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Egypten ift ein ununterbrochenes Stelldichein der Völker dreier Erdlheile, Hallepunkt auf der Weltftraße von
Europa nach Indien und Einbruchsort für die Wüftenwegc nach dem Innern Afrikas. Drei Erdlheile berühren fich ihn im
gewiffermaffen, und ihre Völker taufchen hier die Erzcugniffc ihrer Länder aus. Dies ift die Uriache, dafs uns Kairo,
die fiegreiche Hauplftadt, als die buntefte Mufterkarte der Völker und Stämme erfcheint, dafs in ihren Straften ohn’ Unter-
lafs ein aus allen Himmelsgegenden herbeigeflutheter Menfdienftrom auf und nieder wogt. Hierau kommt, dafs alljährlich
in fteigender Anzahl der reifeluftige Fremde von Europa und Amerika her Egypten durchwandert, um einmal mit vergangenen
Jahrlaufenden" zu verkehren, sich durch eigenes Anfchauen grofsartiger Denkmäler weit hinter ihm liegender Zeiten
in diefe zu verfenken, fich auf dem göttlichen Nile zu fchaukeln und einen ewig heitern Himmel Uber fich blauen zu laden,
unter Palmen zu wandeln und den Zauberduft des Morgenlandes in fich aufzunehmen.
Wie die vcrfchiedenartigften Laute von den Lippen, fo rollen auch die verfchiedenartigften Geldftücke von Hand
zu Hand. Ein Jeder faß, welcher fich in Egypten einfindet, bringt wenigftens einige von den in feiner Hcimath geltenden
Münzen mit fich, weshalb in keinem Lande der Welt eine größere Manchfaltigkeit von gangbarer Münze angetroffen werden
kann, als gerade in dem Fruchilandc des Nil. Als Mahammed Ali, der tyrannifche Schöpfer des neuen Egyptens fielt
von der türkifchen Herrfchaft fo gut als frei gemacht hatte, ging eine feiner erften Sorgen dahin, dem Lande eine eigene
Münze zu fehaffen. An Stelle des vcrfchlungcnen Namenzuges des Herrfchers aller Gläubigen und Hüters des Glaubens,
des Sultans nämlich, fetzte er feinen eigenen und auf die Rückfeiic der Münze lieft cranftatt des Satzes »in Konflantinopel
gcfchlagcn* die Worte »gefchlagen in Kairo* prägen, beftimmte auch, dafs die von ihm herrührenden Münzen einen
anderen Werth haben folltcn als die feines Oberherrn. Letztere aber liefen dcmungeachtet fernerhin um im Lande und
find heutigen Tages noch in Gültigkeit. Als nun fpätcr Handel und Wandel fich hob und mit dem Strom der Reifenden
neues Geld in das Land kam, gelangte man wohl oder Übel zur Anerkennung alles Geldes, welches überhaupt geprägt wird,
mit einziger Ausnahme vielleicht des chinefifchcn und japanefifchen, fowie ebenfo der abfonderlich geftaltcten »Hafchafch«, einem
zum Wegräumen des Steppengrafcs dienenden Werkzeuge ähnlichen und deshalb nach diefem benannten eilemen Werth-
zcichen Kordofans, von denen fielt bis Ende der fünfziger Jahre jeder beliebige Schmied des eben erwähnten Landes foviel
verfertigen konnte, als er wollte, da der Werth des einzelnen fo gering bemeffen war, dafs der Gewinn, welchen er zu
erzielen vermochte, fich doch immerhin nicht Uber anderes Tagelohn erhob. Marien-Therefienthaler waren fchon feit Ende
des vorigen Jahrhunderts in allgemeinem Gebrauch, find es auch heutigen Tages noch, weil die meiden Innerafnkancr,
beifpielsweife die Abeffynlcr, nur diefe eine Münze überhaupt annehmen, und follten fie diefelbe auch in einzelne Theile
zcrichncklcn, um fich fo Scheidemünze zu bcfchnflen. Später gelangten durch die Engländer britifche und indifchc, durch
die Franzofen franzöfifche Gold- und Silberftücke auf den Markt, und neuerdings hat auch griechifches, deutfehes, fpanifches
und nordamcrikanifches Geld hier Eingang gefunden.
