Gewühlc des betriebfamen Volkes. Sein Haus aber war mit dem Gotteshaufe eins. Es war abgefchloflen und feil, kahl
und luftig, ruhig und ftill; und dennoch ebenfo fehr aul die Enllhhung königlichen Ccremoniclls cingcriduet, wie für die
Feier nationaler Felle zur Aufnahme und Begrüßung zahlreicher Wallfahrer praktifdi gegliedert. Der Tempelpnlail
zu Kamak ifl die concentrirte Sammlung fall aller ägyptifchen Schöpfungsbauten. Lange'Widderalleen eröffnen die
Proceifionsllrafse — eine meiderhafte Verknüpfung von gcfchlolfener Architektur mit offener Außenwelt —, Holze Wart-
thörmc, pyramidal geneigt und mit BildcrfchHft bedeckt, ilankircn und verherrlichen den Eingang. Ein umfaultcr Hof
öffnet fich und führt durdi ähnliche * ThorthUrcn zu dem ungeheuren Audienz-Saal, deffen dreifchifiigcr höherer
Mittelraum mittelst hochgcflcllter Seitenfenfler die ganze fiebenzehnfehißige Bauanlage wirkungsvoll beleuchtcL Faß
flehen hier fdion die erwirkten Raumgrößen mit dem Materialaufwandc in riditigem Verhältniffe. Noch erinnern
zwar die mäßigen Pylonen an die Pyramiden und die dark geböfchten Mauern an den Urfprung des ägyptifchen
Haufes aus dem Nomadenzelt. Aber dauernd gültige Kundformen find fchon gefunden: zur Teppichwand gefellcn
fich die Krönung, die Umrahmung, die Säule und der Deckenträger. Und fchon gcnUgt in dem gefaulten Raume
eine gleiche Höhe nicht mehr* Uber die Nebenräume ragt die Mittelhalle, um von der oberen Seite her ein wirkungs.
volles Seitenlicht zu gewinnen. - Das Innere wie das Acufserc werden dadurch völlig verändert und in folchem
Sinne id der grofse Audicnzfaal zu Karnak das EigenthQmlichde, was die pharaonifche Bau kund gefchaffen.
Schon der Mafsflab Ubertrifft .jeden anderen Hcrrfchcrfaal. . Er id fad zehnmal größer, als der weiße
Saal im Berliner Königsfchlofs, die dreifchidigc Miticlhallc deigt bis zu 80 Fuß empor, die tz Mittelfäulen, welche von
etwas größeren Dimenfionen als die taz Übrigen Säulen des Saales, haben, einen Durchmelfer von nicht weniger als
11 Fuß und lind 70 Fuß hoch, das Capitäl diefer Säulen bietet eine Fläche, auf der etwa 100 Perfonen nebeneinander
dehen können. Welch eine Sicherheit in der Mechanik verrnthen die Angaben, daß jeder der aufliegenden Steinbalken ein
Gewicht von 825 Centnem und jede Decktafel ein folchcs von 615 Ccntnem hat. Aber fchwerer als alles dies wiegt die nicht
nur an gedrehte, fondern weit geförderte Charakteriüikder baulichen Funktion der Säulen und Decken. Und das Wichtigde bleibt
die ganz originelle Raumgeflaltung der höheren Mittelhalle und ihrer directen, wohl geoidneten Seitenbeleuchtung.'' —
Wie fchon und treffend Herr Adler auch hier die großartige Architectur des thebanifchcn Reichstempcls charakicrifirt, Io
id doch die von ihm ausgelprochene Anficht, daß mit jenem Tempel der Königspalad verbunden, dafs der vorderdc große
Saal des Tempels zugleich der Audienzfaal des Herrfchers gewefen, zu berichtigen. Die Aegyptologic muß gegen diefe
Annahme entfehieden Proted erheben. Alle bildlichen Dardellungen und Infchriften in den Räumen fclbd, wie fondige, in
Bezug hierauf in der Papyruslitteratur fich findende Notizen flehen mit einer folchen Annahme in Widerfpruch. In dem
von einer Umfaffungsmauer eingefchlodenen heiligen Bezirke befanden fich außer dein Haupttempel die zu demfclben gehörenden
Nebengebäude, es waren dort angelegt die heiligen Haine und Seen wie andere durch den Kult bedingte
Räume, niemaß aber Hand dort der Palad des Königs und noch weniger wohnte jemaß ein ägyptifcher Herrfeber in dem
Haupttempel felbd oder crthciltc in dem hypodylen Saale deffclbcn Audienz. Der Königspaßd befand fich außerhalb des
Temenos und war, wie jedes altägyptifche Wohnhaus, Prachtbau oder HUue, aus Holz und an der Luft getrockneten Ziegeln
erbaut und diefes Material hat eben nicht die Jahrtaufende Überdauern können, wie der bei dem fo confervirenden Klima
Aegyptens unverwtldliche Granit, Kalk- und Sanddein, aus welchem die Gräber und Tempel erbaut worden.
Johannes Di michex.