingefchwundenEr Gröfsen
preifend, die Uber alles Irdifche eriiabene Liebe unbefchreiblich fchöner Frauen mit glühenden WortenTchildemd und-'alle
Hör» mit lieh reilsend. Von der bärtigen Lippe des Mannes quellen die edel lieh'Worte wie aus Felfen kryltallheltes
Labial, wie aus halbgeöffneten Rofcn Gnnbcthörender Duft; und alle die Worte reiheh'Gch in der-Mufchel des Ohres der
laufchenden Hörer zu köftlichen Perlen. Dann erweitert Geh nicht allein für den Mörgenländcr, fondem aüch für den ver-
ftehenden Fremden das einfache Kaffeehaus zu einem Palafte mit fchimmemden Zinnen und prunkvollen Räumen alte Zeiten
werden lebehdig und mit ihnen das farbenprächtige Märchen von .taufend und einer fNacht.*
A . E . Brei-im.