Lange Zeit wehrte fich die Regierung, foviel in ihren Kräften ftand, gegen den nothtvendigerweife entftehenden
Wirrwarr, rechnete nach wie vor ausfchliefslich mit ihrer eigenen Münze, nahm nur diefe in Zahlung an und crfchwerte
den Verkehr in rückfichtslofeftcr Weife. Handel und Wandel aber waren mächtiger felbft als der Kedive und erzwangen
fich endlich, wenn auch nicht (lautliche Anerkennung, fo doch vollkommenes Gewährenlaftcn. Hätte freilich jedes einzelne
der fremden Völker nur Gold oder fchwerc Silbermünze eingeftlhrt, fo würde fich Jedermann leichter unter die Botmäßigkeit
der Geldmncht gefügt haben, als dies thatlüchlich der Fall fein konnte, da neben den vielleicht zehn verfchiedenen
Goldftücken Egyptens und der Türkei, den Goldmünzen Frankreichs, Englands, Oeflerreichs, Deutfchlands, Spaniens und
Nordamerikas auch noch die vcrfchiedenften Silbermünzen vom Tlialer bis zum halben Franken, halben Schilling und Vier-
grofchenftück herab als gangbare Münze betrachtet werden mUffen. Es gehört demnach ein förmliches Studium dazu, alle
die verfchiedenen Werthe in egyptifches Geld zu Überfetzen, und man darf es dem Innerafrikaner wahrhaftig nicht verdenken,
wenn er nicht allein bloß Marien-Therefienthaler, fondem auch nur diejenigen Stücke diefer Münze annimmt,
welche im Jahre 1784 geprägt wurden und auf der linken Schulter des Bildes der Kaiferin eine durch fieben Pünktchen
angedeutete Agraffe zeigen, und wenn er deshalb die öftcrreichifche Regierung zwingt, noch heutigen Tages fortgefetzt
diefelben von dem Araber »Vater des Tropfens* benannten Thalerftückc zu prägen. Erichwert wird der Uebelltand, mit
fo unendlich verfchiedenen Münzen zu rechnen, noch durch den Umftand, dafs diefelben dreierlei Cours haben, den durch
die Regierung feftgeftellten, dem Werthe genau entfprechenden, den unter den großen Kaufleuten üblichen und den auf
dem Markte gebildeten. So kommt es, daß der Neuling diefem Münzunwefen vollkommen rathlos gegenüber fleht und
fein unentbehrlicher Dolmetfcher meift noch beffere Gefchäfte macht, als der auch in der kleinften Stadt anfällige
Geldwechsler.
Wer fich unter dem arabifchen Wechsler das Spiegelbild eines unserer Banquiers denken wollte, würde fich irren.
Banquiers giebt es einzig und allein in den drei großen Verkehrsflädten Alexandrien, Kairo und Suez, Geldwechsler dagegen
auf jedem Markte, ja fall in jeder Straße des Bazars, und ihr ganzes Gefchäft befiehl buchltäblich nur darin, eine Geklforte
gegen die andere mit gutem Gewinn zu vertaufchen. So ausgezeichnete Wechfelfluben, wie unfer Werner uns fie vorführt,
findet man höchfl feiten im Lande: in der Regel fitzt auch der Wechsler, fo gut wie jeder andere Kaufmann, in einem einfachen
Laden des Bazars, und wenn diefer wirklich etwas Bcfondercs enthält, fo ift es der mehr oder weniger gut und
künftlich gearbeitete Geldfchrank, — keineswegs immer das Erzeugniß eines arabifchen Arnheim, in den meiden Fällen fogar
nur ein flarker Holzkaften mit kunflreichem, arabifchen Dieben gegenüber auch vollfländig ficherem Verfchluß, in welchem
der Mann feine Werthgegcnflände aufbewahrt, den im Bazar auf und nieder wandernden, durch lautes Rufen feine Anwefen-
heit kündenden Wächtern mehr vertrauend, als dem Schätze bergenden Schranke. Feuersgelahr fürchtet unfer Mann nicht
im Geringften; denn bei dem fpärlichem Gebrauche des gefährlichen Elements kommt es nur äußerfl feiten vor, daß
irgendwo ein Schadenfeuer ausbricht. Deshalb geht er des Abends nach vollbrachtem Tagewerk mit der allen Morgenländern
eigenen Seelenruhe unbekümmert nach Haufe und crichcint am nächllen Morgen wieder im Vollbewußtfein, alles
vorhanden Gewefene wieder vorzufinden. Wieviel dies beträgt, weife er genau, obgleich er nur in den allerfcltenften
Fällen Rechnung führt. Auf Gefchäfte, welche fchriftliche Aufzeichnungen erfordern, läßt er fich übrigens auch niemals
ein-, fein Grundfatz ift: »Baar, gegen baar, mit gutem Gewinn*. Von der Regierung kauft er fich die ihm nöthigen
Kupfermünzen zu dem üblichen Courie und empfängt folche zu fünfhundert Piaster in einfache Körbe aus Palmenßfem
gepackt, in einer gewiffen Menge, weil dem ewigen Bcdürfnifle nach kleiner Münze von Setten der Regierung niemals
genügend entfprochen wird. Von den Fellahs, welche mit dem geringen Erlös ihrer Felderzeugniffe zu Markte ziehen,
taufcht er fich andere Münzen ein, undfo ift er jederzeit gerüftet, den Bedürfniffen zu genügen. Und wenn dies nicht der
Fall fein Tollte, leidet fein Ruf eben auch nicht, weil Jedermann weiß, wie fchwierig es ift, trotz des Ueberflufles an
verfchiedener Münze, fich eine beftimmte MUnzforte zu verfchaffen. Allgemeines Vertrauen aber genießt der Geldwechsler
nicht, mindeftensbei weitem nicht in dem Grade wie ein Banquier bei uns zu Lande. Jedermann, der Europäer kaum
ausgcfchloffen, zählt ihn zu den nothwendigen Uebeln und beachtet ihn als Perfönlichkeit, vor welcher man fich vorzufehen
hat. Dem ungeachtet glaube ich, dafs der eben abgefertigte Kunde unferes Bildes nicht nöthig hat, die ihm übergebene
Münze bezüglich deren Echtheit zu prüfen: betrogen hat ihn der Wechsler höchfl wahrfcheinlich, infofem als er ihm einen
ändern Cours berechnet; die Münze aber ift ficherlich echt
A . E . Brehm.